Interview mit Grips-Leiter: "Theater ist die Einstiegsdroge"
Der Künstlerische Leiter des Grips Theaters, Stefan Fischer-Fels, über das Recht auf Kunst und Kulturförderung durch Sponsoren aus der Privatwirtschaft.
taz: Herr Fischer-Fels, warum sollen Schüler ins Theater gehen?
Stefan Fischer-Fels: Durch Theaterbesuche wird eine bestimmte Emotion trainiert: Mitgefühl. Die Kinder lernen, sich in andere hineinzuversetzen. Sie leiden mit dem Helden und wollen unbedingt, dass er gewinnt. Die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen, ist ein wichtiger Teil der Persönlichkeitsentwicklung. Dazu soll Theater betragen.
Weshalb soll Theater Schulfach werden?
Spätestens seit Pisa lastet auf den Schulen großer Druck. Für kulturelle Inhalte bleibt oft keine Zeit, Theaterbesuche werden teilweise sogar als Unterrichtsausfall angesehen. Kinder und Jugendliche haben aber ein Recht auf Kunst. Neben Mathe, Physik und Englisch brauchen die Schüler unbedingt einen Bereich des emotionalen Lernens, der sonst zu kurz kommt. Dafür schlage ich das Fach „Kulturelle Bildung“ vor, zu dem auch Musik, Tanz und bildende Kunst gehören. Das Theater ist die Einstiegsdroge für SchülerInnen, die Lust machen soll auf mehr.
Ab wann sollte man Kinder an Theater heranführen?
Ab der ersten Klasse. Wir müssen Kunst von Kindheit an vermitteln und die Liebe zur Kultur früh wecken. Wenn Kinder von heute ihre Liebe zur Kunst nicht entdecken, werden sie als Entscheidungsträger von morgen vielleicht Theater zu Einkaufszentren machen. Kinder- und Jugendtheater können zeigen, in welcher Gesellschaft wir leben und was Kinder daran bewegt, stört und verzweifeln lässt. Kinder lernen im Theater, Kunst zu sehen und zu verstehen – und sie lernen zugleich, ihre Umwelt zu verstehen.
47, ist seit einem Jahr Künstlerischer Leiter des Grips Theaters, das für Kinder, Jugendliche und Erwachsene spielt.
Welche Schulen sollen am „Grips Fieber“ teilnehmen?
Wir möchten alle Schulformen für das Projekt gewinnen. Uns ist wichtig, dass gerade auch Brennpunktschulen dabei sind. Schließlich kommen deren Schüler ohne Initiativen wie unsere kaum mit Kultur in Berührung. Und wenn sich die Schüler aus sozial schwachen Gegenden Theaterbesuche nicht leisten können, werden wir ihnen die Eintrittskarten mithilfe unserer Sponsoren ermöglichen.
Stichwort BMW Guggenheim Lab: Funktioniert Kulturförderung in Berlin nicht mehr ohne private Sponsoren?
Ich möchte sowohl Sponsoren aus der Privatwirtschaft als auch staatliche Stellen davon überzeugen, wie wichtig kulturelle Bildung im Kindesalter ist. Sie braucht auch in Kulturetats ihren Platz. Kinder- und Jugendtheater sind sehr erfahrene Kulturvermittler, die aber von der Politik auch genutzt werden müssen.
Muss die Politik das dann nicht auch finanzieren?
Der Senat hat uns zwar geholfen, kann aber wegen der Haushaltslage zurzeit nicht direkt eingreifen. Ich bin der Meinung, dass man nicht nur fordern, sondern erst selbst ein gutes Projekt vorweisen sollte. Deswegen machen wir das Grips Fieber – und wenn es gut läuft, wird es hoffentlich auch politische Folgen haben.
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