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HAMBURGER SZENE VON FRIEDERIKE GRÄFFDer Pförtner, der nichts sah

Es klang, als wären wir beide Teil eines schmierigen Gangsterfilms

Die zehn Euro lagen vor dem Fahrradständer. Dem Fahrradständer des Amtsgerichts. Daneben stand niemand. Zehn Euro sind fünf Milchkaffees, eineinhalb Kino-Eintritte, ein Mittagessen auswärts plus Nachtisch.

Kürzlich fand ein Reisender in einer Toilette der Bundesbahn 500.000 Euro und gab sie dem Fundbüro. Was für ein Wurm wäre man, behielte man da zehn Euro. Und das vorm Gericht.

Ich brachte die zehn Euro dem Pförtner. „Ich habe nichts gesehen“, sagte er. Das klang, als wären wir beide Teil eines schmierigen Gangsterfilms. „Vielleicht kommt gleich jemand, der sie verloren hat“, sagte ich. „Ich verliere selber so viel, ich würde mich freuen, wenn man all das dem Fundbüro brächte.“ Der Pförtner sah das anders. Er sah das Schlechte. „Wer kommt, wird jemand sein, der gesehen hat, wie Sie die zehn Euro gefunden haben“, sagte er.

Wir verblieben so, dass ich nach dem Prozess, über den ich berichten sollte, vorbeikäme. Sollten die zehn Euro dann noch da sein, wären sie mein. Vor dem Raum, in dem der Prozess stattfinden sollte, saß ein Paar und fiel ein bisschen übereinander her. Von einem Prozess wussten sie nichts. Im Sekretariat hieß es, der Richter sei verhindert.

Nach vier Minuten stand ich wieder vor dem Pförtner. Er schien befriedigt und gab mir die zehn Euro. Er glaubte nicht an das Gute.

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