piwik no script img

Die WahrheitEine Hölle namens Bio

Kolumne
von Arno Frank

Für manche Menschen ist das Etikett „Bio“ zu einer regelrechten Religion geworden. Inklusive Heilsversprechen, dass, wer „Bio“ einkauft, auf einem (...)

F ür manche Menschen ist das Etikett „Bio“ zu einer regelrechten Religion geworden. Inklusive Heilsversprechen, dass, wer „Bio“ einkauft, auf einem geretteten Planeten im Kreise properer Enkelkinder mit gutem Gewissen uralt werden kann. Im Prinzip, so manche Leute, ist eigentlich alles giftig, auf dem nicht ein Bio-Etikett pappt. Den Fundamentalisten zum Trotz gehe ich manchmal doch ganz gerne in den Bioladen in unserer Straße. Das sind sehr nette Leute dort, die mir mit dem Kinderwagen immer die Tür aufhalten und sich untereinander zwanglos unterhalten.

Neulich, ich hatte mich gerade über die Kühltheke mit dem Biofleisch gebeugt, ging’s um die Würmer, die sich „der Fido“ eingefangen hatte und wie „wir die wieder losgeworden sind, ich kann dir sagen“. Um die Wurmfreunde unter den Lesern nicht im Regen stehen zu lassen: Es waren „solche Dinger“ mit Betonung auf „solche“.

In diesem Bioladen jedenfalls gibt es exotische Versionen eigentlich ganz gewöhnlicher Lebensmittel. Karibische Bananen, die abends noch grün sind und morgens schon braun. Wahrscheinlich müsste ich mir mitten in der Nacht den Wecker stellen, um eine Banane in ihrer kurzen gelben Phase zu erwischen. Bemerkenswert auch die Kiwi, die, anders als ihre oft steinharten Kolleginnen aus dem Supermarkt nebenan, wahrscheinlich per berittenem Boten aus Neuseeland importiert wurden und innen komplett flüssig sind. Ich steche einfach einen Trinkhalm durch ihre haarige Vogelspinnenhaut und trinke sie aus.

Der wahre Grund, warum ich dem Bioladen treu bleibe, liegt gut gekühlt und beleuchtet hinter Glas. Es ist die Käsetheke. Ich bin weder Gourmet noch Gourmand und vielleicht der vorletzte Mensch auf Erden, der Kochen nicht für eine Kunst hält. Aber einen guten Käse weiß ich zu schätzen. Vor allem einen guten Camembert, den Champagner unter den Käsen. Leider gibt es den in Deutschland nicht zu kaufen. Was einem unter diesem Namen angedreht wird, schmeckt wie sahnige Milch und hat mit einem echten Camembert ungefähr so viel zu tun wie wie Teletubbies mit Southpark. Fündig wurde ich nur im Bioladen.

Nachdem ich also verschiedene Sorten ausprobiert hatte, fragte ich nach dem schärfsten Camembert im Sortiment: „Der da hinten in der Ecke sieht sehr interessant aus.“ Da war ein kurzes Flackern im Blick der Verkäuferin, dann ein professionelles Lächeln: „Wie wär’s mit diesem hier, der ist auch sehr würzig!“ Ich aber beharrte, und seufzend angelte sie das schwarze Schaf heraus, einen L’amour blanc d’ Antoine, und sagte: „Mein Mann meint, den könnten wir eigentlich niemandem anbieten“, aber ich versicherte: „Ich mag das so, nach Ammoniak müssen sie riechen. Packen Sie’s gleich ein!“

Zu Hause packte ihn ihn aus, freute mich am rostfarbenen Schimmel auf der Rinde, dem man fast beim Wachsen zuschauen konnte, und runzelte, das weiß ich noch, kurz die Stirn über seine leichengraue Bröseligkeit im Inneren. Dann biss ich zu. Wenn „Bio“ eine Religion ist, dann habe ich in diesem Moment ihre Hölle kennengelernt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Inlandskorrespondent

18 Kommentare

 / 
  • H
    HCL

    Das Leben ist eine heftige G`schicht,

    die durch Ungeduld besser wird: nicht.

  • H
    HCL

    Das macht echt Spaß, die Bio-Kommentare zu lesen, egal welcher Fraktion. Ihr seid alle so süß! und deshalb Beweis für die Richtigkeit dieser Idee.. selbst wenn pasteurisierte bärtige Allgäuer deren Erfüllungsgehilfen sind! Zwei Sachen sind klar:

    -In Dtl. gibt es keine Bio-Bananen oder -Kiwis zu kaufen, aufgrund der Transportwege entfällt da jeglicher Sinn (Yeah, genau wie bei China-Bio, Bussi @Gutgläubiger, und klaro @Nassauer, Can rules!, et al.), grad so wie bei spanischem oder italienischem Biogemüse, das per LKW über diverse hannibalische Gebirgsketten transportiert wird;

    -OK, ich kauf jetzt diese teureren Bio-Eier, weil ich keine Horrorbilder von Legehennenbatterien mehr sehen mag. Aber wenn dabei jemals noch ein Anbieter roßtäuscht, dann geh ich hin und male ihm die Eier blau an! Und das nicht nur an Ostern..

  • H
    HCL

    Das macht echt Spaß, die Bio-Kommentare zu lesen, egal welcher Fraktion. Ihr seid alle so süß! und deshalb Beweis für die Richtigkeit dieser Idee.. selbst wenn pasteurisierte bärtige Allgäuer deren Erfüllungsgehilfen sind! Zwei Sachen sind klar:

    -In Dtl. gibt es keine Bio-Bananen oder -Kiwis zu kaufen, aufgrund der Transportwege entfällt da jeglicher Sinn (Yeah, genau wie bei China-Bio, Bussi @Gutgläubiger, und klaro @Nassauer, Can rules!, et al.), grad so wie bei spanischem oder italienischem Biogemüse, das per LKW über diverse hannibalische Gebirgsketten transportiert wird;

    -und daß ihr noch richtig schimpfen lernen müßt, z.B.: "OK, ich kauf jetzt diese teureren Bio-Eier, weil ich keine Horrorbilder von Legehennenbatterien mehr sehen mag. Aber wenn dabei jemals noch ein Anbieter roßtäuscht, dann geh ich hin und reiß ich ihm persönlich die Eier ab!"

  • D
    Dirk

    @Yadgar

     

    "Es gab mal eine Zeit, da konnte man die Ökos an ihren Bärten erkennen - warum eigentlich heute nicht mehr?"

     

    Weil bei länger andauernder Mangelernährung keine Bärte mehr wachsen (nicht hauen, bitte ;)

  • Y
    Yadgar

    @leideröko:

    "...und stammt von einem vollbärtigen Allgäuer"

     

    Bärtig ist schon mal gut, nicht nur in Afghanistan! Es gab mal eine Zeit, da konnte man die Ökos an ihren Bärten erkennen - warum eigentlich heute nicht mehr?

  • P
    Peter

    Sehr witzig, der Artikel! Freiwillig und anscheinend liebend gerne lassen sich die ganzen Bio-Jünger sich Tag für Tag verarschen und abzocken lassen. A sucker is born every day! ;-)

  • G
    Gutgläubiger

    Also ich kauf auch gern die Bio-Bananen aus der Region:-)

     

    oder die Biogemüse aus China, die mittlerweile angeboten werden, da tut man doch auch was für die Umwelt, und die Chinesen sind ja für ihren pfleglichen Umgang mit der Natur bekannt...

     

    die kommen bestimmt alle per Elektroboot aus regenerativen Energien zu uns*g*

  • D
    Dirk

    @Tierschwester,

     

    "Klischee-Artikel zum Zeitvertreib für Menschen die Angst vor bewusstem Denken und dem daraus resultierenden bewussten Handeln haben... so mainstream!"

     

    Kaufe auch ab und an im Bioladen, auch v.a. wegen Käse - wenn nur manche vor heiligmäßiger Askes verhärmten Kunden nicht wären ;-)

  • DD
    Dee Dee

    Jetzt weiß ich auch endlich, warum es in Bioläden immer so unaushaltbar muffig riecht! Besten Dank für die Aufklärung.

  • S
    Schroedingers

    @Nassauer

     

    Man lasse sich den Beitrag von -> Gianna mit Mama auf der Zunge zergehen.

     

    Soviel zur Humorigkeit der Oeko-Gegner

  • N
    Nassauer

    "Bio" macht humorlos, siehe die Vorkommentare.

     

    Freunde, einfach mal ´ne Packung ALDI-Nudelgericht aufmachen, dazu ein 1,99er-Italiener vom Penny - Das hellt die Stimmung gleich wieder auf!

  • GM
    Gianna mit Mama

    @Sebastian: genau, ökologisch sinnvoll angebaute Produkte von Neuseeland oder aus Kolumbien per Flugzeug, das Bio-Raps-Kerosin tankt und einen Bio-Regenbogen versprüht, den es am Horizont hinter sich herzieht. Oder per Containerschiff, das mit Bio-Schweröl fährt, das, als Festmahl für Bakterien im Meer, ökologisch abgebaut wird.

     

    Wir wollen uns doch nicht unser Gefühl moralischer Überlegenheit (der mit Rassismus überhaupt nicht zu vergleichen ist) durch so einen doofen taz-Artikel verhunzen lassen, noch dazu, wenn er so perfide in der Rubrik "Wahrheit" als Satire getarnt wird. Wer solcherlei Defätismus an der guten Sache dudldet, dem sollte das Gesicht zur Strafe einmal über einen Lidl-Scanner gezogen werden.

    (dies stellt keine Aufforderung zur Gewalt da, die Phantasie ist völlig gewaltfrei, da sie auf der Einsicht und Freiwilligkeit der Sünder beruht, die ihr Gesicht der Lidl-Frau/dem Lidl-Mann zu Verfügung stellen würden. Auch sonst soll niemand durch den Kommentar in irgendeiner Form herabgeschätzt werden.)

  • A
    alabasta

    ...witzige Kolumne. Mehr davon...

  • W
    werzu

    no, wahrscheinlich ist der anteil der leute, die eine religion draus machen, ziemlich sehr klein. und bei bio-zertifierten produkten ist die wahrscheinlichkeit höher, dass sie mehr taugen, besser schmecken, weniger schaden anrichten... weiß man ja. also ein unnützer artikel...

  • L
    leideröko

    Also eine Sache an dem Bioladen hätte ich auch zu kritisieren, der genannte Käse hat mit Frankreich nun mal gar nix zu tun, sondern hat eigentliche einen deutschen Namen (übersetzen kann jeder selber) und stammt von einem vollbärtigen Allgäuer. Da er (soweit ich mich erinnere) pasteurisiert ist, ist er für einen Camembertähnlichen Käse auch sehr mild (nicht die Supermarktindustriesahne aber eben auch keine Camembert du Normandie A.O.C.). Ammoniakgeruch etc. dürfte der nur bei total unsachgemäßer Behandlung entwickeln.

     

    Aber jetzt mal zum Rest des Artikels, das Menschen Bio kaufen ist ihr gutes Recht und wenn man sich etwas mit Landwirtschaft und dem großen Ganzen beschäftigt (Klimawandel, Trinkwasser, biologische Vielfalt, Arbeitsplätze im ländlichen Raum etc. pp.) findet man nun mal raus, auch wenn Bio nicht die endgültige Antwort darauf ist, beschäftigt sich die Biobewegung (und hier wirklich die Bauern, Verarbeiter, Händler etc.) damit, wie man diesen Entwicklungen begegnen kann. Im konventionellen Bereich gibt es da Lippenbekenntnisse der Zulieferindustrie und der Wissenschaft aber auf dem Acker kommt davon wenig an. Nach der Wasserfläche ist eben die nächstgrößte Fläche auf unserem Planeten die landwirtschaftliche Nutzfläche ob das jetzt Australiens Weiden oder Hollands Gewächshäuser sind hier wird die Zukunft unseres Planeten mehr geprägt als in allen Megametropolen dieser Welt.

     

    Jetzt gibt es untern den Ökoläden (genauso wie unter Marktständen, Dorfläden, Supermärkten etc.) eben auch welche die Lebensmittelkonservierung nicht so ganz genau nehmen, wenn eben Temperatur, Luftfeuchtigkeit und (hoffentlich seltenst) Hygiene nicht stimmen, verderben Lebensmittel im Laden und danach auch zu Hause schneller, das hat aber nun wirklich nichts mit bio oder konventionell zu tun. Die Konservierungsmethoden sind nämlich (dem Gesetzgeber sei Dank) zu 99% die gleichen, begast, bestrahlt, gewachst etc. wird nämlich nur die konventionelle Billigware, die wir nach Afrika und China schicken.

  • T
    Tierschwester

    Klischee-Artikel zum Zeitvertreib für Menschen die Angst vor bewusstem Denken und dem daraus resultierenden bewussten Handeln haben... so mainstream!

  • N
    nanina

    Sehr witzig!

    Da konnte ich richtig lachen, denn auch in unserer Familie ist das ein Thema: BIO oder Nicht-Bio.

  • S
    Sebastian

    Ehrlich gesagt, weiß ich nicht wie ich mich "nett" ausdrücken soll. Mit Klischees von Öko-Mamas und -Papas um sich zu werfen und dabei ökologisch sinnvoll angebaute Produkte zu diffamieren ist nicht besonders schwer, und auch nicht einfallsreich.

    So viel Informationslosigkeit hab ich auf taz.de noch nicht erlebt.