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Zukunft der Schlecker-MitarbeiterInnen„Der Markt ist aufnahmefähig“

Mit Ende 40 müssen viele der Schlecker-Verkäuferinnen nochmal von vorn anfangen und sich neue Jobs suchen. Wie sieht es mit ihren Chancen aus?

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht für die Verkäuferinnen gute Chancen auf Wiederbeschäftigung. Bild: dpa

BERLIN taz | Nach dem Aus für die Transfergesellschaften für die von Kündigung bedrohten Mitarbeiterinnen des Drogeriekonzerns entbrannte am Donnerstag die Diskussion über die Zukunftschancen der bisherigen Schlecker-Beschäftigten. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht für die Verkäuferinnen gute Chancen. Aktuell gebe es bundesweit etwa 25.000 offene Stellen für Verkäuferinnen, sagte BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker.

„Der Markt ist aufnahmefähig“, erklärte er. Allerdings waren im Februar 305.577 Verkäuferinnen arbeitslos gemeldet. Victoria Sklomeit, Gewerkschaftssekretärin für den Handel bei Ver.di Bayern, beurteilt die Aussichten skeptisch. Auch wenn die Stellenlage im Handel noch relativ günstig sei, so komme es doch auf „die Bedingungen und die Bezahlung an“, sagte Sklomeit.

Viele Discounter zahlten nicht nach Tarif, während der Drogeriekonzern seinen Beschäftigten tarifliche Entgelte gewährte. So verdient eine Filialleiterin im 9. Berufsjahr bei Schlecker rund 2.500 Euro brutto, wenn sie in Vollzeit arbeitet. Ein großes Problem sei zudem die regionale Verteilung künftiger Arbeitsstellen, sagte Sklomeit. Teilzeitkräfte, die für eine neue Arbeitsstelle künftig vielleicht 35 Kilometer fahren müssten und entsprechend hohe Benzinkosten hätten, „die überlegen sich, ob sich das überhaupt lohnt“, sagte Sklomeit.

Viele Teilzeitkräfte sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt

Nur ein Drittel der Schlecker-Angestellten arbeitet in Vollzeit, die meisten Teilzeitkräfte sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das Durchschnittsalter liegt bei Ende vierzig. Die Schlecker-Beschäftigten haben nach der Kündigung erst einmal Anspruch auf Arbeitslosengeld, in der Regel für ein Jahr. Sie können auch an Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit teilnehmen.

Auch ein Anspruch auf Abfindung bleibt bestehen. Ver.di-Sprecherin Christiane Schell wies allerdings darauf hin, dass die Höhe der Abfindung durch das Insolvenzrecht gedeckelt sei, sie dürfe nicht mehr als das Zweieinhalbfache eines Monatsgehaltes betragen. Dies wären bei einer langjährigen Vollzeitkraft rund 6.000 Euro brutto.

Kein Vorteil durch Transfergesellschaften

In der Transfergesellschaft hätten die Beschäftigten Weiterbildung und 80 Prozent des letzten Nettogehalts für eine Dauer von maximal sechs Monaten erhalten. Im Falle der Nichtvermittlung hätten die Beschäftigten nach der Transfergesellschaft den vollen Anspruch auf Arbeitslosengeld behalten, aber keine Abfindung bekommen.

Die Jobchancen für Beschäftigte in Transfergesellschaften seien aber nachweislich nicht besser als für Entlassene, die sich direkt auf dem freien Arbeitsmarkt eine Arbeit suchten, erklärte Hilmar Schneider, Arbeitsmarktexperte im Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), unter Verweis auf eine IZA-Untersuchung.

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9 Kommentare

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  • N
    Namaste

    @Lexi:

    Man kann trotzdem etwas respektvoller über diese Menschen reden. Wenn Sie mal in so eine Situation kämen wären Sie wahrscheinlich der erste der nach Staatshilfen schreit.

     

    Generell muss ich aber auch sagen, daß Schlecker am Bankrott selbst schuld ist und das abzusehen war. Wenn ich die runtergekommenen Läden vergleiche mit der Konkurrenz, das hätte halt mal früher auffallen müssen daß die Konkurrenz besser ist. Und wenn man dann den gewinn durch ausbeutung der Mitarbeiter steigern will anstatt in die Geschäfte zu investieren ist man selbst schuld wenn mal rum ist.

     

    Und zum Thema, was bringt mir ein Job in Berlin, wenn ich auf dem Land lebe. Es gibt auch ausserhalb Berlins Jobs. Ich denke, dei Umstellung von einem Drogeriemarkt auf einene Lebensmittelmarkt o.Ä. sollte auch für jemand ende 40 noch zu machen sein. Wenn man sich die Arbeitslosenzahlen momentan anschaut sollte es doch möglich sein was neues zu finden.

  • W
    W.Moritz

    W.Moritz

    Ich erinnere mich noch an die Beschwerden der Schlecker-Frauen ob der misserablen Arbeitsbedingungen (Bezahlung/Videoüberwachung/Minijobs) welche von Presse,Politikern,Gewerkschaften heftigst kritisiert

    wurden und wochenlang für Schlagzeilen sorgte, so dass auch meine Frau sagte "Wenn der sein Personal so schlecht behandelt gehe ich nicht mehr hin".

    Nun gibt es keine Beschwerden mehr, denn es gibt auch

    keine Arbeit mehr bei Schlecker. Wurde das schon vergessen von den damaligen Wortführern. Mir persönlich tut die Familie Schlecker von Herzen leid,

    insbesondere Herr Anton Schlecker den ich für eine der letzten ehrbaren Kaufleute halte. Er hat die Versorgung der Bevölkerung (nicht erst ab 50tsd/Ew.)

    am Herzen gehabt.Nun ist Schluß und es wird wie üblich geweint.

    W.Moritz

  • T
    Thomas

    Ich freue mich über jeden, der seine Arbeitsplatz behalten kann bzw. einen neuen findet. Das Trara mit der Transfergesellschaft war meines Erachtens vor allem der Selbstinszenierung der Parteien geschuldet. Ich war selbst bislang 4x arbeitslos, das letzte Mal 15 Monate: diese betriebsbedingte Kündigung hat keinen Menschen außerhalb meiner Familie interessiert. Während der Arbeitslosigkeit habe ich mich über weiterbildende Maßnahmen, finanziert durch's Arbeitsamt, weiterqualifiziert und dann auch einen neuen Arbeitsplatz gefunden

  • S
    saalbert

    "Mit Ende 40 müssen viele der Schlecker-Verkäuferinnen nochmal von vorn anfangen und sich neue Jobs suchen." - Wäre schön, wenn die sich alle nur "einen Job" suchen müssten und nicht mehrere "Jobs".

  • B
    Brandeis

    Guter Artikel. In der derzeiten Meinungslage herlich unaufgeregt und sachlich.

  • S
    sam

    „Der Markt ist aufnahmefähig“ kann nur ein zynischer Bürokrat sagen, der die Realität verleugnet!

     

    Was bringt einer 45-jährigen Verkäuferin, die mit Mann und zwei Kindern im noch nicht abbezahlten Eigenheim in der bayerischen Provinz lebt eine offene Stelle als Drogerieverkäuferin in Berlin?

     

    Soll die Frau Familie und Kinder für einen 750-Euro Job verlassen - oder jeden Tag 400 Kilometer pendeln und daheim eine Nanny für die Kinderbetreuung engagieren?

     

    Soll sie die Kinder aus der Schule vor Ort reissen, den Mann dazu zwingen seinen Job kündigen und auch umzuziehen und das Eigenheim zwangsversteigern, damit sie sich nicht vorwerfen lassen muss, dass sie zu unflexibel ist, eine freie Stelle irgendwo in Deutschland anzunehmen?

  • R
    rolff

    Liebe FDP, sehr geehrter Herr Zeil,

    hoffentlich war es das jetzt für die Partei der Hoteliers.

    Ich wünsche Ihnen fröhliche 1,8 Prozent!

  • L
    Lexi

    Endlich hat sich die Vernunft im Fall Schlecker durchgesetzt. Es ist normal, mit Ende 40 nochmals von vorne anfangen zu müssen, aber das haben die spätrömisch-dekadenten Sozialschmarotzer auf den (vermeintlich) sicheren Stellen halt noch nicht kapiert - bis es sie selbst trifft. Willkommen im Club, kann man dazu nur sagen.

    Wen kümmern die Millionen von Arbeitslosen in Deutschland über 40? Niemanden. Aber dann das Maul aufreißen, wegen 11.000 Weibern, die das Ende haben kommen sehen. Wer jetzt noch bei Schlecker ist, der hat bewiesen, dass er dumm und blöd ist. Solche Leute habe in unserer Wirtschaftsordnung nun mal nichts verloren. Selbst schuld! Die cleveren unter den Schlecker-Mitarbeitern haben längst gekündigt und sind woanders. Die brauchen keine Auffanggesellschaft.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Was für einen Sinn hat eine Transfergesellschaft, außer die Abfindung ein zu sparen und den Staat die Maßnahme finanzieren zu lassen? Die Chancen und Probleme auf dem Arbeitsmarkt bleiben erhalten. Jetzt tun alle so, als hätte diese Gesellschaft die Probleme gelöst und die FDP wäre der böse Bube und nicht Schlecker.