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Zahlenspiel zur StadtentwicklungWohnungsbau schöngerechnet

Der SPD-Senat ist stolz, im vergangenen Jahr über 6.800 Einheiten genehmigt zu haben - allerdings brutto. Laut Statistikamt Nord sind es nur 5.000.

Upps, verrechnet: Neubauten addiert jeder auf seine Weise. Bild: dpa

Es ist eines der großen Wahlversprechen: 6.000 Wohnungen will der SPD-Senat jährlich bauen, um der Wohnungsnot in der Stadt zu begegnen. Seit Juli 2011 lässt der Senat selbst zählen – mit dem Ergebnis, dass fast 1.800 Baugenehmigungen mehr auf dem Papier stehen als beim Statistikamt Nord.

Der Senat ist stolz darauf, dass seine Vorgaben im vergangenen Jahr sogar überschritten wurden. Um schneller als bisher an die Zahlen zu kommen, lässt sich die Stadtentwicklungsbehörde von den Bezirksämtern am Monatsanfang die Baugenehmigungsdaten des Vormonats liefern.

Zuvor wurden Baugenehmigungen allein vom Statistikamt Nord ermittelt. Das hat nun Zahlen veröffentlicht, die stark von denen des Senats abweichen: Während der 6.811 Baugenehmigungen rechnet, kommt das Statistikamt Nord lediglich auf 5.061. Das sind im Vergleich zu 2010, in dem das Statistikamt 4.129 genehmigte Wohnungen zählte, zwar deutlich mehr Wohnungen. Mit dem Anstieg liegt Hamburg aber nur leicht über dem Bundestrend.

Den Vorwurf, dass der Senat sich die Wohnungsbauzahlen schönrechne, weist die Stadtentwicklungsbehörde zurück. Das Statistikamt zähle auf einer anderen Basis, erklärt die Sprecherin der Stadtentwicklungsbehörde, Kerstin Graupner. Weil die Stadtentwicklungsbehörde ihre Zahlen von den Bauprüfabteilungen der Bezirke erhalte, seien die Senatszahlen aktueller.

Hergen Bruns vom Statistikamt Nord betont, dass beide Zahlen richtig seien, aber etwas Unterschiedliches aussagten. „Während die Senatszahl das Bauvolumen darstellt, trifft die saldierte Zahl des Statistikamts eine Aussage zur zu erwartenden Bestandsentwicklung bei Wohnungen.“ Mit anderen Worten zählt der Senat also nur die Wohnungen, die neu entstehen, zieht aber nicht jene ab, die etwa durch Sanierung und Zusammenlegung kleinerer Wohnungen zu einer größeren wegfallen. Somit handelt es sich bei den Zahlen des Senats lediglich um Bruttozahlen der erteilten Baugenehmigungen. „Das ist der Nachteil dieser Zahl“, sagt Bruns. Problematisch werde es dann, wenn nun die unsaldierte Zahl des Senats mit den saldierten Zahlen des Statistikamts der letzten Jahre verglichen werde.

Dass die Bezirke die Zahlen nicht saldieren, ist Bruns zufolge der größte Einflussfaktor für die entstehende Differenz. Diese macht jährlich etwa einen Unterschied von 1.000 bis 1.800 genehmigten Wohnungen aus. Außerdem wird das Statistikamt nicht so schnell wie der Senat über die Bauprüfdienststellen in den Bezirken mit Daten beliefert. „Es kann durchaus vorkommen, dass eine Baugenehmigung erst Wochen, manchmal Monate später bei uns eintrifft“, sagt Bruns.

Wie viele Wohnungen unter dem Strich netto mehr gebaut werden, lässt sich schwer sagen. Weder in der Zahl des Senats noch in der des Statistikamts sind Wohnungen erfasst, die durch den Abriss von Gebäuden wegfallen. In den meisten Fällen wird an ihrer Stelle ein neues Haus gebaut. Die dadurch neu entstehenden Wohnungen fallen dann in die Kategorie Neubau.

Die Zahl sogenannter Abgänge – Wohnungen, die abgerissen werden – liegt für das vergangene Jahr noch nicht vor. 2010 waren es laut Statistikamt 216 Wohnungen. Allerdings werden Gebäudeabgänge seit 2007 nur eingeschränkt erfasst. Die Stadtentwicklungsbehörde will prüfen, wie die Nettozahl beim Wohnungsneubau künftig genauer ermittelt werden kann.

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1 Kommentar

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  • K
    Karla

    Na, wäre auch eine Frage, ob Wohnungsneubau etwas, auch nur irgendetwas, an der Wohnungsnot in dieser Stadt - immerhin verursacht in erster Linie durch viel zu hohe Mieten – ändern könnte.

    Marktmäßig, verkürzt betrachtet, dürfte der Einfluss auf den Mietenspiegel eher vollkommen nichtig sein, selbst wenn der Neubau sich ausschließlich auf günstigen Wohnraum mit Mieten unter 6,50 Euro brutto/warm beziehen würde.

     

    Um über Markteffekte die Durchschnittspreise zu reduzieren (das wäre in der Geschichte dieser Stadt auch einmalig), müsste ein maßloses Überangebot von preislich weit unterdurchschnittlichem Wohnraum in guter bis sehr guter Qualität, örtlich zentral gelegen, angeboten werden.

     

    Kurzfristig.

    Betrachtet man den flächenmäßig beschränkten Anteil "zentrale Wohnlage" - also ein Umkreis von 25 km um das Stadtzentrum – nicht nur in dem Sinn, eine recht absurde Vorstellung.

     

    Was da an Neubau genehmigt wurde ist zum geringsten Anteil Wohnraum für Normal- und Geringverdiener_innen. Wohnraum mit netto-Kaltmieten ab 11,50 Euro (netto/kalt), Flächen über 100 qm, wird nicht dazu beitragen die Wohnungsnot auch nur zu mildern.

    Das Handeln der Stadtregierung wird dazu beitragen den Segregationsprozess zu verschärfen und weiter zu beschleunigen.

     

    Das ist unerträglich.