piwik no script img

Kommentar TarifabschlussSchuldfrage falsch gestellt

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Die Personalkosten in Städten und Gemeinden sind nicht schuld an der Haushaltslage. Der Tarifabschluss ist vertretbar, mit den Folgen müssen wir leben.

S chon interessant, wie sich der Ton in der öffentlichen Debatte dreht: „Bsirske rechtfertigt Tarifabschluss im öffentlichen Dienst“, titeln die Agenturen, gerade so, als habe der Gewerkschaftschef von Ver.di etwas moralisch Fragwürdiges durchgesetzt.

Die Kommunen tuten ins gleiche Horn: Der Druck, Personal abzubauen, werde mit dem Tarifabschluss steigen, heißt es. Ein Städteverbandschef weist sogar auf die Behindertenhilfe hin, deren Finanzierung die Kommunen nun erst recht gerne an die Bundesregierung abgeben würden. Auf subtile Weise werden so Schwache gegen Schwache ausgespielt. Verteilungsfragen solcherart zu kanalisieren und Schuldzusammenhänge zu konstruieren, das stellt einen Versuch dar, die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Dabei sind die Zusammenhänge komplexer. Die Personalkosten in den Städten und Gemeinden sind nicht schuld an deren schwieriger Haushaltslage. Die Personalausgaben sind seit 1995 um zehn Prozent gestiegen, das Bruttoinlandsprodukt legte in dieser Zeit jedoch um mehr als 25 Prozent zu. Die klamme Haushaltslage der Kommunen rührt von den gestiegenen Sozialausgaben her, etwa für Hartz-IV-Empfänger, und von niedrigen Einnahmen bedingt auch durch die Steuerpolitik.

taz
Barbara Dribbusch

ist Inlandsredakteurin der taz.

Doch dafür sind Kitaerzieherinnen und Müllwerker nicht verantwortlich. Es ist auch nicht anzunehmen, dass hohe Personalkosten im öffentlichen Dienst jetzt einen Personalabbau beschleunigen, der nicht ohnehin stattgefunden hätte, in der Vergangenheit ließen sich keine eindeutigen Korrelationen zwischen Lohnverzicht und verlangsamtem Personalabbau feststellen.

Der Tarifabschluss ist vertretbar, mit den Folgen für Gebühren etwa müssen wir leben. Schade aber, dass es auch diesmal keine „soziale Komponente“ gibt, also einen Mindestbetrag in der Erhöhung für die unteren Einkommensgruppen. Der sozialen Frage der Geringverdiener müssen sich die Gewerkschaften mehr widmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

10 Kommentare

 / 
  • H
    henningshausen

    @Mensch

     

    Wohl gemerkt im folgenden handelt es sich

    lediglich um Lohn- e r h ö h u n g e n

    durch Tarifabschlüsse.

    Also zuerst einmal, möchte ich nicht

    die Qualität des Einzelnen öffentlich

    Bediensteten individuell bewerten, weil

    das bei den eng verflochtenen Beziehungen

    innerhalb einer Institution nicht geht.

     

    Man sortiert lediglich die Art der öffentlichen

    Institutionen auf( also Schule, Krankenhaus,

    Hospiz, Bibliothek, Feuerwehr, Polizei, Müllabfuhr,

    Hochschule, Notdienst, Katastrophendienst,

    Rathäuser, Bauämter,Gesundheitsämter, Jugendämter etc.)

    Dann erstellt man Leistungskataloge und Stärken-

    Schwächenkataloge pro Institutionstyp.

    Dann berücksichtigt man die Dimensionierungsunterschiede

    innerhalb einer Institutionsformen und findet

    heraus, wie gut die volkswirtschaftliche und

    fachgebietsspezifische Gesamtleistung war.

    Danach bemißt sich der Grad der Partizipation

    an der Gehaltserhöhung.

  • N
    Nonsens

    Will man steigende Energie-Strom- und Spritkosten (Unterhaltskosten) nicht verhindern,so kann man auch nicht verhindern, dass die Menschen nach mehr Lohn schreien. Aber dass jetzt auch die Beamten-, obschon sie nicht mal Rentenbeiträge zahlen müssen und auch noch andere Vergünstigungen haben, von der Lohnerhöhung profitieren, halte ich für überzogen. Aber als verlängerter Arm, der hiesigen Oligarchie muss man die ja bei Laune halten. Zudem sind sie ja auch die Wähler, "dieses Sumpfes". Und was für ein dummes System! Kaum haben die Menschen etwas mehr Geld, wird es von Gebührenerhöhungen wieder aufgefressen.Danach wieder Lohnerhöhung...dann wird wieder alles teuer. Kann mir mal jemand diesen Schwachsinn erklären? (rein rhetorische Frage)Jetzt tut man so, als hätten die Menschen, die das Geld brauchen die Schuld an der "Pfeifenpolitik".

  • O
    Optimist

    Ach was gehts uns doch allen schlecht! Die böse, bösen Politiker wollen uns doch nur knechten.

     

    Immer diese Suche nach dem "einzig und allein Schuldigen" nervt mich echt gewaltig.

    Wenn tatsächlich mal alles den Bach runtergeht, dann sind einzig und allein die viel zu vielen Pessimisten schuld.

  • UP
    unsozilae Politik

    @von Weinberg: so ist es. Herzlichen Dank

  • M
    mensch

    @ henningshausen:

     

    Lustige Forderungen, die auch hochdotierte Schwätzer der Bertelsmann-Stifung gerne von sich geben.

     

    Dummerweise ist die Umsetzung nicht möglich.

    Was ist die Qualität eines öff. Bediensteten im konkreten Detail?

    Wer unterscheidet zwischen Überlastung wg Arbeitsverdichtung und Bequemlichkeit? (Sind 80% schnelle Antworten eine Höchstleistung oder schlecht?)

    ganz allgemein:

    Wer unterscheidet zwischen Folgen von schlechten Rahmenbedingungen und schlechter Individualleistung?

     

    Und wenn alles in einen Topf geworfen würde: Wie sollen "schlechte" Verwaltungen überhaupt noch gute Mitarbeiter finden, wenn die Bezahlung viel schlechter ist als in "guten" Verwaltungen?

    Die Abwärtsspirale ist dann unvermeidlich.

     

    Alles in allem: nettes Prinzip, ber praktisch unmöglich.

  • Z
    Zunder

    Schuld hat dieses inhumane kapitalistische System.Ein Trottel-System eben, indem die dienenden Trottel, die arbeitenden Menschen dafür verantwortlich machen, weil die Obertrottel ihre Hausaufgaben nicht richtig machen können.Energie-Sprit-Stromkosten bekommt man nicht in den Griff, weil man ja als Büttel des Kapitals arbeitet und selbst gut mitkassiert. Am liebsten wäre diesen Leuten, wenn die Beschäftigten noch Geld mitbringen würden. Regt man sich denn darüber auf,dass die Beamten auch von der Lohnerhöhung profitieren? Die sollten erst mal in die Rentenkasse einzahlen.Schon klagen die Kommunen! Die sollten sich bei den Versagern in Berlin beschweren. Wenn man das so hört glaubt man, dass der Arbeiter Der Bandit sei.Die haben immer noch nicht begriffen, dass dieses neoliberalistische System ein Auslauf-Modell ist.Wachstum, Wachstum = Armut, Armut.Was soll eigentlich dieser Scheiß? Soll der Arbeiter nur noch für die Oligarchen und Plutokraten da sein?Man sollte sich mal die Frage stellen, warum stetig mehr Menschen "das Handtuch schmeißen"?

  • R
    Ralph

    Der Abschluss ist überhaupt kein Sahnehäupchen, sondern gemeßen an den Preissteigerungen und anderen Faktoren nur eine Anpassung. Ob wirklich was unterm Strich hängenbleibt, sieht man erst am Ende des Jahres.

     

    Angesteller im Öffentlichen Dienst? Offenbar keine gute Entscheidung mehr, denn was nützt Jobsicherheit, wenn die Entgelte nicht Armutsfest sind, wenn es für Zusatzrenten nicht reicht, wenn die untersten Tabellenplätze mit Wohngeld etc. aufstockbar sind? Die Regierung/ öffentlichen Arbeitgeber haben doch nur deshalb so schnell den Abschluss gemacht, weil sie eine lange Debatte über Gerechtigkeit in der Gesellschaft vermeiden wollten. Dass eine Erzieherin heute drastisch schlechtere Arbeitsbedingungen und Entgelte hat, als vor 20 oder 40 Jahren, darüber will die Regierung nicht sprechen.

     

    @henningshausen

    Lebt den ein einziges Wirtschaftssubjekt unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung? Diese Leier spielen die Regierenden seit mehr als 30 Jahren und dabei geht es nur darum, dass Steuern für Reiche und Gut-Verdiener nicht erhöht, sondern gesenkt werden. Mit den Steuergesetzen von Helmut Schmidt hätten wir keine hohe Staatsverschuldung, bräuchten keine Schuldenbremse und könnten den Angestellten im Öffentlichen Dienst auch armutsfeste Löhne zahlen.

  • H
    henningshausen

    Eine Lohnerhöhung für öffentlich Beschäftigte

    sollte immer niedriger ausfallen, als

    die mittlere Lohnerhöhung+Zusatzgewinnbeteiligungen

    der Arbeitnehmer in der betreffenden Wirtschaftsregion und es sollte noch einmal

    zwischen Beamten und öffentlich Beschäftigten

    Angestellten unterschieden werden, falls

    wider Erwarten auch Beamte hier noch mit

    drunter fallen sollten.

    Beamte haben ohne eigene Rentenvorsorge treffen

    zu müssen und hohen Grundgehalt genug Vorteile,

    so dass Lohnerhöhungen, die auch Rentenerhöhungen

    nach sich ziehen besonders niedrig ausfallen sollten.

     

     

    Das Gesundheitswesen und die öffentlich Beschäftigten leben von der Wirtschaft!

    Öffentlich Beschäftigte haben verglichen

    mit der freien Wirtschaft eine wesentlich

    höhere Arbeitsplatzsicherheit, Lebensarbeitszeit-

    perspektive ohne Saisonarbeitslosigkeit!

    Ihre Lebenserwartung, ihr Grundverdienstniveau

    und die nicht ganz so familienfeindliche

    Berufswelt und die zusätzlichen Absicherungsmaßnahmen

    unterstützen sie hinreichend.

     

    Wohlständige Regionen haben ihren Wohlstand

    wesentlich der guten Administration Vorort zu verdanken. Diese dürfen dann völlig zurecht auch

    in ihren Grundeinkommen davon profitieren,

    aber Losergemeinden mit miserablen Investitions-

    ruinen und hohen Folgekosten, schlechten

    Krankenhäusern etc. haben sich das nicht verdient!!

     

    So wie schlechte Unternehmen vom Markt durch

    schlechte Verdienste der Mitarbeiter abgestraft

    gehören, so muß das auch in den öffentlichen

    Institutionen sein! Die Leute müssen wissen,

    wo sie stehen!

     

    Deshalb sollte hinsichtlich von Lohnerhöhungen

    die Performance der Institutionen kategorsiert

    und gerankt werden, um die 40% komplikationsärmsten,

    qualitätsvollsten, effizientesten, niveauvollsten,

    innovativsten, nachhaltigsten Institutionen

    mit öffentlich Beschäftigten besonders zu belohnen!!

    Kein ruinöser Konkurrenzkampf, durchaus

    Kooperation und Kollegialität, aber keine

    undifferenzierte Geldbeglückung für alle!

    So reich sind wir schon lange nicht mehr!

    Keine Abstrafung der Belegschaft für die Vorgängermissetaten, aber mehr aktive,

    kritische Demokratie bevor das nächste runinöse

    Großprojekt wieder zuschlägt. Mehr Mut zur architektonischen Schönheit(siehe viele Altstädte,

    anstatt Betontristesse und Glasfassaden).

     

    Gutverdienende öffentliche Kommunalangestellte

    mit Pleite gegangenen Handwerkern, die die öffentlichen Rechnungen nicht bezahlt bekommen haben,

    sollte es nicht zugleich in einer Region geben!!!!

     

    Die Menschen müssen mehr verdienen, aber das geht nur

    wenn man neben den zu Recht niedrigen Grundgehalt

    in der Wirtschaft eine Beteiligung der Belegschaft

    an Kapitalerträgen vorsieht!!!!!!!!!

    Wäre die Belegschaft z.B. von Q-Cells in der Boom-Zeiten mit

    Kapitalbeteiligungen am Unternehmen ausgestattet gewesen(, solange der Laden gut ging!!!!!!)

    bei niedrigen Grundgehalt, wären die Menschen

    und ihre Kinder schon heute an neuen Gewerben

    arbeitend und sehr gut verdienend und die Kommunalkasse noch besser gefüllt!!!!!!!!!!!!

     

    Hier hätten auch kluge InnovationsansiedlungsmanagerInnnen, BürgermeisterInnen u.ä. ein paar Tips

    ihren besten "Rennpferden" mit auf den Weg

    geben können. Das hätte den Unterschied auch

    in der Verwaltung zwischen Loser

    und Champion gemacht.

  • N
    Nadi

    Liebe Barbara Dribbusch,

     

    das ist zu defensiv!

     

    Wie haben sich den die Gehälter im Öffentlichen Dienst entwickelt?

     

    Z.B. in Niedersachsen und Hamburg verdienen ErzieherInnen 300 bis 450 EURO im Monat durch die Tabellenanpassung weniger, sprich die eine Kollegen hat deutlich mehr, bessere Rente und kann früher in den Ruhestand, wenn sie KO ist, die andere nicht. Und die Endstufe ist dann geringer und schneller erreicht. Das sind in Wirklichkeit versteckte Lohnkürzungen.

     

    Aber damit nicht genug: Wenn früher eine Erzieherin mit 4 bis 8 Kindern zu tun hatte, sind es vielerorts 8 bis 12. Durch Krankheit steigt das Ganze dann noch an. Diese miesen Arbeitsbedingungen sind nicht mal Thema des Streiks gewesen. Und wie sieht das mit Pausen aus, wenn die Erzieher überlastet sind? Richtig, die fallen flach oder man trinkt 20 Minuten einen Kaffe. Und Arbeitszeit und Pausenzeit verwischen sich: Die nächste versteckte Lohnkürzung. Und dann schaut man morgens in die erwartungsfrohen Gesichter der Eltern!

     

    Diese Gesellschaft lebt in Parallelwelten, kann ich da nur sagen.

     

    Aus volkswirtschaftlicher Sicht wären auch 4 Prozent und eine Einmalzahlung von 300 EURO vertretbar gewesen, denn im Kontrast zu den dünnen Brettern, die kommunale Arbeitgeber inhaltlich bohren, braucht Deutschland dringen einen Konsumanschub. Die Gehälter müssen steigen - der öffentlichen Dienst muss das zeigen und die Privatwirtschaft hinterher auch. Nur Idioten glauben, dass die Euro-Krise uns verschonen kann. Und bei den Benzin-Preisen wird von den Erhöhungen bei vielen Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes nur ein Bruchteil ankommen.

  • W
    Weinberg

    Die taz-Redakteurin Barbara Dribbusch kommt zu dem Ergebnis:

     

    „Die klamme Haushaltslage der Kommunen rührt von den gestiegenen Sozialausgaben her, etwa für Hartz-IV-Empfänger, und von niedrigen Einnahmen bedingt auch durch die Steuerpolitik.“

     

    Wer trägt aber die Verantwortung für die gestiegenen Sozialausgaben – insbesondere für Hartz IV - zu Lasten der Kommunen?

     

    Wer ist letztlich verantwortlich für die Steuerpolitik und die dadurch zu niedrigen Einnahmen der Kommunen?

     

    Verantwortlich dafür ist einzig und allein die Große Koalition aus CDU/CSU, SPD, GRÜNEN und FDP. Diese vier Parteien, die sich alle durch eine neoliberale Politik auszeichnen, haben gemeinsam für die Misere gesorgt, die letztendlich die Menschen vor Ort ausbaden müssen!