Presse-Kodex: Schleich wie Schleichwerbung
Der Presserat hat dem "Weser-Kurier" eine öffentliche Rüge erteilt. Der schert sich aber nicht darum, veröffentlicht fröhlich weiter Schleichwerbung - und hat das Kontroll-Gremium ohnehin dreist belogen.
Eine „öffentliche Rüge“ ist die schärfste Waffe, über die der Deutsche Presserat verfügt. Im März hat der Weser-Kurier eine solche Rüge erhalten.
Das Gremium „Presserat“ dient der „freiwilligen Selbstkontrolle der Presse in Deutschland“, zu den Trägern gehört unter anderem der Bundesverband der Zeitungsverleger, in dem der Weser-Kurier Mitglied ist. Der Presserat soll über den Pressekodex wachen, also die ethischen Grundsätze für Journalisten und Zeitungsverlage. Dazu gehört auch die klare „Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen“, wie es im Praxis-Leitfaden zum siebten Gebot des Kodex heißt. Und seine jüngste öffentliche Rüge hat sich der Weser-Kurier wegen eines Verstoßes gegen die eingefangen, genauer: wegen Schleichwerbung, und zwar durch die Rubrik „Objekt der Woche“ im Immobilien-Teil.
„Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material“, heißt es in den Grundsätzen des Presserates. Ein Fall von „Schleichwerbung“ liege vor, wenn eine „redaktionelle Veröffentlichung, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen“, über ein „begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird“.
Ziffer 7- Trennung von Werbung und Redaktion
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass
redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen
Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen
und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren
derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem
Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.[...]
Richtlinie 7.1 – Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen
Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als Werbung
für den Leser erkennbar sind.[...]
Richtlinie 7.2 – Schleichwerbung
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse,
Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die
Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt
insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes
öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht
oder von dritter Seite bezahlt [...] wird.
Richtlinie 7.3 – Sonderveröffentlichungen
Redaktionelle Sonderveröffentlichungen unterliegen der gleichen
[...] Verantwortung wie alle redaktionellen Veröffentlichungen.
Werbliche Sonderveröffentlichungen müssen die [...]
Richtlinie 7.1 beachten.
Im Immobilien-Teil wird, unverändert auch nach der Rüge, jeden Samstag ein „Objekt der Woche“ als Seitenaufmacher-Text mit großem Foto gezeigt, eine schicke Immobile. Der Text dazu preist die Vorzüge des Objektes an. Ein Hinweis auf die Vertriebsfirma ist wie eine Service-Fußnote dem Text angefügt. Wenn das Werbung wäre und von der Immobilienfirma bezahlt, dann müsste darüber „Anzeige“ stehen, mehr als 10.000 Euro kosten und alles wäre in Ordnung. „Am Bürgerpark entsteht etwas Neues“ war die Überschrift am 17. 12. 2011. Diese Ausgabe hatte ein Leser dem Presserat gemeldet mit dem Hinweis, das sei doch offenbar eine Werbe-Fläche, aber nicht also solche gekennzeichnet.
Der Presserat fragte beim Weser-Kurier nach und bekam Auskunft. „Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, dass auf der Seite ’Immobilien & Wohnen‘ in der Samstags-Ausgabe regelmäßig über sogenannte ’Objekte der Woche‘ berichtet werde“, heißt es im Protokoll. „Die Auswahl erfolge dabei durch von der Zeitung beauftragte Redakteure. Die Veröffentlichungen seien im Interesse der Leser und würden auf Projektierungen in unterschiedlichen Stadtteilen hinweisen. Individualinteressen wirtschaftlich Beteiligter hätten auf die Auswahl keinen Einfluss. Zudem werde die Seite als ’Verlagssonderseite‘ gekennzeichnet. Die Erwähnung von Ansprechpartnern für die jeweiligen Objekte sei ebenfalls von Interesse für die Leser. Dadurch müssten sie nicht mühsam recherchieren, sofern sie eine Kontaktaufnahme wünschten.“
Diese Darstellung, die der Presserat seiner Rüge über die Ausgabe vom Dezember 2011 zugrunde legte, ist faustdick gelogen. Volker Schleich heißt der Anzeigen-Akquisiteur, der im Jahre 2011 fürs Schleichwerbungs-„Objekt der Woche“ zuständig war. Er verschickte an Immobilien-Firmen Werbematerial –knapp 2.850 Euro kostet es, wenn man sein Immobilienangebot dort so platzieren will, als hätten unbestechliche Redakteure da etwas mitzuteilen. „Anzuliefern“ für diese Schleichwerbung sind „ein Foto oder Computervisualisierung“, eine „Objektbeschreibung“ und die Anbieterdaten, so steht es in dem Informationsblatt „Immobilienmarkt“. Verkauft wird übrigens auch ein anderer redaktioneller Platz: „Top-Immobilie am Sonnabend“ heißt der Text auf der dritten Seite der Immobilien-Beilage.
Das Autorenkürzel der Texte ist derzeit „wk“. Am 24. und 31. März ging es um den Haustyp „Schwalbe“ der Brebau. Ein Schelm, wer das „wk“ als Weser-Kurier entziffert. Die von den Immobilienfirmen angelieferten Textinhalte müssen übrigens „seriös“ sein, heißt es in dem Informationsblatt. Auf Anforderung gibt es für den Kunden einen „Korrekturabzug“ der fertigen Texte. Absender: die Anzeigenabteilung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!