Tacheles Festival: Die unverblümte Tanzerei
„Kommt, lasst uns tanzen.“ Das Kunsthaus Tacheles lud dazu ein, gemeinsam für den Erhalt zu tanzen – beim „Psychedelic Kitchen“ Festival.
BERLIN taz | Samstag, kurz nach Mitternacht. Die ersten Gäste wechseln von der Bar zur Haupthalle. Dort werden die beiden Beamer bereits mit psychedelischen Darstellungen bespielt. Immer passend zum Sound, härter und lauter als in der Bar. Nach und nach trudeln weitere Besucher aus den Ateliers und dem hauseigenen Shop ein. Das Plaudern ausgetauscht durch hypnotisches, in-sich-gekehrtes-Tanzen.
Neben verschiedenen DJs, die sich an den fünf Tagen am Mischpult abwechselten und ehrenamtlich musizierten, gaben sich auch die Videokünstler Mühe, den Besucher visuell zu begeistern. Oder wie Underground DJ Dr. Walker alias Ingmar Koch es ausdrückt: „Insbesondere das Experiment - die Konfrontation - das Surfen im Grenzbereich zwischen Kunst und Entertainment, zu krachig um einfach konsumiert zu werden, zu deep und groovy um nicht doch dazu zu tanzen“. Der Veranstalter des Festivals hat seit fünf Monaten eine „kurze, aber heftigen Liebesbeziehung mit Tacheles“.
Seit der Besetzung des ehemaligen Kaufhauses muss die Künstlerinitiative immer wieder gegen eine mögliche Räumung kämpfen. Ihren Namen „Tacheles“ - was soviel wie "die unverblümte Wahrheit" sagen bedeutet - bekam sie aufgrund der nicht vorhandenen Meinungsfreiheit in der DDR. Die Künstler wollten sich frei entfalten dürfen. So empfindet auch Musiker Ingmar, es soll „keinem kommerziellen Zwang erlegen, nicht hip oder trendy sein - man kann seinen Freiraum als Künstler vollkommen ausleben“.
Nicht nur Berliner und Künstler solidarisieren sich, bedrohte öffentliche Freiräume haben überall gegen Privatisierung zu kämpfen. Zwei Wochen ist es her, als Tacheles wieder einmal kurzzeitig geräumt wurde. „Als vom 22.3. bis zum 24.3. das Tacheles für Künstler und Besucher geschlossen war, handelte es sich um eine illegale Aktion der Anwälte der HSH Nordbank und deren privater Security.
Aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Berliner Landgerichts, das hier von „verbotener Eigenmacht“ sprach, musste das Haus wieder an die Künstler herausgegeben werden, und wir konnten es umgehend auch wieder für die Öffentlichkeit öffnen, wie sich das für ein öffentliches Kunsthaus gehört“, erklärt Linda Cerna, die Pressesprecherin von Tacheles.
Die Einnahmen durch Eintrittsgelder sollen helfen, den bevorstehenden Rechtsstreit zu finanzieren.Die Zukunft des Kunsthauses ist nach wie vor nicht gesichert. Aufgeben wollen die Künstler aus dem Tacheles nicht: „Neben den knapp Tausend Besuchern täglich, kamen durch das Festival weitere Hundert dazu. Von fast allen Seiten gab es gute Kritik, das ermutigt uns weiter zu machen“. Über Pfingsten soll das nächste Festival stattfinden, wie Koch am Montag Abend verrät.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!