Ägyptische Soziologin auf dem tazlab: „Kulturell hat sich viel verändert“
Das kreative Potenzial ist enorm, aber das Militär agiert beängstigend. Ein Jahr nach dem Sturz von Mubarak zieht die Kairoer Soziologin Mona Abaza Bilanz.
taz: Frau Abaza, Sie haben auf dem taz-Kongress über die politischen Entwicklungen in Ägypten berichtet. Sie klangen leider nicht optimistisch.
Mona Abaza: Doch, das bin ich – und pessimistisch zugleich. Es gibt viele junge Leute in Ägypten, die bereit sind, bis zum Ende zu kämpfen, bis zum Tod. Ist das positiv oder negativ?
Neben der Armeeführung haben Sie auch mit den Islamisten zu kämpfen, sprechen gar von den Salafisten. Was wollen die?
Was sie wollen, interessiert mich überhaupt nicht. Meine Frage ist, warum diese Strömung auf einmal aufkommt. Wie Mäuse waren sie plötzlich da, haben angefangen, die nackten Pharaonenstatuen zu bedecken und religiöse Heiligtümer zu verbrennen. Einige wollten sogar die Pyramiden zerstören. Es geht nur um Angstmache. Sollte Hazem Abu Ismail, der Präsidentschaftskandidat der Salafisten, gewinnen, wäre das für die Armee das beste Argument zu putschen. Sie würden sagen: Schaut euch diese schrecklichen Leute an, da müssen wir jetzt eingreifen.
Sie glauben an einen Militärputsch?
Nun, es ist möglich, dass Amerika niemals auf die Armee verzichten wird, wegen des Friedensvertrags mit Israel. 30 Jahre haben die USA mit ihr zusammengearbeitet. Der SCAF (Militärrat, Anm. d. Redaktion) macht mir mehr Angst als die Muslimbrüder oder die Salafisten.
Jahrgang 1959, ist Soziologieprofessorin an der American University in Kairo. Sie forscht zu religiösen Netzwerken zwischen Nahost und Südostasien und zu Veränderungen der Konsumkultur.
Das klingt pessimistisch. Sprachen Sie nicht auch von Optimismus?
Auf lange Sicht bin ich sehr guter Dinge. Kulturell hat sich viel verändert. Es ist unglaublich, was die Gesellschaft an kreativem Potenzial hervorbringt. Wie die jungen Leute die Protestmärsche organisieren – ist das nicht Kunst? Fantastisch, wie sie sich bewegen, wie sie trommeln und dabei alles filmen, um Beweismaterial zu haben. Überall in der Stadt gibt es Graffiti, manche schreiben Gedichte an die Wände. Die Leute stellen öffentlich Forderungen. Der Prozess der Revolution hat begonnen.
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