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Ist der Salafisten-Chef ein Scharfmacher?Falsch Zeugnis abgelegt

Der Koordinator des großen Koranverteilens gilt als radikaler Scharfmacher. Beweise? Die Polizei hat möglicherweise zwei Reden verwechselt.

Passanten diskutieren in Mainz an einem Stand von Anhängern des Salafismus über den Koran. Bild: dapd

Nein, niemand hat etwas gegen den Islam. Das versicherten alle Politiker, die vorige Woche gegen die Verteilung des heiligen Buchs protestierten. Gefährlich seien die Männer, die das Buch kostenlos an Infoständen feilboten: die Salafisten – zottelbärtige junge Männer, die Musik ablehnen, an die Geschlechtertrennung glauben und Unschuldige zum Terrorismus verleiten.

Am gefährlichsten aber sei der mutmaßliche deutsche Salafisten-Chef Ibrahim Abou-Nagie, hieß es, ein Kölner Geschäftsmann, der sich mit schicken Anzügen und glattrasiertem Gesicht vor Entdeckung tarnt. Doch die Kölner Staatsanwaltschaft habe ihn entlarvt, so wurde versichert, gegen Abou-Nagie bestehe eine Anklage wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten. Vor Kindern (!) soll der Ober-Salafist gesagt haben, „dass derjenige, der nicht bete und darum dreimal aufgefordert worden sei, getötet werden müsse und jeder gläubige Muslim das Recht dazu habe“.

Doch inzwischen, eine Woche später, ist die Anklage perdu. In der aufgezeichneten Koranstunde hat Abou-Nagie den schändlichen Satz überhaupt nicht gesagt, musste die Kölner Staatsanwaltschaft nun einräumen. Auch der erste Verdacht gegen Abou-Nagies Anwalt Mutlu Günal, er habe die Beweisdatei manipuliert, wurde vom BKA inzwischen ausgeräumt.

Die Polizei hatte hier wohl zwei Reden verwechselt. Doch die andere Rede war nicht öffentlich und Abou-Nagie zitierte dabei nur einen Geistlichen ohne eindeutige Zustimmung. Das Strafverfahren wurde eingestellt.

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7 Kommentare

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  • A
    arribert

    @Chsterfield:

    Alle Gehirnwaschgänge gehören aus der Öffentlichkeit verbannt. Die Menschheit wird damit gezielt dumm gehalten. Gott hat es gewollt! Es war Gottes Wunsch. Heiliger Krieg oder Kreuzzug der Achse des Guten, alles der selbe Mist um sich die eigene Macht zu sichern. Und Marx hat ganz zurecht gesagt. "Religion ist Opium des Volkes" Das war der Bevölkerung gegenüber kritisch gemeint und vollkommen korrekt dargestellt. Während sich die reichen in Opiumhöhlen die Rübe weichgequalmt haben, wurden der einfachen Bevölkerung ausgedachte Geschichten von imaginären Überwesen erzählt, die fürchterlich sauer werden, wenn man Sonntags nicht in die Kirche kommt.

  • WW
    we we

    Der Kapitalismus hat mir letzte Woche einen Schokohaasen geschenkt. Der Verfassungsschutz hat nicht geheult.

  • D
    D.J.

    Da anscheinend mein Kommentar nicht freigeschaltet wird (wohl weil einen einen Link zu einer salafistischen Seite enthielt), poste ich nochmals ohne, aber mit einer Zusammenfassung: Es ist unter Salafisten weitgehender Konsens, dass Nichtbeter wie Abgefallene vom Islam zu behandeln sind, d.h. dass sie nach dreifacher Ermahnung im angestrebten islamischen Staat hingerichtet werden können.

    Auch unter solchen Gesichtspunkten lassen mich Verharmlosungen wie von @Chsterfield wütend.

  • M
    Markus

    Diese Toleranz der Linken gegenüber dem Islam ist mir schleierhaft. Ist der Antisemitismus unter Linken so ausgeprägt, daß man aus ideologische Gründen gemeinsame Sache mit einer zutiefst menschenfeindlichen Religion macht?

  • S
    steffen

    Was ist schlimmer "Mein Kampf" oder der Koran ?

    Für mich als schwulen linken Atheisten gibt es da keinen Unterschied ! Nicht EINEN !

    Verteilung des Koran verbieten ? Niemals, die Menschen sollen sich ruhig informieren....

    Das Salfisten mich am nächsten Baum aufhängen würden wenn sie nur könnten...sei's drumm...da bin ich tollerant.

  • L
    lala-fist

    es geht ja nicht darum, dass korane verteilt werden, sondern um die extremistische gruppe, die dahinter steht.

  • C
    Chsterfield

    Wo bitte bleibt die vielbeschorene Toleranz?

    Da wird gegen die Koranverteiler gehetzt.Hat man in Deutschland Angst vor dem Koran(der sich im Grundaussagen gar nicht soweit vo der Bibel entfernt).Was wäre denn,wenn ein Christlicher Evagelist wie Billy Graham u.Konsorten lauthals die christliche Botschaft verkündigtund anschliessend

    Bibeln verteilen würde.Wäre man dann auch so aufgebracht?Ich wünsche mir etwas mehr Gelassenheit und Toleranz allen Menschen--auch Moslemen--gegenüber.