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Kommentar JoghurtUnfairer Joghurt

Kommentar von Svenja Bergt

Heute schon auf ihren Joghurt-Becher geguckt? Wenn da „erster gentechnikfreier Fruchtjoghurt“ drauf steht, handelt es sich um unfaire Werbung.

E igentlich hat die Molkerei Bauer etwas Richtiges gemacht. Sie hat beschlossen, einen Joghurt als gentechnikfrei zertifizieren zu lassen, sie hat die Produktionskette durchforstet, mit Landwirten verhandelt, die nun ihre Kühe mit sauberem Futter versorgen müssen. Das bedeutet mehrere hundert potenzielle Abnehmer von Gentechnik-Getreide weniger. Gemessen an den Mengen, die in der Tierhaltung verfüttert werden, ist das nicht viel, aber ein Anfang.

Wie es weitergeht, ist weniger gut. Mit dem „ersten gentechnikfreien Fruchtjoghurt Deutschlands“ wirbt das Unternehmen. Auch wenn das juristisch wenig angreifbar sein mag – den Verbraucher täuscht es trotzdem. Schuld daran ist auch der Wust an Siegeln.

Alleine von denen, die Waren aus ökologischem Anbau kennzeichnen, gibt es diverse. Welcher Supermarktkunde hat schon im Kopf, ob ein zusätzliches Logo, das eine Produktion „ohne Gentechnik“ anzeigt, nun bedeutet, dass alle anderen Waren gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten – oder enthalten könnten? Daher ist die Werbung von Bauer unfair. Denn sie nutzt genau dieses Wissensdefizit der Verbraucher aus – und setzt darauf, dass der verunsicherte Käufer, der keine Gentechnik im Joghurt haben will, eben zum Bauer-Produkt greift.

Svenja Bergt

ist Redakteurin des Ressort Wirtschaft und Umwelt der taz.

Eine Lösung wäre einfach: Nicht, wer seine Produkte ohne gentechnisch veränderte Bestandteile produziert, sollte sich um einen Nachweis bemühen, Geld und Zeit investieren müssen und sich schließlich ein Siegel auf seine Verpackungen kleben können; wer Gentechnik verwendet, muss das kennzeichnen.

Das würde nicht nur alle entlasten, die sauber produzieren. Es würde den Verbrauchern, die, wie zahlreiche Umfragen zeigen, Gentechnik mehrheitlich ablehnen, deutlich machen, was wirklich in den Produkten drin ist. Und Lebensmittel mit dem Hinweis „mit Gentechnik hergestellt“ dürften wohl schnell aus den Regalen verschwinden.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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15 Kommentare

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  • WG
    Wolfgang Gaudian

    Neu: Testsieger ist ein Bio-Erdbeer-Joghurt : https://www.facebook.com/#!/oekowolf

  • WG
    Wolfgang Gaudian

    ... hier kann sich jede / jeder tiefergehend mit der Materie auseinandersetzen: http://www.bioxgen.de/bxg_erzeuger.html

     

    Die neuesten Nachrichten zur Landwirtschaft im Allgemeinen, und Ökolandbau / Agrarindustrie im Besonderen findet Ihr hier: https://twitter.com/#!/gruenwolf

  • P
    pUC

    @LinksdrehendOhneKunstgene

     

    "Rauchen ist nichts natürliches, ebenso wie Gentech. Hier muss der Mensch vor sich selbst(bzw. seinen Errungenschaften) geschützt werden."

     

    Dies betrifft in gleichem Mass U-Bahn, Auto, Babyschnuller, Wollpullover, biotech. Insulin, Handfeuerwaffen, Hustensaft, Formfleisch etc. Mir scheint Sie haben da eine recht romantische Sicht auf die Dinge des Natürlichen an sich.

     

    Der Joghurthersteller diskreditiert seine Konkurrenten und baut dabei auf die Unwissenheit und Ängste seiner Kunden. Machen andere genauso.

     

    Schoenes Wochenende,

     

    pUC18

  • I
    IJoe

    Wer ist durch den Verzehr von "gentechnikverseuchten" Lebensmitteln bisher geschädigt worden? Niemand? Ach so.

    Ich würde auch "gentechnikfrei" draufschreiben, den angstbefallenen Trotteln kann man so leichter das Geld aus der Tasche ziehen.

     

    @enzo: thx für die Stimme der Vernunft.

  • D
    Duderich

    Ich finde, dass es eine Schande ist, Gentechnik in Lebensmittel einzusetzen, ohne dies deklarieren zu müssen!

  • B
    berti

    Hier reihen sich wieder die Verhinderer in den Kommentaren aneinander. Mit etwas mehr Fachwissen, das muss man sich ggf. auch an objektiver Stelle besorgen, ist der Schrecken von Neuerungen nicht mehr so groß. Die "aschinenstürmer" im 19. Jh. haben auch nicht Recht behalten. (siehe auch Auto, PC, Handy usw.)

  • EA
    Enzo Aduro

    @Frank von der Kammer

     

    Die Bei Bio pantschen aber auch das sich die Balken biegen.

  • EA
    Enzo Aduro

    @LinksdrehendOhneKunstgene

     

    warum auf kosten der Umwelt? Wenn die Hektarerträge steigen muss man weniger Wald roden.

  • EA
    Enzo Aduro

    Aber ist die Gentechnik Phobie wirklich gut? Die Frage könnte ja auch mal jemand stellen.

  • PA
    Pedda Arndt

    Es wäre interessant zu wissen, inwieweit dieser Joghurt auch frei von weisser Gentechnik ist, sowohl bei den Joughurt-Kulturen als auch den Geschmacksstoffen.

  • S
    Sebastian

    Wenn ich mal Lebensmittel herstellen sollte, schreibe ich überall "Asbestfrei" drauf. Das suggeriert einzig und allein, das im danebenstehenden ähnlichen Produkt ja vielleicht Asbest enthalten sein könnte.

    Im Ernst sollte man natürlich eher kennzeichnen müssen, WENN das Lebensmittel nicht gentechnikfrei ist. Denn die Gentechnik ist die Neuerung, nicht das Freisein davon.

  • L
    LinksdrehendOhneKunstgene

    Die Deklarierungswut muss, wie der Autor schrieb, muss umgekehrt werden.

    Kennzeichnungspflicht für "nicht Natürliches" ist in der Tat wesentlich sinnvoller undfairer. Denn wer Gentech anwendet, will sparen, aber soll bitte dafür auch zeigen, warum er sein Produkt so verramschen kann - auf Kosten des Verbrauchers und der Umwelt.

     

    Denn so, wie es derzeit gemacht wird, ist es total unsinnig. Der "Gute" produziert fair(er), mit evtl. höheren Kosten und muss dann noch extra dafür bezahlen, um sagen zu können, dass er nicht Schlechtes tut(Zertifikate).

     

    Ein Warnhinweis wie auf Zigarettenpäckchen wäre hier doch eine Maßnahme ("Achtung, Gentechnik im Produktionsverfahren. Gentechnik kann gesundheitsschädlich sein" o.Ä.).

     

    Und an die Gegner (Gentech-Befürworter): Ja, es ist nicht 100%ig bewiesen, dass Gentech schädlich ist. ABER: nicht jeder Raucher stirbt letztendlich am Rauchen, dennoch ist Rauchen giftig und gesundheitsschädlich. Daher muss davor gewarnt werden. Rauchen ist nichts natürliches, ebenso wie Gentech. Hier muss der Mensch vor sich selbst(bzw. seinen Errungenschaften) geschützt werden.

  • FV
    Frank von der Kammer

    Wunschdenken. Die Lebensmittelindustrie ist der krimminellste Verein auf diesem Planeten, gleich nach der katholischen Kirche.

    Wenn das Nachweisverfahren dafür fehlen würde, würde Nestle gebrauchtes Motoröl solange mit Geschmack- und Farbstoffen versetzen, bis auch das als Joghurt durchgeht.

  • H
    HeyDa

    da kommt nun ein Lebensmittelverarbeiter und schreibt drauf was drin ist, nämlich nix Genverändertes, und dann ist auch wieder schlecht....

    Ich denke, man sollte es nicht zu komplex machen, sondern sich einfach mal drüber freuen.

    Und wenn fast alle so was drauf schreiben ists doch auch gut

    ich kann nix unfaires am Verhalten von Bauer Joghurt erkennen

  • D
    deviant

    Das Problem ist, dass es sehr schwer ist, absolut sicherstellen, dass wirklich keine Produkte eingesetzt werden, die Gentechnik enthalten;

    der Grund dafür ist einfach: Allen voran Monsanto kontaminiert bewusst gentechnikfreie Ackerflächen, um Konkurrenten auszuschalten; so hat sich der argentinische Gensoja (und Soja ist nunmal die wichtigste Futterpflanze) inzwischen über weite Teile Südamerikas verbreitet, lange unerkannt, beispielsweise Brasilien musste diese Gentechnik irgendwann legalisieren, weil sie sich unbemerkt über halb Brasilien verbreitet hatte.

    Auch nordamerikanisches Soja wird völlig ohne Kennzeichnung verarbeitet und dann weiterverkauft, landet so in deutschen Rindviechern (übrigens analog zum Klonen: Niemand weiß, wieviel Klonfleisch auf deutschen Tellern landet, wieviele Klontiere in europäischen Stammbäumen.

    Europa ist eine "Insel der Seligen", wo Klonfleisch und GVO's scheinbar keine Rolle spielen - durch eine globalisierte Wirtschaft ist dieses aber keineswegs der Fall.

     

    Campina erklärte übrigens bereits vor vier Jahren den Verzicht auf GVO, zumindest bei seinen "Landliebe"-Produkten. Auch insofern ist der Werbeaufdruck eher fragwürdig als aufschlussreich.