Soziokulturelle Teilhabe: Vielleicht zahlt ja die Oma
Kurse des Bildungspaketes für arme Kinder sind teuer: Klavier kostet 55 Euro, Theater 65 Euro, weil die Stadt nur zehn Euro Rabatt gibt. Die verspricht Günstigeres.
„Kinder-Kurse zu verschenken – und niemand greift zu“, schrieb die Mopo Ende März, nachdem SPD-Sozialsenator Detlef Scheele seine Bilanz von einem Jahr Bildungs- und Teilhabepaket (BUT) zog. Ballett, Musik, Fußball und Yoga, das Angebot sei vielfältig. Er sei „ratlos“, hatte der Senator der Presse gesagt. Man werde für sechs Monate eine Hotline schalten, um Eltern besser zu informieren.
Es geht um „soziokulturelle Teilhabe“. Zehn Euro stehen jedem Kind von Hartz-IV-Empfängern und Niedrigverdienern im Monat dafür zu. Hamburg wählte ein „unbürokratisches Verfahren“, wie Scheele lobt. Die Familien können sich an einen der unter www.hamburg.de/bildungspaket gelisteten Anbieter wenden. Der rechnet dann mit der Stadt ab. Doch in 2011 war dies ein Flop. Nur fünf Prozent des verfügbaren Geldes floss ab.
Die taz rief im Namen einer Mutter, die für ihre Tochter einen Kurs sucht, bei sieben dieser Anbieter an. Das Ergebnis: Für die zehn Euro im Monat fand sie nichts. Denn die zehn Euro gibt es meist nur als Rabatt auf die üblichen Marktpreise. Musikalische Früherziehung kostet 70 Euro im Quartal. Für Klavierunterricht zahlen Eltern 55 Euro im Monat. Und ein Theaterkurs für Teenager kostet monatlich gar 65 Euro. Auch für Englisch, Ballett oder Karate müsste die Familie 20 bis 30 Euro drauflegen.
Wirklich kostenlos wären Kurse bei der staatlichen Jugendmusikschule. Aber für Klavierunterricht gibt es „drei bis vier Jahre Wartezeit“, heißt es. Blockflöte ginge schneller, könnte sein, noch in diesem Jahr. Sofort spielen lernen kann die fiktive Tochter nur die türkische Saz.
„Es wird in der Öffentlichkeit ein falsches Bild erzeugt, was mit den zehn Euro möglich ist“, sagt Wolfgang Völker vom Diakonischen Werk. Dieser Teil des BUT werde wenig genutzt, „weil die Angebote einfach teuer sind“.
Große Ausnahme sind die Sportvereine mit dem Programm „Kids in die Clubs“. Hier gibt es tatsächlich bei mittlerweile 159 Vereinen ein Kursangebot für besagte zehn Euro, an dem fast 7.000 Kinder teilnehmen. Doch auch hier dürfen Vereine teure Sportarten von dem Angebot ausnehmen. Sportvereine in armen Gebieten mit vielen Geförderten könnten an ihre finanziellen Grenzen stoßen, warnt Frank Fechner vom Eimsbüttler Turnverband. Immerhin regelt bei „Kids in die Clubs“ die Hamburger Sportjugend die Formalia, sie rechnet mit der Stadt ab, von ihr bekommen die Vereine das Geld.
Für kleinere Anbieter dagegen ist das unbürokratische Verfahren von Nachteil. Es sei schwer, Ansprechpartner zu finden, sagt Susanne Carstens von der Malschule „Atelier Clownfisch“. „Wenn der Fachdezernent mich nur auf die Homepage verweist, finde ich das schlecht“, sagt sie. Sabine Meyer vom Voltigier-Team „Jumping Stars“ wartete Monate auf den Zuschuss. Zum Glück sagt sie, habe sie zur Zeit nur ein gefördertes Mitglied. Sie nehme zwar weiter Kinder auf, aber Werbung mache sie keine.
Die angekündigte Hotline steht übrigens bis heute nicht. „Mit Glück schaffen wir das noch im Mai“, sagt Scheeles Sprecherin Nicola Serocka. Die Hotline würde dann auch günstigere Anbieter vermitteln, die nicht auf der Liste stehen wollen. Die teuren Anbieter stünden dort, weil man die Familien nicht bevormunden wolle. „Manchmal gibt ja auch die Oma was dazu.“
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