Moritz-Götze-Ausstellung in Frankfurt: Immer schön bezahlbar bleiben
Er stochert und gräbt in der Geschichte und findet allerlei Treibgut. Der Hallenser Künstler Moritz Götze modelliert daraus Artefakte für einen Pop-Kosmos.
Als Moritz Götze kurz nach der Wiedervereinigung die nun gesamtdeutschen Kunstmessen besuchte, hat es ihm, nach eigenem Bekunden, „die Beine weggehauen“. Für einen Künstler wie ihn, 1964 in Halle geboren, war die Situation voller Widersprüche.
Anfang der neunziger Jahre gab es einen Boom der Ost-Kunst; ostdeutsche Galerien konnten etwa zu verbilligten Tarifen einen Messestand in Düsseldorf beziehen. Westkünstler hingegen breiteten nicht immer die Arme zum Willkommen aus, schließlich stand hier auf einmal eine gute ausgebildete Konkurrenz im gemeinsamen Raum. Kompliziert wurde die Situation durch die Dominanz der Leipziger Schule um Bernhard Heisig.
Noch heute muss Moritz Götze über die „Unmasse an Kunst“ staunen, die ihm damals auf Kunstmessen entgegenkam. Aber er kann gelassen darüber reden, denn er konnte immer von seiner Arbeit leben und er hat sich mit dem Begriff „deutscher Pop“ ein erfolgreiches eigenes Label kreiert. Im Oktober geht es damit sogar ins Homeland der Popart, in die USA, wie er in einem Frankfurter Café, in der Nähe der Galerie Rothamel, wo gleich noch die letzten Bilder an die Wand gehängt werden müssen, erzählt.
„Ich kann alles“, sagt Moritz Götze – wobei er damit sein Haus in Halle meint, wo er nach wie vor wohnt und handwerklich umfassend kompetent jede Arbeit selbst ausführt. Aber auch in der Kunst beweist er erstaunliche Vielseitigkeit. Götze hat große Installationen für die Schlösser Charlottenburg und Neuhardenberg gefertigt, Plakate für ein Schauspiel entworfen, Emaille-Arbeiten, Gemälde, Zeichnungen in zahlreichen Ausstellungen präsentiert, und er hat sogar einen eigenen Verlag, den Hasenverlag, in dem die ostdeutsche Provinz gefeiert und ebenso der Reichtum der eigenen Arbeiten vorgezeigt wird.
Aber was ist deutsche Popart? Sie ist wie der große amerikanische Bruder poppig bunt, flächig, hat keine Berührungsängste gegenüber Comics und ist eine Umwälzmaschine für alles von Avantgarde über Repräsentationskunst bis Krempel.
Der Hasenverlag
Götzes Pop ist auch flächig, hat aber Tiefe, nämlich historische. Der Künstler stochert und gräbt in der deutschen Geschichte. Er schreckt selbst vor dem altpreußischen Historienmaler Anton von Werner nicht zurück, sondern greift auf dessen Bismarck- und Wilhelm-Nationalkitsch zurück. Wo der Eiserne Kanzler 1880 für Kaiser und Reich unter einem antikisierenden Bogen ernst herblickt, glupscht er bei Götze 2006 alltagsbürgerlich in die Gegend, die Faust auf den Amboss gedrückt, daneben der Hammer, auf der Hintergrundtapete erinnern Pickelhaube, Säbel, Hahn an das, was dieser seltsame Typ in der Knautschuniform alles auf dem Kerbholz hat.
Aber weil es Pop ist, steht das Bild jenseits alter politischer Kontroversen, in die, im Falle Bismarcks, mit nationaler Attitüde sich auch die DDR einschaltete, um den Altkanzler realsozialistisch einzugemeinden.
Bei Götze ist das alles Treibgut, das, in der Gegenwart angeschwemmt, auf mögliche Verwendbarkeit geprüft und in Neubauprojekte integriert wird. Irgendwie ist das ja alles in unserem Hier und Heute vorhanden, ziemlich beharrlich sogar, wie Friedrich II., den Götze als knallrote Kontur mit Gaul auf einem ebenso knallroten Sockel vor Schloss Neuhardenberg platziert. So ist er zu ertragen, der alte Preuße – ebenso wie die anderen Nationalsymbole, die Götze reflektiert, despektierlich, mit Ernst und Humor umarbeitet zu seiner hochreflektierten Treibgutkunst.
Bei Götze sieht alles auf den ersten Blick schön aus – und „Schön“ steht ja auch groß auf neuesten Bildern, von denen eines in der aktuellen Ausstellung zu sehen ist. In „Schön III“ liegt im Vordergrund eine Frau im luftigen Blumenkleid, doch was sich hinter ihr erhebt, ist eine Betonwüste aus schiefen, weggekippten Quadern, eine Art Friedhof der Antikuschelbauten. Wo steckt hier die Schönheit, scheint das Ölgemälde zu fragen und gleichzeitig vor der allzu naheliegenden Antwort zu warnen.
Denn Moritz Götzes Popart, in dem programmatischen „Weg aus der Moderne“ oder in „Allegorie auf die Teilung“ (2009), ist für jeden weiteren guten Gedanken offen. Ob er angesichts seiner Erfolge und zunehmender Bekanntheit noch bezahlbar sei, lautet die abschließende Frage. Geradezu entrüstet kommt die Antwort: „Aber klar.“ Kleine Emaille-Arbeiten gibt es für wenige hundert Euro. Die großformatigen Gemälde, die entstanden sind, nachdem er sich im Jahr 2000 ein größeres Atelier leisten konnte, kosten dann 15.000.
Moritz Götze, "Deutsche Kunst", Galerie Rothamel, Frankfurt a. M. bis 2. Juni; Katalog Hasenverlag, 163 Seiten, 20 Euro
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