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Berliner Flughafeneröffnung verschobenSchaut auf diese Stadt!

Wieder wurde die Eröffnung des Berliner Großflughafens verschoben. Ist das typisch? Vier fast pünktliche Einschätzungen.

Manche schauen auf Berlin, andere wenden den Blick lieber ab. Bild: dpa

Praktisch alles fertig

Die Eröffnung des neuen Flughafen Schönefeld verschiebt sich um ein paar Monate. Das soll eine Spitzenmeldung sein? Geht’s noch? Klar verschiebt sich die Eröffnung um ein paar Monate! Was denn sonst? Die verschiebt sich auch noch mal ein paar Monate. Das ist doch so interessant, als ob im Metzer Eck eine Molle umgefallen wäre.

Man muss auch das Gute sehen: Weiterhin scheint geplant zu sein, dass der Flughafen mit allen Terminals und allen Start- und Landebahnen eröffnet werden soll. Denn dass die Läden und der Frachtverkehr und der Innenbereich und das Datennetz des Flughafens noch nicht zum „Eröffnungstermin“ fertig werden würden, war schon bekannt gewesen – unwichtige Details.

Immerhin, die Start- und die Landebahnen und der Tower – das war praktisch alles fertig. Gut, die S-Bahn-Anbindung hatte jetzt auch nicht so geklappt, aber was spielt das für eine Rolle, wenn die S-Bahnen, die auf dieser Anbindung hin und her fahren müssten, schon ohne diese Anbindung seit zwei oder drei Jahren nicht regulär verkehren können. Und der Hauptbahnhof, zu dem diese S-Bahnen dann fahren, ist ja leider auch nie ganz fertig geworden, dafür fällt dort überraschenderweise im Winter Schnee vom Dach, ein Problem, dass man erst noch in den Griff bekommen will.

Aber wenn es Probleme gibt, kann man sich ja an die Berliner Polizei wenden, die seit einem Jahr zwar nicht von einem Kommissar so doch kommissarisch geleitet wird, was natürlich kein Problem ist, da es in einer Stadt wie Berlin auch keine besonderen Sicherheitsanforderungen jemals gibt. Die geheimen Unterlagen für das neue Geheimgebäude des Verfassungsschutzes finden sich im Papiermüll, der Fußballverein steigt in die zweite Liga ab. Normal.

Kann man das alles noch toppen? Die nächste Eröffnungsverschiebung erst bei der Eröffnung selbst verkünden, wenn die Kanzlerin schon die Schere in der Hand hat? Und wann soll eigentlich die Meldung freigegeben werden, dass der Flughafenbau überraschenderweise leider doch doppelt so teuer wie bisher geplant sein wird? Man könnte doch die Hälfte sparen, wenn man nur Start-, aber keine Landebahnen baut. Denn mal ehrlich: Was wollen die ganzen Leute hier? JAKOB HEIN

Berlin, deutsche Hauptstadt

Der Flughafen öffnet später. Das kostet zwar immense Summen, doch das ist halt so. Wir wissen: Wenn in staatlichen Großprojekten mal die Planung nicht so läuft, wird eben mehr Geld und mehr Zeit gegeben. Und selbstverständlich kann der für die Terminverzögerungen Verantwortliche, Rainer Schwarz, seinen Job behalten. Warum sollte der gefährdet sein?

Er hat ja, man kennt die Floskel, „intensiv gearbeitet“, und niemand kann den leisesten Zweifel daran haben, dass sich die Verzögerung des Eröffnungstermins auch nur einen Tag früher als Montag herausgestellt habe. Zu diesem Termin wurden Klaus Wowereit und Matthias Platzeck von der Verschiebung informiert. Kurz vor knapp. So ist es halt bei Großprojekten, ein Naturgesetz, immer klappt was nicht, leider, sorry.

Das passiert just in jener Stadt, in der eine Bundesregierung sitzt, die dergleichen niemals gelten lassen will. Wenn es kein eigenes Großprojekt ist. Die Hartz-IV-Empfängerin soll mal erklären wollen, warum sie mehrere Wochen verspätet zum Gesprächstermin erscheint, die Griechen, Spanier, Portugiesen oder Iren sollen mal ihre Zahlungsziele nicht einhalten – sie würden hart bestraft. Denn im Ausland und den Armen gegenüber sind die Deutschen gern Zuchtmeister, dort herrscht Bosheit. Nicht einmal Unvermögen wird den Delinquenten unterstellt – sie wollen immer nur die Steuerzahler berauben.

Wenn aber offenkundige Unfähigkeit einen Flughafenbau nicht rechtzeitig zustande bringt, dann bleibt der deutsche Zuchtmeister kleinlaut. Niemand hat Schuld, niemand wird entlassen. Mit seinesgleichen geht man nicht so um wie mit jenen, die darniederliegen, das ist seit je die Haltung der Bourgeoisie. Die heute regierenden Kleinbürger haben diese Haltung übernommen. Es geht ihnen dabei allein um Selbstschutz. JÖRG SUNDERMEIER

Tegel, Dummerchen

Am 5. Juni werden 16.000 RheumatologInnen aus ganz Europa nach Berlin reisen, um am alljährlichen Rheumatologenkongress „EULAR“ teilzunehmen. Trotz des langen Sitzens frisch (denn wer sollte sonst clevere Tipps und Tricks gegen Rückenschmerzen beim Fliegen in petto haben, wenn nicht RheumatologInnen), werden sie in den engen Fahrgastkabinen ihre Rückenwirbel strecken, ausgeruht aus den Flugzeugen steigen und sich kein bisschen darüber wundern, dass sie in den beschaulichen Otto-Lilienthal-Sechsecken begrüßt werden. Wahrscheinlich fällt noch nicht mal jemandem auf, dass man woanders hätte ankommen sollen: Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass ein Luftprojekt umbenannt wird.

New Yorks Lieblingsflughafen JFK hieß früher Idlewild und wurde 1963 zu Ehren des ermordeten amerikanischen Präsidenten neu getauft. Die RheumatologInnen werden es sich also in den Shuttlebussen gemütlich machen und sich ein bisschen ärgern, dass die Fahrt zum ICC so kurz ist: So hat man kaum Zeit, neue Rheumadecken und -kissen auszupacken.

Und wenn in ein paar Wochen die TeilnehmerInnen der „Coil Winding, Insulation and Electrical Manufactoring“-Konferenz „CWIEME“ ihr Fachwissen zum Thema Wärmedämmung und Spulenwicklung austauschen, ist der Aufschub der Flughafeneröffnung erst recht kein Thema: Gerade ein altmodisches, schlecht gedämmtes Gebäude wie Tegel ist ein wunderbares Forschungsobjekt für die ExpertInnen.

Noch praktischer ist der Flughafen-GAU allerdings für die Popkomm im September, die wieder in Tempelhof stattfinden wird: Hier können die BesucherInnen direkt zwischen den Grillplätzen landen. Und dass der BBI im gleichen Monat eigentlich auch Gastgeber für die „Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung“ sein sollte, ist schon fast niedlich. JENNI ZYLKA

Potsdam ist ein würdiger Partner

Es war einmal eine kleine Stadt, die wollte sich ein Spaßbad bauen. Der König schickte seine Handlanger aus: Sie brachten ihm den brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer, der umgehend ein 42.000 Quadratmeter großes Freizeitbad mit fünf Kuppeln entwarf. Eine Ausschreibung gab es nicht, der Vertrag wurde sofort unterzeichnet. Doch schon während die Bauarbeiten im Gange waren und Niemeyer wie ein Statist behandelt wurde, musste die Stadt einsehen, dass sie sich den nassen Spaß nicht leisten konnte: Die Kosten schwankten zwischen 30 und 48 Millionen Euro.

Geblieben ist ein grüner Hügel, auf dem noch immer das marode Hallenbad aus DDR-Zeiten steht. Doch was ist das für ein Ort, der sich wie Berlin hoch zwei aufführt und regelmäßig an größenwahnsinnigen Bauprojekten scheitert? Tief im Wald liegt er, und weil die viel größere Stadt gleich nebenan liegt, bekommt man nicht immer alles mit, was da im Grünen rumort. Von seinen alternativen Bewohnern wird die Stadt als „Preußendisney“ geschmäht; und vielleicht liegt es tatsächlich an der Barock-Kulisse, dass die Regierenden sich wie Friedrich der Große benehmen.

Nicht nur ein Bad, auch ein Kanal sollte hier entstehen: Einst zog sich ein 1,5 Kilometer langer Wasserkanal durch die Stadt, 1965 wurde er zugeschüttet, 1999 wurden 130 Meter wiederhergestellt. Wie der Rest von Klein-Venedig finanziert werden soll, ist unklar, fertig werden wollte man mal 2016. Das Geld sollen Spender liefern – genau wie für den rund 100 Millionen Euro teuren Wiederaufbau der Garnisonkirche. Dagegen ist man in Berlin noch vernünftig: Die Stadt hätte sich schließlich auch an historischen Vorbildern orientieren können: zum Beispiel an Albert Speer. ERIK WENK

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7 Kommentare

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  • B
    BerufsBerlinBasher (BBB)

    "Schnee hat bei entsprechender Masse nun mal die Angewohnheit von Dächern zu fallen und das macht im Winter an vielen Häusern Feuerwehreinsätze nötig. Was soll daran nun typisch Berlin sein?" (Zitat "chillberlin")

     

    Dass, liebe® "chillberlin" (sic!) das mit einiger Sicherheit jährlich zu erwartende Schneeräumen nicht Sache der Feuerwehr ist sondern eines andernorts funktionierenden kommunalen Winterdienstes.

     

    Berlin soll hip sein?

    Vielleicht bei juvenilen "Individualreisenden", die es nicht nach "Malle" oder Kroatien geschafft haben.

  • C
    chillberlin

    Meine Güte! Man könnte nun so langsam mal wieder runterkommen und diese künstliche Aufregung einstellen. Klar ist das ärgerlich und peinlich (mich trifft es besonders da ich von dem Eröffnungstermin abhängig gewesen bin! bei den meisten Meckerern, die sowieso gegen den BER waren, glaube ich das eher nicht, die freuen sich doch!). Aber ich finde den ganzen Spott und das Berlinbashing unangemessen. Da hat nun jeder frustrierte Hans und Franz wieder was wo er sich dran abarbeiten kann. Man bekommt den Eindruck wir hätten sonst keine Probleme hier.

     

    In Restdeutschland bzw der übrigen Welt ist das übrigens lange nicht so ein Thema wie man hier vor lauter Selbstüberschätzung glaubt. Von wegen "Schaut auf diese Stadt".

     

    " dafür fällt dort überraschenderweise im Winter Schnee vom Dach, ein Problem, dass man erst noch in den Griff bekommen will. "

     

    Was ist das denn für eine Aussage? Schnee hat bei entsprechender Masse nun mal die Angewohnheit von Dächern zu fallen und das macht im Winter an vielen Häusern Feuerwehreinsätze nötig. Was soll daran nun typisch Berlin sein?

     

    Ach wie gut dass hier wieder was passiert ist, wo man sich so herrlich dran hochziehen kann. :-/

  • B
    Bert

    Sorry Willy Brandt, angesichts der geballten Kompetentenz bin ich für eine Umbenennung in "BBI - Lothar Späth"

  • L
    lalala

    @ Tom:

    Bonn ist ja wohl gänzlich indikutabel!!!!!!! Hat ein Berlin-Neider mal wieder was zum Aufjauchzen gefunden....sei es Ihnen gegönnt, Sie sind ja weit weg...vom Schuss.

  • A
    aurorua

    INTENSIV GEARBEITET?

    Ständig jammern diese Manager und ihre Handlanger die Politiker wie viel und wie lange sie doch arbeiten würden. Ständig wird die Mähr gestreut, dass nur durch Fleiss und harte Arbeit Wohlstand und Reichtum zu erlangen wäre. Blödsinn! Mit ehrlicher Arbeit ist noch keiner reich geworden. Nur Lug, Trug, Blenden, Zins und Zinseszins, Spekulation und schamlose Ausbeutung derer die die Arbeit wirklich machen führt zu Erfolg und Reichtum. Die Lobbyistenknechte von Politbonzen lassen sich auf Steuerzahlers Kosten in Luxuskarossen von einem Arbeitsessen zum nächsten chauffieren, fressen, saufen nur vom Feinsten. Dauerpartie über Jahre und dann exorbitante völlig unverdiente (beitragsfreie!) Pensionen bis zum abwinken, derweil Millionen im Dumpinglohnsektor kaum noch wissen wie die Familie durchzubringen ist, von Jahr zu Jahr mehr Armutsrentner und immer weiter so jämmerlich diese erbärmlichen Zustände!

  • T
    Tom

    Dieser ganze, von Kohl angetrieben Hype um Berlin nervt, wenn man sich heute den Alexander Platz und andere wahnsinnige Großbauprojekte ansachaut wird einem schlecht, ins dieses Bild passt der Provinzfürst WOWI die Hertha und jetzt das MÖCHTEGERN PROJEKT FLUGHAFEN!

    Da hat die kleien Hauptstadt Bonn weit mehr Stil gehabt!

    Sperrt den Laden zu und schmeißt den Schlüssel weg.

  • J
    Jake

    Beim Thema „Insulation“ auf der „Coil Winding, Insulation and Electrical Manufacturing“-Konferenz geht es natürlich nicht um Wärmedämmung sondern um elektrische Isolation. Und nur um sicher zu gehen: Bei den „Coils“ geht es nicht um Spulen auf Spinnrädern, sondern in elektrischen Transformatoren. Die Konferenz ist also nicht ganz so abwegig, wie es die Autorin darzustellen versucht.