Dem Rocker an den Kragen: Hells Angel angeklagt
Noch vor kurzem engagierten in Walsrode öffentlich geförderte Vereine seine Firmen, jetzt klagt die Staatsanwaltschaft die Rotlicht- und Hells Angels-Größe Wolfgang Heer an.
HANNOVER taz | Wegen ausbeuterischer und dirigistischer Zuhälterei hat die Staatsanwaltschaft Verden Anklage gegen den Walsroder Bordellbetreiber und Schatzmeister der Hells Angels Deutschland, Wolfgang Heer, erhoben.
Hintergrund ist eine Razzia aus dem vergangenen August, bei der 140 Polizeibeamte zeitgleich sieben Bordelle, drei Wohnungen, drei Geschäftsräume und mehrere „Lovemobile“ in Walsrode und Umgebung durchsucht hatten. Damals ermittelte die Staatsanwaltschaft noch wegen Menschenhandels und Insolvenzverschleppung gegen neun Personen aus der Rocker-Szene.
Diese Vorwürfe wurden zwischenzeitlich fallen gelassen, zu einer Anklage wegen ausbeuterischer Zuhälterei kam es nur gegen Heer, zwei weitere Beschuldigte und einen Gehilfen. 57 Frauen führt der Sprecher der Verdener Staatsanwaltschaft, Lutz Gaebel, als Geschädigte an. Die meisten von ihnen Osteuropäerinnen, die nur schlecht oder gar kein Deutsch sprechen.
Heer und seine Mitbeschuldigten sollen die Frauen laut Gaebel zur Prostitution angehalten und zugleich Gründe geschaffen haben, „ihnen das Geld, das sie erarbeitet haben, gleich wieder wegzunehmen“. So sollen ihnen Kleidungsvorschriften, Arbeitszeiten und -orte oder die Preisgestaltung vorgegeben worden sein.
Wer sich nicht daran gehalten hat, habe Strafgeld zahlen müssen. „Die Frauen waren nicht frei in ihrer Berufsausübung“, sagt Gaebel. Insgesamt sei der Großteil ihres Lohns einbehalten worden. Für die sogenannten Lovemobile etwa müssten sie Miete zahlen, selbst Transportfahrten dorthin hätten sie wie Taxifahrten bezahlen müssen.
Die Hells Angels werden der organisierten Kriminalität verdächtigt, seit 2009 werden ihnen vier Tötungsdelikte zugeschrieben.
In Kiel und Aachen wurden Ende Januar die lokalen Hells Angels-Gruppen verboten.
Niedersachsens Innenministerium will ein Verbot erst anstreben, wenn gerichtsfeste Erkenntnisse gegen Mitglieder vorliegen.
Heer selbst bestreitet die Vorwürfe gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und nennt die Anklage einen „großen Lacher“. „Ich weiß gar nicht, was die wollen“, lässt er sich zitieren. Bis auf zwei Frauen würden alle der 57 Geschädigten noch heute bei ihm arbeiten. Dem Prozess, bei dem ihm bis zu fünf Jahren Haft drohen, sehe er „gelassen“ entgegen.
An seinem Image als Wohltäter in der Kleinstadt Walsrode aber dürfte die Anklage kratzen: In Walsrode und Umgebung beherrscht Heer nicht nur das Rotlichtgeschäft, gemeinsam mit seiner Familie hat er ein ganzes Firmengeflecht mit Bowlingcenter und Fitnessstudio aufgebaut. Bei örtlichen Vereinen und Institutionen tritt er als zahlungsfreudiger Spender auf. Ein streitbares Engagement, das vor allem der Walsroder Grünen-Ratsherr Detlef Gieseke seit 2010 immer wieder zur Sprache gebracht hat.
Das Gros der Stadtoberen hingegen hat sich erst nach monatelanger Diskussion klar positioniert. Auch die parteilose Bürgermeisterin Silke Lorenz hielt die Frage, ob man mit Hells Angels-Mitgliedern kooperiert, lange Zeit für eine „Frage, die jeder mit sich selbst ausmachen muss“. Erst Ende 2011 sprach sich der Stadtrat in einer Resolution gegen eine Zusammenarbeit mit „Clubs, deren Ziele und Einstellungen der Rat nicht teilt“ aus.
Zuvor war die Sicherheitsfirma GAB Security, die Heer und dem Hannoveraner Hells Angels-Chef Frank Hanebuth gehört, neben dem örtlichen Fußballverein auch vom kommunal geförderten Stadtmarketing-Verein engagiert worden. Die Konzertreihe „Walsroder Mittwoch“ etwa hat der Förderverein Stadtmarketing noch im vergangenen Sommer von Heers Securityleuten bewachen lassen.
In diesem Jahr will der Verein zwar auf deren Dienste verzichten. Heer und seine Familie mischen bei den „Walsroder Mittwochen“ trotzdem wieder mit. Für Anfang August ist die Bremer Band „Hells Balls“ – englisch für Höllen-Hoden – angekündigt. Ausrichter des Abends: das „Collosseum Bowling“-Center. Geschäftsführer dort: Heer junior.
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