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Wahlen in der Dominikanischen RepublikDie neoliberale Maschine rollt

Der sozialdemokratische Oppositionskandidat Mejía hat kaum noch Siegchancen. Schuld daran ist sein loses Mundwerk – und der mächtige Apparat der Regierungspartei.

Bunt, sexy und erfolgreich: Wahlkampfkundgebung der regierenden PLD in Santo Domingo. Bild: reuters

SANTO DOMINGO taz | Am Sonntag wird in der Dominikanischen Republik ein neuer Präsident gewählt, und der Sozialdemokrat Hipólito Mejía von der oppositionellen Dominikanischen Revolutionären Partei (PRD) sieht sich einem übermächtigen Gegner gegenüber.

Mejía will die regierende Partei der dominikanischen Befreiung (PLD) nach zwei Amtsperioden ablösen. Die PLD, klagt Mejía, setze den gesamten Staatsapparat und öffentliche Mittel ein, um sich die Macht für weitere vier Jahre zu sichern.

Mejía, der das Land schon einmal vier Jahre lang bis 2004 regiert hat und unter dessen Regentschaft es am Rande des Staatsbankrotts stand, führte lange bei Umfragen, aber jetzt bringt ihn sein loses Mundwerk kurz vor dem Urnengang ins Straucheln. Frauen regen sich auf, weil er die Hintern von Oppositionspolitikerinnen öffentlich kommentierte. Und den Zorn der Haushaltshilfen zog er sich zu, als er verkündete, diese würden aus den Kühlschränken der Herrschaften die Filetstücke klauen, um sie ihren Liebhabern zu kredenzen.

Dagegen rollt die Wahlkampfmaschinerie der neoliberalen PLD perfekt. Präsident Fernández darf nicht mehr kandidieren. Er schickt ein ehemaliges Mitglied seines Kabinetts ins Rennen. Danilo Medina ist wenig charismatisch – seit sich aber Fernández’ Gattin Margarete Cedeño um das Amt der Vizepräsidentin bewirbt, hat die Regierungspartei Boden gutgemacht.

Um die Leistungen seiner PLD-Regierung zu dokumentieren, reist Fernández durchs Land: Brücken werden für den Verkehr freigegeben, Schulen ihrer Bestimmung übergeben, eine zweite Metrolinie wurde pünktlich zum Wahlkampf fertig, ebenso Hochstraßen und Tunnel, um das Verkehrschaos in der Hauptstadt Santo Domingo, in der 3,5 Millionen Menschen leben, zu reduzieren.

Schlechte Bilanz trotz Wirtschaftswachstum

Zwar verfügt das Land nach wie vor mit 4,5 Prozent über das höchste Wirtschaftswachstum in Lateinamerika, aber die Armut ist kaum gesunken, die Handelsbilanz chronisch defizitär. Die Säuglingssterblichkeit gehört zur höchsten, die schulische Bildung zur schlechtesten in der Region. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung lebt von Gelegenheitsarbeiten.

Die Regierungspartei ist nach zwei Amtsperioden übermächtig. Vetternwirtschaft und Korruption sind allgegenwärtig. Allein das Sportministerium hat 34 Staatssekretäre ohne Aufgaben. Mitglieder der Regierungspartei kontrollieren inzwischen den Obersten Gerichtshof und die Wahlbehörde. Die dominikanische Nichtregierungsorganisation Participación Ciudadana fürchtet um „den Ablauf und die Transparenz der Wahl“, sagt deren Geschäftsführer Javier Cabreja. „Niemals zuvor hatten wir solche Schwierigkeiten.“

„Nur ein Wahlbetrug kann uns noch aufhalten“, verkündet prompt Kandidat Mejía. Und einer seiner Gefolgsleute, der ehemalige Polizeichef des Landes, Pedro Candelier, droht sogar offen mit Gewalt. Die PRD-Mitglieder seien ausreichend bewaffnet, um „ihre Stimmen und den Wahlsieg zu verteidigen“, sagte er auf einer Pressekonferenz.

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7 Kommentare

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  • MF
    Martin Feickert

    So, so die PLD ist korrupt. Da machen es sich die Kommenratoren sehr einfach, wenn der "falsche" gewinnt. Die bösen neoliberalen haben die Wahlen beeinflusst. Ansonsten hätte der lupenreine Demokrat von der PRD gewonnen. Ich war anlässlich des Wahltags und davor auf der Insel. Das sogenannte einfache Volk hat mit Sicherheit nicht mit Begeisterung PLD gewählt, sondern aus ganz pragmatischen Gründen: Die Erinnerung an die Regierungszeit Mejia war noch zu frisch: Die schlimmste Wirtschaftskrise der Geschichte mit galoppierender Inflation und massiver Einschüchterung des politischen Gegners wollten die Leute halt nicht noch einmal erleben.

  • J
    Jo.S

    Danke für den Beitrag. Weder der Spiegel, noch die Süddeutsche, die Zeit oder eine der beiden großen Frankfurter Zeitungen haben mir geholfen, die politische Situation der vergangenen Präsidentschaftswahl in der Dominikanischen Republik zu verstehen. Die TAZ ist entweder am besten informiert oder als einzige Zeitung interessiert: Egal was zutrifft: Ich habe mich sehr über den Beitrag gefreut!

  • HK
    Hans-jörg Kalt

    Die PRD hat an dem Tag verloren als sie Ihre Internen Kandidaten kürten. Hätte man Miguel Vargas Maldonado an die Stelle des lockeren Bauernmundwerkes Mejia auf das Podest gehoben wäre der Sieg wahrscheinlicher gewesen. Verloren haben sie aber auch wegen der Unfähigkeit von Mejia in seiner ersten Amtszeit.

    Es stimmt Bank International ruiniert. Die hälfte des Vermögens der Banco Leon vernichtet. Generalstreik nach drei Jahren Amtsgeschäften. Diverse Drogengeschäfts Skandale. Wirtschaftskrise in Reinkultur. Stundenlanges anstehen für den Erhalt von Kraftstoffen bis hin zum Gas zum Kochen. Mejias Flair sich verballe Ausrutscher zu leisten die nur schaden konnten. Beim Wähler und im Ausland. Eben er ist und bleibt ein Campesino. So wie seine Wähler. Und die sind in der heutigen Zeit hier im Land nicht mehr in der Mehrheit.

     

    Dann kommt ein weiteres dazu das Demokratie bei einem Dominikanischen Wähler in seinem Wortschatz und in den Gedanken nicht existiert. Anarchie ist Ihm besser bekannt und wird auch tagtäglich praktiziert.

  • T
    toro

    mejia hat das volk hinter sich

  • D
    Dany

    Bin in ZH, im Herzen der Stadt. Ob das ganze Theater etwas bringt ? Könnte nur besser werden. Meiner meinung nach, könnte sich PLD noch schneiden. Hoffe ich.

  • SR
    Sozialistengewaltwelle rollt

    Kurzfassung: Die demokratischen Kräfte, in der taz neoliberal genannt, haben eine gute Bilanz vorzuweisen und beste Chancen die wahl zu gewinnen. Die Sozialisten wollen nach verlorener Wahl mit Gewalt an die Macht.

  • SS
    Stephan Schneider

    Ich wäre mir da nicht sicher das Mejia keine Chance hat.

    Es ist ja schon unfassbar, das dieser Mann überhaupt wieder kandidieren kann nach seiner Amtszeit von 2000 - 2004 wo er nicht nur verbal voll daneben gelegen hat. Das Land erlebte eine Wirtschaftskrise wie noch nie, Baninter wurde ruiniert und vieles mehr - statt Gefängnis was angebracht gewesen wäre nun wieder als Präsident kandidieren - das spricht nicht gerade für die Bildung in diesem Land.

     

    Stimmen werden gekauft und nicht mit Taten gewonnen - traurig. Ein Entwicklungsland das seit 20 Jahren krass am Volk vorbei regiert und selbst für Investoren und Residenten immer mehr an Attraktivität verliert. Schade !