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Angela Merkel beim Katholikentag„Lobt, alle Völker, die Herrin“

In Mannheim wird Angela Merkel vom Kirchenpublikum begeistert aufgenommen. Über die brutale Entlassung des Umweltministers ist die christliche Gemeinde nicht empört.

„Und dann hab ich dem Norbert so – ich demonstriere das mal eben mit diesem orangen Schal – den Hals umgedreht …“ Bild: reuters

MANNHEIM taz | Man muss nicht bis zur Heiligen Inquisition zurückgehen, um zu wissen, dass Christenmenschen manchmal auch zu einer gewissen Härte neigen können.

Nun würde der freundliche Bibliotheksangestellte Willi Carlitz aus der Nähe von Düren sicherlich nie, gekleidet etwa in eine Dominikaner-Kutte, die Fackel an den Scheiterhaufen für eine arme Hexe legen. Aber was seine Mitchristin Angela Merkel vor wenigen Tagen mit ihrem bisherigen Umweltminister Norbert Röttgen gemacht hat – über diesen brutalen Akt der öffentlichen Demütigung und Entlassung kann er sich nicht wirklich aufregen.

Das 53-jährige CDU-Mitglied steht in der Reihe Hunderter, die auf dem Katholikentag in Mannheim darauf warten, in den Saal gelassen zu werden, wo in einer Stunde die Kanzlerin reden soll. Ob der Rauswurf seines Bis-dato-NRW-Landeschefs christlich gewesen sei, darauf antwortet Carlitz knapp: Es sei „politisch-realistisch“ gewesen, so sei das eben in der Politik: „Wenn man zu gutmütig ist, wird man überrollt.“

Theresia Brauch stimmt zu. Die katholische Pfarrgemeinderätin aus dem bayerischen Glonn findet auch den Blumenstrauß für Röttgen und den Dank der Kanzlerin unmittelbar nach der Wahl stimmig. Denn „Muttis Klügster“ habe sich ja angestrengt, trotz allem. „So gehört sich das.“ Dann singen die Wartenden den sanften Taizé-Klassiker „Laudate Omnes Gentes“ – „Lobt, alle Völker, den Herrn.“

Die Herrin Deutschlands betritt dann mit zehn Minuten Verspätung gegen 12.10 Uhr den übervollen Mozart-Saal im Kongresszentrum Rosengarten, wo die zentralen Veranstaltungen dieses Katholikentages stattfinden. Von dem tausendköpfigen Kirchenpublikum wird sie empfangen mit stehenden Ovationen. Mag es in der Christlich Demokratischen Union dort im fernen Berlin Unmut geben über das herzlose Abservieren ihres einstigen Lieblingsministers – hier auf dem großen Christentreffen spürt man davon wenig.

„Faszinierende“ Kanzlerin

Eine 32-jährige Marketingmanagerin auf einer Besuchertribüne sagt, das sei halt wie in einem Großkonzern: „If you don’t perform, you’re out.“ Eine Freundin neben ihr räumt ein, der Rauswurf Röttgens „hatte in dem Sinne keinen christlichen Aspekt“ – aber Angela Merkel sei „auf alle Fälle faszinierend.

Im Saal geht es – beginnend mit einem „Impuls“ der Kanzlerin – um den demografischen Wandel, und wenig überraschend bleibt die christliche Regierungschefin felsenfest bei diesem Thema. Kein Sterbenswörtchen, nicht die leiseste Randbemerkung oder Andeutung über Röttgen oder etwa die Härte des politischen Geschäfts, nichts. Nur etwas müde und abwesend wirkt sie anfangs.

Auch aus dem Publikum oder auf dem Podium nicht ein Satz zur Causa Röttgen. Stattdessen wird die Kanzlerin gefeiert, ein besseres Wort gibt es dafür nicht. Noch ihre billigste Anbiederei ans Publikum, noch die größte Binse wird mit Lachen und Klatschen belohnt, und sei es ein Witzchen über die 40 Millionen Fußballtrainer auf Deutschlands Sofas. Einmal nur blitzt etwas von der Härte auf, die Merkel haben kann – als sie sarkastisch bemerkt, sie wisse ja, dass Altersarmut ein „drängendes Problem“ sei, „insofern habe ich davon schon gehört“.

Irgendwann stört eine Frau die Harmonie. Mit einem Transparent in der Hand ruft sie: „Stoppt den Waffenhandel!“ Eine andere protestiert lautstark gegen die Behandlung der Occupy-Bewegung in Frankfurt – da würden Grundrechte verletzt, und: „Das ist ein Katholikentag, hier muss diskutiert werden.“ Die Leibwächter rücken etwas näher an die Bühne, Merkel bleibt gelassen, sagt routiniert, man solle ihr doch einen Brief mit dem Anliegen schicken: „Ich gucke mir das auch an.“

Mit stehendem Applaus wird die Kanzlerin auch wieder verabschiedet – und mit dem Gesang des Essener Barock-Ensembles Sonore Sacro: „Gloria tua“ – „Dein Ruhm“. Und das passt ja dann doch ganz gut für die stahlharte Pfarrerstochter mit dem Gespür für Macht.

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24 Kommentare

 / 
  • WB
    Wolfgang Banse

    Mündige Kirchenglieder sind auch Wähler

    Kirchen-und Katholikentage sind ein Schaulaufen der Politiker auf Landes-und Bundesebene.So auch das die Regierungschefs,hier Angela Merkel betrifft.Sich bejubeln und feiern lassen dass tut Politikern gut,im Bezug auf den sonst grauen monotonen Politikeralltag.

    Was Angela Merkel auf den Katholikentag in Mannheim sagte,ist schon bekannt,sie sagte nichts neues,dem anwesenden Kirchenvolk.

    Auch Gläubige sind bestens informiert ,was Hanf´gy und I Phone,Internet ect.betrifft.

    Ein Schaulauf und eine aufwartung gegenüber katholischen Menschen in Deutschland war es und mehr auch nicht.

    Ein Regierungschef ist nicht,wie die jetzige Regierungschefin die aus dem Protestantismus kommt,nur für Protestantzen da,sondern a uch für Katholiken,Juden Muslime und anderen religiösen Gemeinschaften.

  • A
    Augenwischer

    Gleich und Gleich gesellt sich eben gern. Und dass Merkel nach einer "Missetat" immer dort hin geht, wo die Claqueure sind, ist schon Methode. Dort kann sie ihr schlechtes Gewissen wieder abbauen, und zu neuen "Taten" schreiten-,denn ein Pfeifkonzert bringt sie zum Flennen. Folglich: Sie weiß schon wo sie hingeht!Lese ich schon christliche Gemeinde, kann ich sowieso nicht mehr."Die kostümierten Jünger" dort, wissen doch schon lange nicht mehr, was Christentum bedeutet. Und dass man einem Prominenten auch den allerschlechtesten Witz abnimmt, ist bei dummen Menschen Ehrensache. Die "Apostel" sollten mal unter "die Brücken" marschieren und wie Jesus zu den Verlorenen sprechen-das wäre christlich- aber nicht dieses hochdotierte Affentheater. Ich glaube dass da sogar ein Ackermann heilig gesprochen würde, würde er nur genug dalassen.

  • D
    Deborah

    Verträgt die taz keine Kritik mehr an sich selbst??? oder nennt ist das schon Zensur????? Warum werden meine Beträge nicht freigeschaltet???? Sorry, auch wenn Wocheende ist, über 12 Stunden Wartezeit ist schon heftig.

  • P
    Peter

    Ach kommt, Leute, muss Katholikenbashing denn wirklich sein? Erst der obligatorisch Hinweis auf Inquisition und Hexenverbrennung (womit mal wieder beides vermischt wird und ausgeblendet, dass Hexenverbrennung kein rein katholisches und auch kein rein kirchliches Kapitel unserer Geschichte sind). Ausgeblendet auch die Proteste der katholischen Jugendorganisationen, die in der Innenstadt lautstark gegen die Politik demonstrierten. Als Einzeltäter abgetan die Zwischenrufe - hätte dort der Papst gesprochen, diese Einzeltäter wären sicher anders gedeutet worden, der Saal hätte gebrodelt, oder?

     

    Und schlussendlich: Was soll ich als Katholik denn tun? Nicht klatschen, wenn sie den Raum betritt? Gut. Aber nach einem Umweltminister rufen, den ich nicht will? Der Kanzlerin ihr Recht absprechen, sich eine Regierung zu bilden? Die Kanzlerin muss abgewählt werden, doch wieso sollte ich Röttgen nachtrauern???

  • S
    StephanB

    Wir waren vier Personen und hatten zwei Transparente "Stopp den Waffenhandel" im Mozartsaal. Wir haben niemanden gestört, aber doch Eindruck gemacht, so hoffe ich....

  • B
    Bert

    Ein Heimspiel für Frau Merkel. Begeisterung bei einem...obrigkeitsaffinen Publikum.

     

    Es gibt die Welt der Politik.

    Und die der Religion.

     

    Realität und Glauben.

    Wirklichkeit und Gegenwirklichkeit.

    Welt und Parallelwelt.

     

    In dieser Parallelwelt löst Bundeskanzlerin begeisterte Zustimmung aus. In der wirklichen Welt sieht das bekanntlich etwas anders aus.

  • V
    vic

    Schade, dass die Katholen keine Frauen nehmen.

    Sie, die Herrin wäre dort gut aufgehoben, und mir wäre eine schwere Last von den Schultern genommen.

  • OB
    Ob BundeskanzlerIN oder Bundeskanzler - ...

    ... egal, wer eine/n auf Härte macht; solches Verhalten guvkt sich die Bevölerkung ab; Frau Merkel möchte also, dass sich das Klima (Kultur des miteinander Umgehens ändert - hinzur Erbarmungslosigkeit und zum mit den Füßen getreten Werden. DAS kan sie haben, nur muss die Olle das Echo ertragen!

    'Mutti' Merkel ist für mich unerträglich geworden und das Wortm 'Mutti' zu einem Schmähwort. Ja, bitte, schmäht die Merkel allerorten und zu allen Zeiten!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    Aber die Aussagen, die die taz in Ihrem Bericht von KirchentagsbesucherInnen bringt zeigt, dass diese so genannten 'Christen' selber gern Gewalt praktizieren. Man kann den Dreien sogar unterstellen, dass sie also auch die sexuellen Übergriffe (die allesamt Anwendung von Gewalt und Macht waren / sind) tolerieren, ja, diese gutheißen.

    Vielleicht gibt es ja sogar ein politisch und gesellschaftlich rechtslastiges Klima auf dem Kirchentag? Sollte mich nicht überraschen; rechte Gesinnung kommt eben auch aus Kirchenkreisen.

  • N
    nurdie

    Ach liebe TAZ,

     

    ihr seid sowas von bibott (verlogen rechtschaffen), dass es einen ekelt.

  • N
    nurdie

    Ach liebe TAZ,

     

    ihr seid sowas von bibott (verlogen rechtschaffen), dass es einen ekelt.

  • TM
    Tönnies Meyerhoff-Rösener

    Wie so manches Mal, wenn Medien aus dem schlecht ausgeloteten Gewässer Kirchen berichten, verwischen Analyse und schon immer gewusstes. Nur um der Genauigkeit willen: hier geht es nicht um das Kirchenvolk, sondern um katholisches (!) Kirchenvolk. Die kritischen Stimmen hatten es auf dem Katholikentag schon immer schwerer als die Protestanten - die nicht umsonst so heißen. Interessant ist, dass Merkel als protestantische Politikerin so gut in den katholischen Rahmen sich einpasst. Vielleicht korrelieren ihr zu einsamen Entscheidungen drängender Politikstil eher zu einer Papst-zentrierten Kirche. Dann hätte sie einfach die falsche Konfession. Kann ja mal passieren.

  • E
    eigentlichnicht

    ich glaube, die kirche hat schon über weitaus schlimmeres fromm hinweggelächelt.

  • D
    Deborah

    Mehr als albern kann man diesen Artikel nicht bezeichnen. Ach neee, vergesssen, das war ja bei den ewig gestrigen Christen, gelle, bei den katholischen auch noch, na da kann man den Töttgen ja mal zum Opfer stilisieren, oder??? Und der anscheinend nicht denkende Christ ist verwurzelt im "Kapital" ... ach neeee, so heist ja die dicke Schwarte, auf die sich diese anderen Fundamentalisten beziehen.

     

    Tut mir leid, "taz" ihr habt in den letzten Jahren mehr Schritte zurück als vorwärts gemacht und ich frage mich, ob euer Anspruch, "anderen" Journalismus als die Schmierenblätter zu machen, echt noch gerechtfertigt ist. Den selben Artikel hätten Springer-Medien auch bringen können, tauscht man die Protagonisten einfach aus ... traurig, traurig, traurig!

  • M
    Monic

    Ach wie passend! Gerade nämlich veröffentlichte die Universität Berkeley Erkenntnisse aus diversen von ihr durchgeführten Studien zusammengefasst unter der Überschrift: „Highly religious people are less motivated by compassion than are non-believers“. Sollten sich die Herrschaften vielleicht mal durchlesen: http://newscenter.berkeley.edu/2012/04/30/religionandgenerosity/

  • F
    Frank

    Eklig wie die taz den Röttgen in Schutz nimmt. Ich finde es sehr gut von Frau Merkel das sie ihn rausgeschmissen hat. Da war auch der Wille vieler CDU-Anhänger in NRW!

  • V
    valentin

    Der Abonnent hat Recht!

    "Brutal" ist doch kein Maßstab für das Bestellen und Entlassen von Ministern und die Politik kein Streichelzoo. Wenn einer nicht passt oder Wahlen verliert, muss er halt gehen. Der Röttgen ist wahrscheinlich der Letzte, der der Merkel dafür böse ist.

  • A
    AntiFunt

    Wenn ich nach der unerträglichen Beleidigung, die dieser Artikel für meinen Glauben darstellt, mit einigen hundert anderen zusammenrotte und Unbeteiligte absteche, wird die taz mich dann auch verteidigen?

     

    Gruß an den Zensor!

  • CU
    Christ und links

    @ Der Abonnent: vollkommen richtig, warum soll mensch sich ausgerechnet über den Röttgenrauswurf empören?

    So wie die "Störer_innen", die Waffenhandel und Blockupy angesprochen haben, hätte die taz die katholischen Merkel-Fans auch mal zu politisch relevanteren Themen interviewen können, bspw. auch zur deutschen Asylpolitik. An solchen Stellen lässt sich viel eher festmachen, ob Politik in irgendeiner Weise christlich ist. Und an diesen Stellen ist es auch viel wichtiger. Natürlich ist der Rauswurf von Röttgen keine gelebte Nächstenliebe, aber die CDU-Politik ist das ohnehin nicht, wieso soll ich dann ausgerechnet bei dieser Aktion für Röttgen Mitleid übrig haben?!?

  • G
    Ganzt

    Versucht da etwa jemand sich eine heile Welt vorzugaukeln?

  • MN
    mein name ist nrw

    Röttgen selbst hat katastrophale Fehler begangen:

    - die FDP für tot erklärt; Röttgen stand für schwarz- grün, was in weite Ferne gerückt ist

    - sich nicht festgelegt zu haben, nach NRW zu gehen, obwohl die Wahl ja um NRW ging

    - sich einen roten Wahlkreis genommen zu haben- Verdacht: er will weder Wahl noch Wahlkreis gewinnen

    - die Abstimmung als Entscheid über Merkels Finanzpolitik ettikettieren zu wollen, statt das verfassungswidrige Schuldenmachen der Frau Kraft: Das ließ in Berlin das Blut gefrieren und wurde als Dolchstoß gegen Merkel gesehen

    - die unmittelbaren Ereignisse vor der Wahl bewiesen, dass Röttgen für überhaupt kein Amt geeignet ist....

  • DA
    Der Abonnent

    Jetzt wirds langsam lächerlich: Der von taz selbst so oft gescholtene Röttgen, der seinen Posten nicht freiwillig räumen wollte und deshalb "gegangen wurde" wird auf einmal bedauert. Wäre der Rauswurf nicht von Merkel, sondern von einem anderen BK vollzogen worden, wäre wahrscheinlich von einem "klugen Schachzug" und kaum von einem "brutalen Rauswurf" die Rede. Und die ebenso oft von der taz gescholtene Christengemeinde soll nun bitteschön hellauf empört sein, da ja Bundes- und Parteipolitik bekanntermaßen eines der Kernthemen von Kirchentagen im Allgemeinen ist...

  • A
    anticapitalistaantifaantistasi

    Frau Merkel lächelt fromm, die Bischöfe lächeln auch fromm und alle sind glücklich.

    Wie schön doch das Leben ist, wenn man dem Worte des Herrn folgt.

  • F
    Fawkrin

    In der Katholischen Kirche war und ist allzu kritisches Denken noch nie erwünscht gewesen.

    Das passt nur zu gut zu Frau Merkel.

    Erfolg ist eben alles.

    Wenn Jesus nicht schon längst von den Toten auferstanden wäre, so würde er beim Wort CDU bestimmt im Grab rotieren.

  • RZ
    Ralf Zimmermann

    Ja,ja..weil der Papst Moslem ist,und der Zitronenfallter Zitronen falltet....)Go east "Mutti"...)