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Politologe über sozial schwache Nichtwähler„Parteien gefährden die Demokratie“

Die Ärmeren wählen immer seltener, weshalb die Parteien ihre Interessen immer weniger vertreten, erklärt der Politologe Sebastian Bödeker.

Dahinter steckt meistens ein kluger Kopf, leider: Wahlkabine im Saarland. Bild: dapd

taz: Herr Bödeker, gehen Sie eigentlich noch wählen?

Sebastian Bödeker: Natürlich.

So selbstverständlich ist das nicht. In Nordrhein-Westfalen ist am Sonntag jeder Dritte zu Hause geblieben. Große Klagen über mangelnde Wahlbeteiligung hört man aber kaum noch. Ist alles doch nicht so schlimm?

Keineswegs. Es ist zwar richtig, dass die Wahlbeteiligung in Deutschland von einem hohen Niveau aus gesunken ist und die aktuellen Zahlen im Vergleich mit anderen Ländern „normal“ aussehen. Aber das heißt nicht, dass das kein Problem ist.

Die Müllabfuhr kommt, die Ämter sind geöffnet – irgendwie scheint es egal, dass es immer mehr Nichtwähler gibt.

Man muss sich anschauen, wer nicht zur Wahl geht und welche Folgen das hat. Unter den Nichtwählern sind vor allem Menschen aus unteren sozialen Schichten. Ob man das Bildungsniveau, das Einkommen oder die subjektive Schichtzugehörigkeit anlegt: die meisten Nichtwähler leben am Rand der Gesellschaft.

Bild: privat
Im Interview: Sebastian Bödeker

forscht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung über Grenzen politischer Gleichheit. Zuletzt erschien von ihm: „Soziale Ungleichheit und politische Partizipation“ (Otto Brenner Stiftung).

Wie stellen Sie das fest? Es gibt schließlich ein Wahlgeheimnis.

Meist auf zwei Wegen: über groß angelegte Umfragen und anonymisierte Daten der Wahlbehörden, die es erlauben, die Beteiligung bis zur Ebene von Stadtteilen herunter zu erforschen. In den Siebzigerjahren lag die Beteiligung bei Bundestagswahlen über 90 Prozent, heute liegt sie bei knapp 70 Prozent. Noch Ende der Achtzigerjahre war die Beteiligung über alle Gruppen hinweg ziemlich gleich. Heute ist das ganz anders. Wir haben zum Beispiel Zahlen für einige Großstädte: Bei den Bundestagswahlen 2009 lagen in Leipzig 33 Prozent zwischen den Stadtteilen mit der höchsten und der niedrigsten Beteiligung, in Nürnberg waren es sogar 40 Prozent.

Es werden also nicht nur soziale Gruppen von der Demokratie abgehängt, sondern ganze Gebiete?

Das ist mir zu zugespitzt. Aber die Zahlen weisen zumindest auf ein Abdriften hin. Und es gibt ein klares Muster: Je ärmer der Kiez, desto geringer die Wahlbeteiligung. Mein Kollege Armin Schäfer hat einmal die Wahlbeteiligung in 86 Kölner Stadtteilen untersucht und gezeigt, wie eng diese mit der Erwerbslosenquote zusammenhängt.

Vielleicht machen Erwerbslose stattdessen eher in Bürgerinitiativen mit. Die Form der politischen Partizipation wandelt sich schließlich ständig. Stichwort: neue soziale Bewegungen, Wutbürger.

Die soziale Schieflage ist in Bürgerinitiativen oder bei Volksabstimmungen noch viel deutlicher! Beim Hamburger Schulentscheid 2010 haben sich die politischen Effekte sozial unterschiedlicher Beteiligung gezeigt. Die gut gebildeten Mittel- und Oberschichten haben überproportional teilgenommen und sich so als „Mehrheit“ durchgesetzt. Einkommensschwache und Bildungsferne, von denen es viel mehr in Hamburg gibt und die von einer Schulreform profitiert hätten, blieben dagegen überwiegend zu Hause. Wahlen sind immer noch die egalitärste und wirksamste Form der politischen Partizipation.

Bisher hat man die hohe Wahlverweigerung vor allem als Legitimationsproblem angesehen. Dass sich die soziale Schieflage dabei auch auf die praktizierte Politik auswirkt, liegt nahe. Aber lässt sich das auch wissenschaftlich nachweisen?

Der Zusammenhang zwischen der Wahlbeteiligung sozialer Gruppen, Parteiprogrammen, Koalitionsvereinbarungen und Regierungshandeln ist sehr komplex. Es gibt viele Faktoren, die hier wirken, und das meist auch noch über einen sehr langen Zeitraum. In den USA konnte in Studien nachgewiesen werden, dass die Interessen von einkommensschwachen Gruppen und großen Teilen der Mittelschicht bei politischen Entscheidungen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Forschung steht, was Deutschland angeht, noch am Anfang.

Man denkt an die SPD und ihre Wendung hin zur „neuen Mitte“.

Das liegt nahe. Die Partei hat den Kontakt zu bestimmen sozialen Milieus, zur Facharbeiterschaft und einfachen Arbeitern, abreißen lassen. Und das sieht man in der konkreten Politik der Sozialdemokraten. In der Agenda-Politik unter Gerhard Schröder spielten die Interessen der Erwerbslosen und Einkommensschwachen keine Rolle mehr. Aber das Problem ist ein generelles: Parteien wissen, dass Menschen mit geringen Einkommen und Bildungsferne deutlich seltener zur Wahl gehen; weshalb sie in den strategischen Überlegungen der Parteien an den Rand rutschen.

Was lässt sich dagegen tun?

Man muss bei den Ursachen ansetzen, also bei der sozialen Ungleichheit.

Das wird aber schwierig. Parteien, die – wie Sie selbst sagen – die Interessen der unteren Schichten auch deshalb weniger berücksichtigen, weil die ja doch nicht wählen gehen, sollen für den sozialen Ausgleich sorgen?

Ja. Denn nur die Parteien selbst können diesen Teufelskreis durchbrechen. Vor allem die des linken Spektrums müssen sich fragen, wer eigentlich Mitglied bei ihnen ist und welche Chancen Menschen mit geringen Schulabschlüssen und geringem Einkommen in ihren Reihen haben, Einfluss aufs Programm zu nehmen oder selbst wichtige Posten zu besetzen. Kennen Sie einen führenden SPD-Politiker mit Erwerbslosenhintergrund? Die Linkspartei hatte mal eine Bundestagsabgeordnete, aber die ist auch nicht mehr im Parlament. Es geht darum, die Mechanismen sozialer Ausschließung in Parteien anzupacken.

Sigmar Gabriel würde sagen: Auch mal dorthin gehen, wo es stinkt. Vielleicht sollte man die Parteienfinanzierung stärker an der Wahlbeteiligung ausrichten?

Das kann eine Möglichkeit sein, Anreize für Parteien zu schaffen, sich mehr um die Belange der sozial Abgehängten zu kümmern. Aber eigentlich müssten die Parteien selbst ein Interesse daran haben. Es geht darum, dass ein Kern der Demokratie, politische Gleichheit, also die gleiche Berücksichtigung von Interessen, nicht weiter untergraben wird.

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23 Kommentare

 / 
  • F
    Frau

    Wenn die Wahlbeteilugung unter 50% sinkt, sollte eine Wahl ungültig sein - denn dann ist die Demokratie ausgehebelt. Ferner sollte sich die Anzahl der zu besetzenden Mandate an den tatsächlich erhaltenen Stimmen richten. Erst dann werden die Parteien aufwachen und wieder Politik fürs und zum Wohle des Volkes machen. Solange lukrative Manadate auch mit einem Minimum an Stimmen erhalten werden...ich wähle seit längerem nur kleine Parteien..die Einheitssosse CDU/SPD/GRÜNE/FDP hat bei mir keine Chance...

  • SE
    Sabine Engelhardt

    Wie schon einige hier schrieben: "Sozial schwach" bis zu asozial sind nicht wir Zwangsverarmten, sondern diejenigen, die uns in die Armut gezwungen haben.

     

    Wir sind einfach arm. Von mir aus: Finanziell schwach, wenn Euch das Wort "arm" so unangenehm ist. (Aber warum eigentlich?)

  • KK
    Karl K

    @von Gregor Kochhan

    Liebe taz,

    vielleicht könnt Ihr mal aufhören, von "sozial Schwachen" zu schreiben."

     

    Im Prinzip ja, ok. Weiß nur nicht recht: was stattdessen?

    Egal. Aber - Westerwelle, Sarrazin, die sind nicht (nur) 'sozial schwach',

    nein , die sind ASOZIAL, wie zB die Schwarzkittel aus dem Hahnwald, oder die Postarisierer aus Marienburg in Köln ( zB Zumwinkel).

     

    Nix für ungut.

  • M
    Marion

    Rot-Grün ist schuld!

     

    Die gebildeten und die ungebildeten Armen wählen immer selltener, weil sie die nachhaltige Erfahrung gemacht haben, dass die Parteien trotz anderer Wahlversprechen ihre Interessen nicht vertreten, sobald sie an der Macht sind.

     

    Fakt ist: Sehr viele haben 1998 SPD und Grüne gewählt, weil diese ihnen eine soziale Politik versprachen.

     

    Dann haben SPD und Grüne aber die WählerInnen verraten, als sie 1998-2005 im Bund regierten!!!

     

    Sie haben den Arbeitsmarkt dereguliert und Hartz IV eingeführt. SPD und Grüne haben Leiharbeit, Minijobs, prekäre Arbeit, Zeitarbeit und die ganze Scheiße eingeführt,

    - WEGEN DER HEUTE IMMER MEHR LEUTE ARM SIND!

     

    Deshalb hat die SPD 10 Mio. WählerInnen verloren. (Es gibt aber heute unbegreiflicherweise immernoch genug IdiotInnen, die die SPD wählen.)

     

    Die Grünen haben keine WählerInnen verloren - wahrscheinlich gab es einen WählerInnenaustausch.

    Die, denen Inhalte wichtig sind, sind längst weg von den Grünen. Geistig beschränkte Besserverdienende wählen heute die Grünen.

     

    Es gibt einfach seit 1998 die traumatische politische Erfahrung, dass die Parteien einen verraten, wenn man sie wählt und an die Macht bringt!

     

    Und sie nur den Reichen dienen. Zur Erinnerung: SPD und Grüne haben auch den Spitzensteuersatz gesnkt, was den Besserverdienenen nutzte und sie haben die Finanzmärkte dereguliert (die Folge: Die Finanzkrise). Und sie haben auch noch die Bundeswehr in den Krieg geführt.

     

    Die Liste des Verrats eigener Überzeugungen und er eigenen Anhängerschaft ist bei SPD und Grünen derart lang, das ein denknder Mensch diese Parteien unmöglich nochmal wählen kann.

     

    Bleibt die Linkspartei. Aber wer glaubt der Linkspartei? - Wenn man sich ansieht, welche Politik die Linke macht, da wo sie mitregiert.

     

    Die Piraten haben sich noch nicht mal theoretisch qualifiziert (mangelnde Inhalte). Da scheint es auch schon nur och um schicke Posten zu gehen.

  • AA
    Ada Adler

    Viele Gebildete sind heutzutage arm!

     

    Die WissenschaftlerInnen tun immer so, als seien Gebildete nicht arm. Tatsächlich sind Gebildete auch oft arm - man braucht sich nur die "BetteldozentInnen" an den Unis anzusehen, die für Geld unter dem Existenzminimum an der Uni unterrichten. Auch freie JournalistInnen und ÜbersetzerInnen sind gebildet, aber oft arm, weil die Honorare meist extrem niedrig sind.

     

    Viele Arme (ob gebildet oder ungebildet) gehen längst nicht mehr wählen, weil sie gemerkt haben, das keine Partei ihre Interessen vertritt, sobald sie an der Macht ist.

     

    EIn Beispiel:

    Als die Linkspartei, die sich als Vertreterin der Armen versteht, in Berlin 10 Jahre lang devot unter Wowereits SPD mitregiert hat, haben die Armen davon kaum profitiert.

     

    Das merken sich die Leute!

     

    Und die Piraten als neue Protestpartei sind für viele eine Projektionsfläche. Wer sich aber genau ansieht, was sie zu bieten haben, kann nur schreiend davon laufen:

    Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das allen Ernstes noch niedriger als der verfassungswidrige Hartz-IV-Satz sein soll! Das also in keinster Weise existenzsichernd ist fordern die Piraten.

     

    Die Piraten wollen die UrheberInnen schlechter stellen, nur weil sie sich alles kostenlos aus dem Netz laden wollen. Wie die UrheberInnen dann konkret von ihren Werken leben sollen,da haben sie keinen Plan.

     

    Ich war immer wählen aber inzwischen habe ich soviel komkrete Erfahrung in Bürgerinitiativen und mit PolitikerInnen aller Parteien, das ich niemandem mehr etwas glaube.

     

    Mein Fazt:

    Die meist narzistischen PolitikerInnen sind sich alle selbst am nächsten. Inhalte sind nur Taktiermasse. Was die WählerInnen wollen ist ihnen egal. Hauptsache wichtig in den Medien sein und fett Diäten abkassieren.

     

    Wenn die ne Weile im politischen Betrieb sind, sind die so abgehoben, dass ihnen die Armen scheißegal sind.

     

    Und das merken die Armen (die Gebildeten und die Ungebildten) und deshalb gehen sie größtenteils nicht mehr wählen!

     

    - Ganz einfach. Da braucht man gar keine wissenschaftliche Studie zu machen, um das zu erkennen.

     

    Überhaupt sollten wenigstens in der taz mal weniger TheoretikerInnen und mehr PraktikerInnen schreiben dürfen.

     

    Wo sind die taz-Artikel von armen Leuten, die selbst schreiben, warum sie nicht wählen gehen oder warum sie vielleicht doch wählen gehen???

     

    Diese Expertenfixiertheit der Medien nervt ungemein!

  • Q
    quarktasche

    Der Begriff "sozial Schwach" ist total daneben! Nicht mehr verwenden!

  • P
    PeterWolf

    @Gregor

     

    Mir ist auch nicht klargeworden, ob der niedrige soziale Stand die Wahlmüdigkeit bedingt, die Wahlmüdigkeit den niedrigen sozialen Stand oder ob beides die gleichen Ursachen hat.

  • S
    seyinphyin

    @ Norbert

     

    Ich habe von der Linkspartei noch nie irgend etwas antisemitisches gehört oder gelesen, abseits dem, was Medien anderer Parteien (also so ziemlich alle bekannte) über diese behaupten. Direkte Zitate und Beweise gab es dabei nie.

     

    Was die Linke bzgl Israel von sich gibt, ist noch nicht einmal antizionistisch, geschweige denn antisemitisch. Es ist berechtigte Kritik an einem Staat, der eine brutale Politik gegen Andersdenkende Verfolgt.

     

    Aber das stört die BRD ja seit jeher nicht, unser Radikalenerlass gegen Linke wurde ja nicht umsonst von den UN als völkerrechtswidrig bezeichnet - und bestand trotzdem in vielen Bundesländern weiterhin, in Bayern letztlich bis heute.

     

    Ich wünsche, ich könnten nur ein einziges Mal Fakten hören, die gegen die von den Linken geäußerte Wahrheit bestand hat. Denn um die Vertuschung der Wahrheit geht es ja allein, ob das nun über Diffamierung der Linken oder irgend einer anderen Partei oder Person geschieht, welche diese äußert, ist dabei ziemlich egal.

     

    Beweise. Etwas anderes interessiert mich schon lange nicht mehr, gerade bei Kritik gegen die Linke und ebenso bei all der Lobhudelei verfassungsfeindlicher Politik unsere Blockparteien. Ohne Beweise glaube ich unseren Hauptmedien gar nichts mehr.

  • K
    kamy

    wer nicht wählt, wählt den Wahlsieger.

     

    Also: geht wählen, am besten die Partei, die ihr am wenigsten mies findet.

  • EM
    Eric Martinez

    ich gehe schon lange nicht mehr wählen, Diese Farce unterstütze ich nicht mehr, und ich war mal aktiv in der Politik. Ich legitimiere keine Politiker mehr denen die meisten Bevölkerungsteile egal sind. Am besten niemand geht mehr hin

  • H
    hto

    "Die Ärmeren wählen immer seltener, weshalb die Parteien ihre Interessen immer weniger vertreten, erklärt der Politologe Sebastian Bödeker."

     

    Als wenn die Parteien dies jemals getan hätten. Der Herr Bödeker glaubt sicher auch ans "Wirtschaftswunder", die "sozialen Errungenschaften" und das "Gute" in der "Entwicklungshilfe" - Ist das jetzt endlich der Gipfel des Blödsinns der gutbürgerlichen Bildung zu Suppenkaspermentalität, oder wieviel Überproduktion an systemrationalem Kommunikationsmüll müssen wir noch ertragen bis ...???

  • E
    eksom

    Die Parteien sind Schuld! Sie nehmen keine Rücksicht mehr auf sozial Schwache und arme Wählerschichten. Nur, diese arme Schichten werden immer mehr von intellektuellen arbeitslosen Akademikern mitbesetzt.

    Ferner werden von den Parteien in vielen Vororten bewusst Treffpunkte (Cafe´s und Kneipen...) gewählt, die immer die Teilnehmer indirekt Geld kosten. Die meisten der Parteifunktionäre können sich nicht mehr vorstellen, was es für einen Arbeitslosen/H4-Empfänger, Rentner/In heißt, in einer Kneipe für ein Glas Cola, Wasser oder bei der SPD leider immer ein Korn/Bier ab 1,50 € bis 2,80 € zahlen zu müssen. Und dann wundern sich diese Parteien, wenn keiner aus den unteren Bevölkerungsschichten mehr zu ihnen kommt.

    In den Regelsätzen für HARTZ IV sind keinen zusätzlichen Sätze für Parteimitgliedschaften und Getränkeausgaben bei den Ortsverbandstreffen enthalten. Also ist alles vorsätzlich so gewollt.

  • A
    Akareyon

    Mehr und mehr finde ich Gefallen an dem Spruch: "Wenn Wahlen etwas verändern könnten, wären sie verboten". Sich alle vier Jahre die Visagen aussuchen zu dürfen, die einem erzählen, ihre Politik sei - der Sachzwänge wegen - "alternativlos", d.h., sie hätten keine Entscheidung getroffen, d.h., sie seien - im wahrsten Sinne - "macht-los" und damit vollkommen überflüssig, hat nicht das Geringste mit einer Herrschaft des Volkes zu tun. Die Teilnahme an dieser Posse ist moralisch als Legitimierung und Einverständniserklärung mit der gleichmacherischen Diktatur der Parteien zu werten. Erst, wenn jeder Einzelne seinen Willen bezüglich der ihn betreffenden Themen einbringen und seine eigenen Interessen vertreten kann, sollte man von einer "Herrschaft des Volkes" reden dürfen.

     

    Die Demokratie fragt übrigens nicht nach der Abiturnote. Freiheit bedeutet, auch eine dumme Entscheidung treffen dürfen und dafür geradezustehen. In der jetzigen Konstellation jedoch werden Entscheidungen über die Köpfe der "Armen" und "Dummen", äh, "Bildungsfernen" hinweg getroffen, und folgerichtig weisen diese aus dem Gefühl der Machtlosigkeit heraus auch die Verantwortung für die Konsequenzen von sich. Der Gedanke dahinter: hätte man sie gefragt, anstatt auf die ganzen oberschlauen Experten zu hören, gäbe es die Misere überhaupt nicht. Reicht doch, daß sie - im Gegensatz zu den Macht-Habern - die Suppe auslöffeln müssen.

  • B
    Björn

    Wie gleich Nichtwähler im allerersten Post wieder als Faulpelze hingestellt werden.

     

    Sehr geehrter Gregor.

    Ich habe seit 2009 nicht mehr gewählt, und das liegt in keiner Weise daran, dass ich einen gemütlichen Sonntagnachmittag opfern müsste.

    Denn seit 5 Jahren ist es mir recht egal welchen Tag wir haben. Wenn ich das möchte ist jeder Nachmittag ein gemütlicher.

     

    Ich habe Abitur, habe studiert und habe eine abgeschlossene Ausbildung. Ich denke man kann mich nicht wirklich zu den so genannten "bildungsfernen Schichten" zählen.

     

    Und trotzdem wähle ich nicht mehr. Und warum?

    Weil ich mit meiner abgegebenen Stimme einer Partei mein Mandat gebe. Und seit 2006 hat sich keine Partei dieses Mandat verdient. Weder die CDU/CSU, FDP, SPD, Bündnis 90/die Grünen noch die Linke.

    Das ich wahrscheinlich nie eine Partei finden werde, die meinen Einstellungen und Prinzipien verkörpert ist mir klar. Aber ich weigere mich einfach das geringste Übel zu wählen. ´Tschuldigung mache ich nicht. Werde ich jemals wieder wählen? Das will ich doch hoffen.

    Aber so lange alle Parteien, bis auf die Linke, sich rein und ausschließlich auf die Mitte konzentrieren, wird niemand mein Mandat bekommen.

     

    Nochmal, ich wähle so lange nicht mehr, bis eine Partei für mich UND für Deutschland mehr Positives als Negatives zu bieten hat.

  • V
    Verzweifelt

    "Aber eigentlich müssten die Parteien selbst ein Interesse daran haben. Es geht darum, dass ein Kern der Demokratie, politische Gleichheit, also die gleiche Berücksichtigung von Interessen, nicht weiter untergraben wird."

     

    Dies würde aber vorraussetzen, dass es den Politikern tatsächlich um Demokratie, Gleichheit und Berücksichtung von Interessen geht. Das tut es aber gerade nicht. Die meisten Politiker erwecken den Eindruck, als ginge es ihnen nur um die persönliche Bereicherung, Posten, die eigenen Interessen und die, deren Marionetten sie sind. Eklatantestes Beispiel der letzten Zeit war Wulff. Dem, nebenbei bemerkt, problemlos vom Parlament unglaubliche Bezüge nebst Büro und Fahrer genehmigt wurden. Das macht verdrossen, wütend und frustriert. Solange sich daran nichts ändert, werden nicht mehr Leute wählen gehen. Die Politik hat aber überhaupt kein Interesse daran, dass die unteren Schichten wählen gehen, denn die könnten sie ja abstrafen, sprich abwählen, weil sie nur die Bedürfnisse der sog. Eliten bedienen. Ich wähle immer. Eine Partei, von der ich mich vertreten fühle, gibt es seit knapp 20 Jahren nicht mehr. Ich wähle das kleinste Übel. Doch selbst die Suche nach dem kleinsten Übel wird von Wahl zu Wahl schwerer. Die Parteien sind beliebig und austauschbar. Sie sind alle gleich, weil es ihnen nur um den eigenen Vorteil geht.

  • N
    NorbertDasErpeltier

    Sehr Interessantes Interview, Danke! Meine Generation (Ich bin Jahrgang 86) hat politisch bereits nichts anderes mehr erlebt als Parteien die inhaltlich kaum voneinander zu unterscheiden sind. Selbst innerhalb der kapitalistischen Sachzwänge, die ja ohnehin wenig Spielraum erlauben, hat die "rohe Bürgerlichkeit" das Sagen.

    Ich erinnere mich noch gut an meine erste Bundestagswahl 2005. Mein Vater erklärte mir wie gefährlich die CDU doch sei (damals noch mit Kirchoff Flat Tax, wenn ich mich richtig erinnere) doch ich konnte nicht anders als mich zu fragen inwiefern die SPD und die Grünen denn besser seien.

    Zugegeben, es gab die Linkspartei, doch die quoll damals vor antisemitischen Israelhassern nur so über, so dass mein erster Akt als Wähler war: Nicht zu wählen. Eine völlig rationale ENtscheidung, bei der ich bisher geblieben bin.

  • GK
    Gregor Kochhan

    Liebe taz,

    vielleicht könnt Ihr mal aufhören, von "sozial Schwachen" zu schreiben. Das Bild, das beim Lesen solcher Begriffe entsteht, verfestigt nur die Ausgrenzung. Von mir aus bitte "finanziell Schlechtgestellte", "sozial Benachteiligte" oder schlicht "Arme". Sozial schwach sind für mich die Westerwelles, Sarrazins oder gerne auch Schröders dieser Republik.

  • T
    Tispjg

    Er ist ein Wissenschaftler, forscht über politische ungleichheit, erwähnt aber leider nicht einmal die unterschiedliche Behandlung der hier ansäßigen Ausländer (Steuerbürger) hinsichtlich des kommunalen Wahlrechts. Schade! Ein Teil der Ausländer, Steuerbürger ( Türken, Araber..) darf nicht einmal wählen, wenn sie sogar ein halbes Jahrhundert hier in Berlin gelebt haben. Der andere Teil der Ausländer darf aber schon mit 16 Jahren und einem 3-monatigem Aufenthalt wählen. Warum? Sie sind alle Ausländer und besitzen fremde Pässe. Warum dieser Unterschied? Wie lange müssen wir dies dulden bzw. gegenüber dem schweigen. A.Akin Tispjg für mehr Demokratie

  • R
    routier

    Bei dem abgehobene Schund den einige Politiker in Deutschland verbocken, brauch man sich nicht wundern. Andererseits würde ich -wie in der Schweiz, eine Wahlpflicht einzuführen. Wer nicht wählen geht, muss zahlen. Leider kann man hier keinen abwählen wie in der Schweiz (direkte Demokratie). Ansonsten wird das Desinteresse immer größer, also Piraten wählen und sich engagieren.

    ciao

  • H
    Hasso

    Arme zahlen keine "Bestechungsgelder" an die Parteien!

    Die Politiker vertreten die, die sie reich machen. Ginge alle "Betrogenen" schön zur Wahl und würden statt SPD die Linken wählen und die SPD käme nur noch auf weniger als 20%, dann würde die SPD auch wieder das, was sie vor langer Zeit einmal war-nämlich eine Arbeiter-Partei. Die schauen nur: "Wenn am Sonntag Wahlen wären"... und danach machen sie ihre Politik. Hat man genug Prozente um mit einer anderen Partei zu Klüngeln, braucht man sich um die "Arschlöcher der Gesellschaft" nicht zu kümmern. Eigentlich schafft der Wähler die Demokratie ab, weil er sich alles gefallen lässt und leider nicht wählen geht oder stets die "falschen Osterhasen" wählt. Die Linke kann zwar das System nicht abschaffen, aber den "Drecksäcken" entgegen wirken.

  • A
    ARMUTSRENTNER

    Das die meisten Nichtwähler arm sind bzw. durch eine diskriminierende Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik zumeist unverschuldet arm geworden sind, heisst doch noch lange nicht das diese Menschen auch ungebildet sind.

    Als Wähler gebe ich ja ein Stück weit Verantwortung an die Partei bzw. den Abgeordneten den ich wähle ab, hinzu kommt ein hohes Mass an Vertrauen.

    Gerade der Arme, egal ob Erwerbsloser, Dumpinglohnsklave, oder Armutsrenter fühlt sich besonders betroffen und verletzt, wenn er merkt wie sich die Personen und Parteien die er einst gewählt hat sich bloss die eigenen Taschen füllen und obendrein dafür sorgen, dass es ihm Jahr um Jahr immer schlechter geht. Wer gibt schon gerne Vertrauen und Verantwortung in Hände die dasselbe immer nur missbrauchen und enttäuschen? Kein Wunder das viele Menschen nicht mehr wählen gehen!

  • G
    Gregor

    Nach einer Seite Interview-Sozio-Geschwurbel sind Ursache und Wirkung verdreht.

     

    Wer das hart erkämpfte gleiche, unmittelbare, freie und geheime Wahlrecht für einen gemütlichen Sonntagnachmittag opfert, der hat es nicht anders verdient!

     

    Wie wäre es, die Nichtwähler GEHEN EINFACH WÄHLEN?

  • R
    reblek

    "Bei den Bundestagswahlen 2009 lagen in Leipzig 33 Prozent zwischen den Stadtteilen mit der höchsten und der niedrigsten Beteiligung, in Nürnberg waren es sogar 40 Prozent." - Wie viele Bundestage sind 2009 in wie vielen Wahlen bestimmt worden? Ach, nur einer wurde gewählt? Und warum dann "Wahlen"?

    "In der Agenda-Politik unter Gerhard Schröder spielten die Interessen der Erwerbslosen und Einkommensschwachen keine Rolle mehr." - Das ist ziemlich falsch: Sie wurden mit Füßen getreten.

    "... welche Chancen Menschen mit geringen Schulabschlüssen..." - Soweit ich weiß, hat niemand "Schulabschlüsse". Wer hat, hat lediglich einen Schulabschluss.

    "Kennen Sie einen führenden SPD-Politiker mit Erwerbslosenhintergrund?" - Es lohnt sich ein Blick in die Piraten-Fraktionen.

    "Vielleicht sollte man die Parteienfinanzierung stärker an der Wahlbeteiligung ausrichten?" - Vor allem sollte die Zusammensetzung der Parlamente nach der Wahlbeteiligung bestimmt werden. 60% Wahlbeteiligung - 60% der Mandate.