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Aufzeichnungen aus MoabitHoneckers letzte Aufgabe

Erich Honeckers Aufzeichnungen aus dem Gefängnis Berlin-Moabit sind ein Bestseller. Der einst mächtigste Mann der DDR schreibt nüchtern, knapp und unbeirrbar.

Lob aus dem Knast in Moabit: „Die Leute von der taz sind gut. Bringen jeden Tag eine Zeitung heraus (...)“, findet Honecker. Bild: dpa

Wie hat der an einem Lebertumor erkrankte Erich Honecker die 169 Tage erlebt, die er vom Sommer 1992 bis zum Januar 1993 in der Untersuchungshaftanstalt in Berlin-Moabit verbracht hat, nachdem er von Russland nach Deutschland ausgeliefert worden war?

Darüber gibt das Buch „Letzte Aufzeichnungen“ Aufschluss, eine Mischung aus Anmerkungen zum Tage, Kommentaren zu Zeitungsartikeln, dem Verfahren gegen ihn, seinen Gesundheitszustand und Worten an seine Frau Margot in Chile. Auf Anraten seines Anwalts Friedrich Wolff hatte Honecker, der dieses Jahr im August 100 Jahre alt geworden wäre, mit den Notizen begonnen.

Geschrieben sind sie so, wie der einstig mächtigste Mann der DDR als Politiker war: nüchtern, knapp und unbeirrbar an seinen Idealen festhaltend. Nur ganz selten blitzt so etwas wie Spott durch, so wie am ersten Tag der Aufzeichnungen, dem 29. Juli 1992.

Da beschreibt er den Anflug auf Berlin und den Blick auf den Fernsehturm: „Der Turm steht immer noch auf Berliner Boden. Wie ich hörte, soll noch die Eigentumsfrage von Grund und Boden geklärt werden. Ja, daran haben wir wohl damals nicht gedacht. Ich weiß auch nicht, wem er gehört. Früher gehörte er dem Volk.“

Den Haftbefehl gegen ihn nennt er wahlweise „eine Komödie“, „einen Hexenprozess“ oder „Sippenhaft“. Auch angesichts der Tatsache, dass er schon 1935, nachdem er von der Gestapo verhaftet worden war, anderthalb Jahre in Moabit in Untersuchungshaft gesessen hat, bleibt er ohne große Emotionen. „Nach 57 Jahren sehe ich den Komplex Moabit also wieder von innen. Für wie lange wird es diesmal sein?“

Dass ihn Erich Mielke ignorierte, der einstige Stasichef, dem er von seiner Zelle aus „Rot Front!“ in den Hof zurief, irritierte Honecker zumindest. „Gestern hatte ich das Glück, nach so langer Zeit Erich Mielke zu sehen. Offensichtlich wollte er nicht reagieren. Ich kann und will nicht glauben, dass er so fertig ist.“

Bei der taz steigt der Blutdruck

Am 2. August 1992 taucht in Honeckers Aufzeichnungen die taz auf, die Gefangene kostenlos bekommen, und die Honecker regelmäßig neben dem Neuen Deutschland und der Wochenzeitung der DKP las. „Mein Blutdruck ist 200 zu 160, so hoch wie noch nie. Die Leute von der taz sind gut. Bringen jeden Tag eine Zeitung heraus, obwohl auch sie nicht in Ordnung ist.“ Worauf er sich dabei bezog, darüber geben die Notizen leider keinen Aufschluss.

Das Büchlein, das zu fast einem Drittel aus Fußnoten besteht, ist in wenigen Stunden gelesen. Überraschungen bietet es nicht. Seine Frau Margot nennt er „meine Kleine“ oder „mein Liebes“, ihre Landung in Chile ist für ihn „eine Erlösung“, akribisch erstattet er Bericht über seinen Bluthochdruck, „beglückt“ ist er zu seinem Geburtstag „von Gratulanten aus Berlin, allen früheren Bezirken der DDR, aus Grundorganisationen der Partei und deren Leitungen, von Einzelpersonen und früheren Freundschaftsgesellschaften“. Bei einem Besuch seiner Tochter und seiner Enkelin „drückten zum ersten Mal bei mir die Tränen“.

Über das Interesse der Presse an dem bevorstehenden Prozess notierte er: „Es lässt mich nicht unberührt, aber es regt mich auch nicht sonderlich auf.“ Vielleicht sei „die relative Gleichgültigkeit“ aber auch die Folge seiner Medizin gegen den Bluthochdruck.

Ab und an macht Honecker Andeutungen, die er aber nicht weiter vertieft. „Ich kann nur schwer wegstecken, was jetzt alles auf mich einstürmt.“ Stattdessen zeigt er sich standhaft und kämpferisch. „Solange ich lebe, werde ich mich offensiv verteidigen. Dies bin ich in erster Linie den Bürgern der DDR schuldig.“

Seine Frau lässt er wissen: „Ich hoffe sehr, dass ich in der Lage bin, unsere Sache, die Sache der Republik, zu vertreten. Das sehe ich als meine letzte Aufgabe an.“

Bisher wurden 40.000 Exemplare der „Letzten Aufzeichnungen“ verkauft. Nach Angaben des Verlages haben Agenturen aus Spanien, Vietnam, Dänemark und Italien Interesse an der Übersetzung angemeldet. Vielleicht meldet sich ja bald auch eine Agentur aus Nordkorea, dem Land, das Honecker Asyl angeboten hatte.

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6 Kommentare

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  • S
    Sven

    Honecker hat also in seinen Aufzeichungen die "taz" erwähnt. Lob vom großen Diktator, also von allerhöchster Stelle... das muss Euch von der "taz" doch nun aber mächtig stolz machen, oder?

  • WD
    Walther Döring

    Die Menschen, die er an der Mauer hat abknallen lassen, die können keine "Aufzeichnungen" mehr verfassen. Wenn es umgekehrt gekommen wäre, also die Deutsche Politelite den "Gesinnungsrussen" (siehe Zitat von Kurt Schumacher) in die Hände gefallen wäre, dann hätten die erst alle vor einen dieser Mörder-Richter gezerrt um sie dann nach dem "Urteil" innerhalb von 24 Stunden zu hängen oder erschießen. Dass er und andere dieser Typen ihre Überzeugungen hatten, das mag ihnen bleiben und von mir aus können die das für die Ewiggestrigen aufzeichnen. Dass sie aber die Ermordeten niemals mit einem Bedauern bedacht haben, da sei ihnen niemals verziehen.

  • TT
    Thomas Trasolt

    "standhaft und kämpferisch" bleibt er "unbeirrbar" seinen Idealen treu.. Habt Ihr den Kommentar aus dem Neuen Deutschland übernommen?

  • R
    Robert

    Und das ist jetzt Journalismus? Oder wie?

     

    Der Mann hat 'ne Menge falsch gemacht. Und Schuld auf sich geladen. Keine Frage. Gefragt aber sollte auch mal, was die geborenen Demokraten West- und Ostdeutschlands so Heldenhaftes geleistet haben, als Honecker 10 Jahre im Naziknast saß. Ich jedenfalls kann mir sehr gut vorstellen, daß einem dort der Humor für längere Zeit abhanden kommt.

     

    Immer wieder dieses blöde, kenntnisfreie und an Erkenntnis auch gar nicht interessierte Geschreibe in der taz. Widerlich.

  • RM
    Rote Mörder

    Solche Storys liest man in der taz. Über Weisensee, Bautzen und die Leichenberge der "Linkspartei" liest man natürlich nichts. So muß es mit den Altnazis früher gewesen sein. Nur hatten die keine Kollaborateure die mit ARD, ZDF oder eben taz auf sie warteten nachdem der Führer der Freitod(schnief) wählte. Nüchtern, knapp und unbeirrbar.