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Konflikt bei LebensmittelbehördeGenkontrolleure, die die Seite wechseln

Die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa gibt Interessenkonflikte von Exmitarbeitern zu und will Abhilfe schaffen. Kritiker halten die Maßnahmen für unzureichend.

Vertrauliche Daten? Besser nicht mitnehmen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa hat erstmals zugegeben, dass sie Interessenkonflikten ihrer Mitarbeiter nicht ausreichend vorgebeugt hat. „Bedauernswerterweise“ sei man entsprechenden Informationen nicht nachgegangen, heißt es in einem Schreiben der Behörde an den Europäischen Ombudsmann.

Hintergrund ist ein Fall, den der gentechnikkritische Verein Testbiotech im Jahr 2009 öffentlich machte: Eine ehemalige Mitarbeiterin der Aufsichtsbehörde – bis 2008 Leiterin des Bereichs Gentechnik – war direkt nach ihrem Ausscheiden zum Gentechnikkonzern Syngenta gewechselt. Testbiotech wies die Behörde auf mögliche Interessenkonflikte hin; als die nicht zufrieden stellend reagierte, schaltete der Verein den Ombudsmann ein.

„Sie ist mit ihrem ganzen Wissen und ihren ganzen Kontakten in die Industrie gewechselt“, kritisiert Christoph Then von Testbiotech den Vorfall. In dem Verfahren, bei dem die Behörde über Anträge entscheiden und Risiken abwägen solle, nehme die ehemalige Mitarbeiterin jetzt die Gegenposition ein: die Efsa zu überzeugen, möglichst schnell und im Sinne des Unternehmens zu entscheiden. Die Behörde hätte den Wechsel genehmigen müssen und dabei beispielsweise Auflagen erteilen können – wie etwa, dass die ehemalige Mitarbeiterin in ihrem neuen Job nicht im gleichen Bereich arbeitet.

Ombudsmann Nikiforos Diamandouros forderte die Behörde auf, Maßnahmen zu ergreifen, um derartige Vorfälle in Zukunft zu vermeiden. Die Behörde müsse „ihre Regeln und ihr Vorgehen im Hinblick auf die künftigen Jobs von Mitarbeitern strenger gestalten“, schrieb Diamandouros nach einem längeren Briefwechsel an die Efsa. Die zeigte sich nun reuig: Man habe aus dem Vorfall gelernt. So würden die Mitarbeiter bei Schulungen auf potenzielle Interessenkonflikte hingewiesen, es gebe einen Ethikberater, außerdem halte man sich offen, Mitarbeiter in andere Abteilungen zu versetzen oder von Vorgängen auszuschließen, wenn ein potenzieller Konflikt auftrete, heißt es in dem Schreiben.

„Ehemalige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können während eines Zeitraums von einem Jahr ab Aufnahme einer neuen Aufgabe dazu aufgefordert werden, für den neuen Arbeitgeber in Fragen, die ihren früheren Tätigkeitsbereich bei der Efsa berühren, nicht als Kontaktstelle mit der Efsa zu fungieren“, ergänzt Efsa-Sprecher Steve Pagani. Die neuen Regeln seien bereits „in einer Reihe von Fällen“ umgesetzt worden.

Andererseits bezeichnet die Lebensmittelbehörde das Problem als „marginal“: Von 19 Personen, die die Efsa 2011 verlassen hätten, seien zwei in den industriellen Sektor gewechselt – eine davon zu einem Unternehmen, das im Aufgabenbereich der Efsa arbeite.

Then reichen die Ankündigungen nicht aus. „Bei Leitungspositionen sollte so ein Wechsel erst nach mindestens 18 Monaten möglich sein“, fordert er. Auch Auflagen würden nicht unbedingt helfen – schließlich könne der gewechselte Mitarbeiter gute Kontakte einfach weitergeben. Derartige Fälle würden die Autorität der Behörde gefährden.

Then hat gerade erneut an den Ombudsmann geschrieben. Wieder geht es um mögliche Interessenkonflikte – diesmal eines Mitarbeiters, der mit dem International Life Sciences Institute (Ilsi) kooperiert haben soll. Das wird von Konzernen aus der Lebensmittelindustrie getragen. Beziehungen zwischen dem Ilsi und der Behörde stehen immer wieder in der Kritik: Erst kürzlich war die Vorsitzende des Efsa-Verwaltungsrates zu dem Institut gewechselt.

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1 Kommentar

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  • S
    spiritofbee

    Es sollte doch inzwischen fast jedem klar sein, das es in allen sogenannten "unabhängigen" Instutitionen fast schon die Norm ist, Böcke zu Gärtnern zu machen.

    Das sich hier auch grüne Politiker nicht zu schade sind um zu Protagonisten der industriellen Interessen zu werden, ist im Besonderen zu bedauern.

    Die geforderten Fristen dienen eher dazu, das mangelnde Gedächnis der Öffentlichkeit zu bedienen. Gut gepflegte Netzwerke überdauern 18 Monate Wartezeit doch wohl spielend. Die Zeit kann man doch locker damit verbringen Golf zu spielen oder Expertisen und Gutachen zu schreiben......