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Kommentar SonderwirtschaftszonenMit Niedrigsteuern gegen Schulden

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die Bundesregierung möchte die Krise in Südeuropa bekämpfen: mit Sonderwirtschaftszonen und Niedrigsteuern. Als ob das Problem an zu hohen Staatseinnahmen läge.

D arauf muss man erst mal kommen: Mit Sonderwirtschaftszonen, in die Unternehmen mit Niedrigsteuern angelockt werden sollen, will die Bundesregierung angeblich die Krise in Südeuropa bekämpfen – als ob das Problem dort nicht an zu niedrigen, sondern an zu hohen Staatseinnahmen liegen würde.

Einen ähnlichen Vorschlag hatte Wirtschaftsminister Philipp Rösler schon im vergangenen Jahr gemacht. Wenn diese Forderung nun tatsächlich offizielle Position der Bundesregierung würde, wäre das – ganz abgesehen von möglichen Problemen mit dem europäischen Wettbewerbsrecht – ein Rückfall in alte Fehler. Der Wettbewerb der Mitgliedstaaten um niedrigere Steuern, den auch Deutschland mit vorangetrieben hat, ist ein wesentlicher Grund für die schlechte Situation vieler Staatshaushalte.

Auf EU-Ebene setzt sich gerade mühsam die Erkenntnis durch, dass eine steuerliche Harmonisierung mit Mindestsätzen, die von niemandem unterschritten werden dürfen, eine wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Währungsunion sind. Und dass zur Bekämpfung der Rezession in vielen europäischen Staaten neue Einnahmen nötig sein werden, ist auch kaum zu bestreiten.

taz
MALTE KREUTZFELDT

ist Parlamentsredakteur der taz mit Schwerpunkt Wirtschafts-und Umweltpolitik.

In den betroffenen Ländern, das ist zudem abzusehen, werden die neokolonial anmutenden Vorschläge von rechtsfreien Räumen im eigenen Land zudem die Vorbehalte gegen Europa und speziell Deutschland weiter verstärken. Zumal auch die anderen Vorschläge wie ein besseres Ausbildungssystem und Arbeitsmarktreformen sicher nicht alle verkehrt sind, aber in ihrer Häufung doch sehr den Eindruck vermitteln, dass am deutschen Wesen die EU genesen soll.

Wenn die Regierung wirklich an Wachstum und Konsolidierung interessiert ist, sollte sie diese Pläne noch einmal gründlich überarbeiten.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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8 Kommentare

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  • K
    khaproperty

    Nun gut, was soll man schon erwarten von linker Ideologie und ökonomischer Ahnungslosigkeit.

     

    Natürlich sind im konkreten Fall Griechenland et alt Sonderwirtschaftszonen Unfug, weil dort ohnehin kaum Steuern bezahlt werden, was sich auf absehbare Zeit kaum ändern wird.

     

    Unternehmen werden auch dann nicht investieren, wenn es denn derartige Vorteile tatsächlich gäbe, denn dieser staatliche Subventionismus führt allenfalls zu Mitnahmeeffekten bei sehr kurzfristig kalkuierten Investitionen, welche dem Lande nichts brächten.

     

    Dies läßt sich am Schwachsinn der versuchten Energiewende in Deutschland gut beobachten - nichts als dummes Zeug, sehr teures für den Steuerzahler dazu. Ganz wie beim komatösen Euro.

  • T
    Theohamburg

    bevor man sich an zu hohe oder zu niedrige Steuersätze heran wagt sollte eines klar sein: Wie bewegt man die Südländer, insbesondere die Griechen dazu, überhaupt Steuern zu zahlen? Dazu muss doch erst einaml eine stringente, vernetzte Struktur geschaffen werden, die eine genaue Erfassung vom Einwohnermeldeamt über das Kataster-, Gewerbe- u. Finanzamt etc. sicherstellt, auf dem neusten Stand ist und keine Schlupflöcher, Extrawürste noch Schlendrian ermöglicht. Erst wenn ALLE am selben Strick ziehen wird sich keiner mehr verabschieden oder eben entsprechender Strafverfolgung sicher sein

  • G
    Gabriel

    Da wir mit den BRIC-Staaten konkurrieren, wären zeitlich begrenzte Sonderwirtschaftszonen eine Lösung. Die gibt's dort auch. Diejenigen, welche gegen Wachstum sind, wollen allerdings Lohnwachstum. Bezahlt von wem?

  • S
    Stev

    Sonderwirtschaftszonen etc ... von China lernen heißt siegen lernen. Da zahlen sich die vielen Dienstreisen der Politik nach China endlich aus.

  • A
    An_Michael

    Ich wundere mich eher darüber, daß völlig unkritisch behauptet wird, daß es Haushalt durch höhere Einnahmen besser ginge. Wenn sich Unternehmen in Griechenland ansiedeln, bezahlen diese nicht nur Steuern, sondern auch Angestellte, die jetzt vom Staat durchgefüttert werden, obwohl sie arbeiten wollen. Ob das gelingt, ist dann der Knackpunkt. Aber einfach nur "Steuern rauf und alles wird gut!" zu sagen, gerade in Griechenland die öffentliche Hand für private Gefälligkeiten gerne Geld verschleudert hat, also ne, ehrlich, taz, kommt schon!

  • G
    Gabriel

    Sondertwirtschaftszonen sind sinnvoll, denn wir konkurrieren mit den BRIC-Staaten. Und da gibt's die auch. Südeuropa hat Probleme, da wenig Steuern bezahlt werden, und wenig auf den Weltmarkt exportiert wird. Deutschland hat dagegen eine interessante Industriestruktur entwickelt, die ihren Platz auf dem Weltmarkt hat. Eine europa-zentrierte Politik, wie vom werten Kommentator vorgeschlagen, schaut zu kurz.

  • H
    Hermeneut

    Ich lese hier eher eine Empfehlung für eine Konsolidierungsmaßnahme raus, stimme prinzipiell Malte Kreutzfeld zu und möchte seine Feststellung noch erweitern. Da das Währungsystem des Euros tatsächlich ein in der Sache kriminelles (wer jetzt lacht stolpert über seine Unkenntnis) aber dennoch legalisiertes Schuldengeldsystem mit der staatlichen Erlaubnis zur Bereicherung durch einen simplen aber genialen Trick für wenige private Banken ist, wundern mich die Pläne der Bundesregierung nicht. Es passt genau in die für alle offen und klar sichtbatren Versklavungsabsichten der mit dem Großkapital hantierenden sogenannten Eliten. Mit den systemimmanenten Banken und dem damit verbundenen Werkzeug des Euro wird ein noch viel stärker versklavtes Europa herauskommen, da die tatsächlich wertschöpfenden Kräfte vom Schuldensystem beinahe vollautomatisch abgesaugt werden. Es gibt auch nicht den geringsten Anlass zu irgendeiner Art von Hoffnung, solange nicht die europäischen Staaten das Geld selbst drucken. Da es offiziell keine Kritik gegen das Schuldensystem geben darf, muss eine öffentliche Vernebelungstaktik in den von eben jenen von Großkapitalisten kontrollierten Medien gefahren werden. Grundsätzlich könnte der Kapitalismus das gerechteste aller Wirtschaftsysteme sein. Mit einer machtsüchtigen Gruppe ohne jede innere Humanität an den politischen Hebeln wird es zu einer noch weitaus schlimmeren Unterjochung kommen. Es ist der offen sichtbare stillschweigende Konsens der angesprochen Gruppierungen, möglichst jede politische Aktion unter ihre Kontrolle zu bekommen und es bedarf deswegen noch nicht einmal einer kruden Verschwörungstheorie. Alles liegt glasklar vor Augen und bestätigt sich jeden Tag auf`s neue. Die kriminelle Energie der superreichen und mächtigen "Bangster" hat sich in der Geschichte oft genug bewiesen. Ich gebe zu bedenken, Kräfte wie JFK und viele andere US- Präsidenten, die gegen das Ausbeutersystem der privaten Bankiers kämpften, wurden alle ermordet, wenn es den Bankern zu brenzlig wurde. D. Rockefeller hat sich für das jahrzehntelange Stillschweigen der Journalisten ganz offiziell bedankt, was die unverschämte dreiste Offenheit derart gesinnter Geister zeigt. Gegen diese gewalttätig handelnden Kräfte, die ihr weltweites privates Imperium genüsslich und beinahe ganz wie von selbst ausbauen, ohne sich untereinander verschwören zu müssen, gibt es außer einem gerechtem Geldsystem keinerlei geeigneten Mittel. Einer ihrer Sprecher lautet Mario Draghi, deren Ansicht ich hier gerne noch einmal sinngemäß wiederhole. Das Sozialstaatsmodell hat ausgedient.

  • M
    Michael

    "Wenn die Regierung wirklich an Wachstum und Konsolidierung interessiert ist, sollte sie diese Pläne noch einmal gründlich überarbeiten."

     

    Ich wundere mich doch immer wieder, mit welcher Selbstverständlichkeit häufig auch in der taz in Texten das allgemeine Mantra vom ewig guten Wachstum runtergebetet wird.