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Rechtsextreme in Polen und der UkraineWhite Pride Worldwide im Stadion

In England sorgt man sich um die Sicherheit der Fans bei der EM. Schwarze Nationalspieler warnen Fans vor einem Besuch des Tuniers. Gastgeber und Uefa reden das Problem klein.

Der ehemalige Nationalspieler Sol Campbell rät: „Bleiben Sie zu Hause (...), sonst könnten Sie am Ende in einem Sarg zurückkommen.“ Bild: dpa

BERLIN taz | Deutsche Politiker diskutieren, ob sie ein Zeichen für die Menschenrechte setzen, wenn sie die Fußball-EM in die Ukraine boykottieren. Derweil wird in England eine Debatte über die Frage geführt, ob ein Trip gen Osten für Fans mit afroamerikanischen oder asiatischen Wurzeln nicht zu gefährlich ist.

Ausgelöst wurde die Diskussion über Rassismus im ukrainischen und polnischen Fußball durch die BBC-Doku „Stadien des Hasses“. Sie zeigt Bilder aus dem Ligaalltag: faschistische Symbole in den Kurven, antisemitische Beschimpfungen der Gegner und Angriffe gegen asiatische Zuschauer.

Für Aufsehen haben zudem die Bekenntnisse der Familien der beiden schwarzen englischen Nationalspieler Theo Walcott und Alex Oxlade-Chamberlain gesorgt, die aus Angst vor rassistischen Übergriffen nicht zu dem Turnier reisen werden. Im Film appelliert der ehemalige Nationalspieler Sol Campbell an die englischen Fans: „Bleiben Sie zu Hause, sehen Sie sich die Spiele im Fernsehen an. Riskieren Sie nichts, sonst könnten Sie am Ende in einem Sarg zurückkommen.“

EM 2012

Das Programm: Gelingt der deutschen Mannschaft der Triumph bei der Fußball-EM? Können die Spanier sich und und alle berauschen? Wie gut sind die Italiener und Franzosen, wozu sind die ambitionierten Polen und Ukrainer fähig? Bringt die EM einen Hauch Freiheit in die Ukraine oder werden wir ein Turnier unter der Knute erleben? Lesen Sie täglich Analysen, Reportage, Kommentare, Hintergrundberichte und Glossen zur EM 2012 - in der EM-taz und auf taz.de. Für alle was dabei – für Fußballcracks, Eventgucker und Fußballmuffel.

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Das Team: Aus den Stadien und dem Quartier der deutschen Mannschaft berichten die taz-Sport-Redakteure Andreas Rüttenauer und Markus Völker. In Warschau beobachtet Polen-Korrespondentin Gabriele Lesser das Geschehen, in Kiew taz-Autor Juri Durkot. In Berlin freuen sich auf die EM: Svenja Bednarczyk, Frauke Böger, Michael Brake, Jan Feddersen, Enrico Ippolito, Johannes Kopp, Felix Laurenz, Barbara Oertel, Erik Peter, Jan Scheper und Deniz Yücel.

Die Mehrheit der sonst so reisefreudigen Three-Lions-Anhänger hat bereits reagiert und verweigert sich einer Reise in die Ukraine. Für die drei Vorrundenspiele in Donezk und Kiew hat der englische Fußballverband lediglich 7.000 von 21.000 Tickets abgesetzt.

Ernstzunehmende Warnungen

Ein Blick in die Stadien der Gastgeberländer zeigt, dass die Warnungen alles andere als Panikmache sind. Denn die Fanszenen aller großen Vereine in den acht Austragungsstädten sind von Neonazis durchsetzt oder werden von ihnen dominiert. Neben Affengeräuschen und diffamierenden Gesängen finden sich allein aus der vergangenen Saison unzählige sichtbare Beispiele für die rechtsextreme Einstellung des harten Kerns der Fans von Charkow bis Warschau.

In Kiew posieren Fans mitten im Dynamo-Fanblock mit einer „White Pride Worldwide“-Fahne, bei Karpaty Lwiw zeigt man sich solidarisch mit dem inhaftierten italienischem Neofaschisten Alberto Palladino, genannt „Zippo“, und die Fans von Metalist Charkow posieren mit Schals oder sprayen Graffiti, die sich rechter Zahlencodes bedienen.

Mindestens so virulent ist die Problematik in Polen. Für einen Großteil der Fanszenen gehört die ständige Positionierung am rechten Rand unabdingbar zur Identität als Fußballfan. Während sich verfeindete Hooligans regelmäßig erbitterte Schlachten liefern, teilt man sich im Stadien die Insignien. Neuester Schrei sind Transparente mit durchgestrichenem Che-Guevara-Konterfei sowie Hammer-und-Sichel-Symbole.

„Good Night Left Side“-Aufkleber

Doch nicht nur der Antikommunismus ist up to date. Beim Kurven-Vorsänger von Lech Poznan klebt ein „Good Night Left Side“-Aufkleber auf dem Megafon, beim polnischen Meister Slask Wroclaw huldigt man mit tribünengroßen Choreografien dem polnischen Nationalismus, und bei Legia Warschau sammelt sich eine ganze Kurve hinter dem Banner „White Legion“, das zur weltanschaulichen Verdeutlichung auch gern mit dem faschistischen Wolfsangel-Symbol verziert wird.

Solche Bilder sind von der EM nicht zu erwarten, doch außerhalb der Stadien könnte es für Fans gefährlich werden. Aber davon will man in der Ukraine nichts wissen, wie die Reaktion von Oleg Woloschin, Sprecher des Außenministeriums, auf die Dokumentation zeigt: „Ein unglaublicher Bericht, verfasst in der besten Tradition sowjetischen Propagandajournalismus. Die Ukraine ist eine der führenden Nationen in Europa, wenn es um religiöse und ethische Toleranz geht.“

Uefa-Chef Michel Platini stimmt in die Verharmlosung ein, wenn er sagt: „Ich hoffe, die Fans werden sich benehmen, aber wir werden sehen. Probleme gibt es bei jedem Turnier.“

Es bleibt das Prinzip Hoffnung, dass sich die Befürchtungen nicht bewahrheiten. Sol Campbell hätte sich indes gewünscht, die Uefa hätte den Bewerberländern von vornherein gesagt: „Solange es keine massive Verbesserung der Zustände gibt, verdienst du es nicht, solch prestigeträchtige Turniere auszutragen.“ (mit dapd)

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16 Kommentare

 / 
  • F
    Felek

    @Basia

     

    Meinst Du den "Marsch Niepdleglosci" (Unabhangigkeitsmarsch)? Der von rechten (Achtung,das ist NICHT das Gleiche wie rechts in Deutschland!!!)/konservativen Grupp.org. worden ist und zu dem ALLE gekommen sind? Ich war da und habe mir auch die Gegendemo./illegale Blockade angeschaut und bin zu folgendem Schluss gekommen:

     

    Die, welche man als "Faschisten" verschrien hat waren zum 95% extrem lässige Leute,mit denen man ein vernünft. Gespräch führen konnte. Das Gleiche kann ich leider NICHT für die Gegenseite sagen (Google mal "widzialem naziola", wenn Du beim Marsch nicht dabei wars und siehe selbst), dort ist eine eigene Meinung haben (und nicht ihre) streng faschistisch.Habe auf dem Marsch einige Homosexuelle kennen gelernt, welche bei den Linken untendurch sind-da katholisch und konservativ.So viel zum Inklusiven.

     

    Das einzige, wovor ich britische Touristen gerne warnen würde, ist es, nach Polen zu reisen und sich unerhört aufzuführen (auch das kannst Du googeln),nach dem Motto-was man in Polen macht (z.B an eine Kirche pinkeln) bleibt auch in Polen. Übrigens-Wenn wir so rassistisch sind,wieso haben wir dann einen schwarzen Einwanderer im Sejm? (wohl als Alibi,gell? ;-))

  • M
    mehcoj

    @ Basia: Ihrem Namen entnehme ich, dass Sie zumindest eine Affinität zur polnischen Sprache haben. Wie kommt es dann, dass Sie das polnische Wort für (Fußball-)Fan "kibic" mit Hooligan gleichsetzen?

    Sicherlich ist mit einigen (!) Fußballfans, polnischen wie sonstwo, nicht zu spaßen. Wieso aber diese Verallgemeinerung?

    vgl: http://de.pons.eu/dict/search/results/?q=kibic&l=depl&ie=%E2%98%A0

  • MN
    Mein Name

    Die Wolfsangel ist übrigens mitnichten ein faschistisches Symbol, sondern ein Symbol von vielen, dass von den Faschisten für ihre Zwecke missbraucht wurde...

     

    Die Wolfsangel findet sich in einigen deutschen Stadt- und Stadtteilwappen wieder und wurde dort schon Jahrzehnte und teils sogar Jahrhunderte verwendet, bevor die Faschisten sie verwendet haben...

  • B
    Basia

    Lieber KommentatorInnen,

     

    offensichtlich haben Sie allesamt noch nie ein Fußballspiel in Polen besucht. Geschweige denn sind sie als People of Color, Queerer oder sonst wie "Anderer" Mensch auf Polens Straßen gewandelt, wenn Fußballspiele in der Nähe stattfanden.

    Rassistische Beleidigungen sind da noch das Mindeste.

    Ich meine es Ernst, Rassismus aufs Übelste, Sexismus und Homophobie gehören für die meisten Kibice (vgl. Ultras) Polens zum Selbstverständnis dazu.

    Sehen Sie sich die Geschehnisse rund um den poln. Unabhängigkeitstag in Polen vergangenen Jahres an- tausende Randalierende Kibice/hoologans auf den Straßen.

    Als Turist gerät man da schnell zwischen die Fronten und die Empfehlung des ehem. britischen Nationalspielers gilt ausdrücklich für Familen - meines Erachtens nach höchst sinnvoll Touristen zu warnen statt "Panikmache".

    Danke

  • L
    lulouk

    Infos zum Begriff "Person/People of color" gibts hier:

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Person_of_color

     

    und hier:

     

    http://www.migrazine.at/artikel/people-color-als-solidarisches-b-ndnis

     

    das sind übrigens zwei der ersten drei google-suchergebnisse ;-)

  • F
    Felek

    beim polnischen Meister Slask Wroclaw huldigt man mit tribünengroßen Choreografien dem polnischen Nationalismus

     

    Gott, jetzt muss ich aber mal kurz eingreifen-Ihr meint wahrscheinlich das hier,gell?

     

     

     

    http://www.youtube.com/watch?v=4rSCKvfpGEE

     

    Diese Coreografie ist ein Gedenken, welches die Kommunisten nicht erlaubt haben-an die Verstossenen Soldaten, die,nachdem der Westen Polen an Stalin verkauft hat, weitergekämpft haben gegen die Sovietbarbarei.Sie wurden bis dato angespuckt und diffamiert, bis die Regierung Kaczynskis einen nat. Gedenktag zu ihren Ehren beschlossen hat. Es gehört zu einem gesunden Patriotismus dazu die richtigen Helden und Idole zu haben.Mit Nationalismus hat das nichts gemein.Bitte strength Euch in Zukunft mehr bei der Recherché an.

  • L
    @lulouk

    "People of Color"?

     

    leider bin ich dem Englischen nicht mächtig und bitte um einen Begriff, den ich auch verstehe. Ein wenig fühle ich mich diskriminiert, weil ich in der Schule noch die russische Sprache lernen musste...

     

    p.s. Google gibt mir die folgende Übersetzung:

     

    People - Menschen

    of - von

    Color - Farbe

  • A
    AntiFunt

    Das sind doch nur ein paar Rowdies, wie Herr Bax sagen würde...

  • P
    p3t3r

    Sol Campbell hätte sich indes gewünscht, die Uefa hätte den Bewerberländern von vornherein gesagt: „Solange es keine massive Verbesserung der Zustände gibt, verdienst du es nicht, solch prestigeträchtige Turniere auszutragen.“

     

    das wäre wohl richtig und rechtens gewesen

  • M
    Majoha

    Einen so schlampig recherchierten und tendenziös geschnittenen Bericht habe ich von der BBC nicht erwartet. Ausgerechnet England, wo Nationalspieler (!) regelmäßig wegen rassistischen Beleidigungen gesperrt werden, sucht einen Buhmann. In ähnlicher Manier hat ja die BBC auch vor den deutschen Neonazis während der WM 2006 berichtet, mit dem bekannten Ausgang. Aber wenn man sich von jedem Stadiontransparent bedroht fühlt, sollte man lieber die Redaktion nicht verlassen.

  • K
    Klabautermann

    Eine Frage: Wie ist das mit dem afroamerikanischen Hintergrund gemeint?

    Handelt es sich hier die bekanntermaßen zahlreichen schwarzen Soccer-Fans aus den USA die sich vor allem für den Europäischen Fußball interessieren?

     

    Oder sind doch dunkelhäutige Engländer gemeint?

    In diesem Fall hätten sie aber zumindest einen angloafroamerikanischen Hintergrund.

  • AG
    Anton Gorodezky

    Das selbe Geheul konnte man auch vor der WM06 in Deutschland hören. Andersaussehende Menschen würden in Ostdeutschland ihr Leben riskieren und solche Scherze. Das werden Polen und Ukrainer schon hinkriegen.

  • 5
    562914

    Afroamerikaner aus England fahren in die Ukraine.

  • A
    antirassist

    "farbig"?!?!

     

    in diesem artikel soll die white-pride-bewegung und anderes rechtes, faschistisches pack angegriffen werden und dann benutzen sie, herr peter, ebenfalls rassistische ausdrücke?!! wen genau möchten sie denn mit "farbig" kategorisieren? etwa alle, die nicht "weiß" sind? na, macht's klick? hoffentlich!

     

    und das in der taz... mir wird schlecht...

  • L
    lulouk

    Lieber Herr Peter,

     

    danke für diesen Artikel. Ich finde das echt heftig. Und danke ihnen sehr, dass sie die anstehende Jubel-EM kritisch begleiten.

    Nur eine Sache stößt mir sauer auf. Gerade in einem Artikel der Rassismus kritisch thematisiert, fände ich es wichtig, wenn sie auf rassistische Sprache verzichten würden (Und selbstverständlich auch in allen anderen Artikeln!).

    "Farbig" zur Bezeichnung von People of Color ist leider rassistische Sprache. Zitat aus einer sehr guten Handreichung dazu (http://www.derbraunemob.info/shared/download/warum_keine_farbigen.pdf):

    "Dieses sprachliche Relikt aus der Kolonialzeit wurde in Deutschland in den fünfziger Jahren als Ersatzbegriff für das heute als eindeutig rassistisch erkannte „N-Wort“ geläufig."

     

    Mit besten Grüßen,

     

    lulouk

  • PK
    Piotr Kwiatkowski

    Man kann verstehen, dass die UEFA auch in der Ukraine internationale Wettbewerke stattfinden lassen will. Aber man kann sich aus heutiger Sicht, auch und gerade angesichts des zeitlichen Vorlaufs fragen, warum es gleich eine halbe EM sein musste. Kann man nicht erst einmal z.B. mit CL-Halbfinalspielen Erfahrungen sammeln?