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Inklusion im SportHandball mit Handicap

Handball als Sport für geistig Behinderte? Wie das gehen kann, zeigt die Hamburger Initiative Freiwurf, bei der behinderte und nicht-behinderte Menschen zusammenspielen.

Hart am Mann: taz-Autor Birk im Zweikampf mit Florian. Bild: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Mein Probetraining bei der Initiative Freiwurf Hamburg beginnt wie zu aktiven Handballzeiten. In der Umkleidekabine ist es voll und laut und die Halle am Hamburger Münzberg riecht nach Sportunterricht. Vor den eigentlichen Aufwärmen-Spielchen schickt mich Trainer Martin Wild noch ein paar Runden laufen: Trainingsalltag, wie er überall stattfindet. Nur einen Unterschied gibt es. Die meisten der knapp 30 Handballer, die bei dem Kooperationsprojekt des AMTV Hamburg und des SV Eidelstedt jeden Samstag zusammen trainieren, haben eine geistige Behinderung. Die Behinderungen reichen vom Down-Syndrom über psychische Erkrankungen bis hin zu Lernbehinderungen.

Handball als Behindertensport? Darüber sind die meisten erst einmal verwundert. Immerhin gilt der schnelle Mannschaftssport als sehr körperbetont, auch die Bewegungsabläufe und Regeln sind komplex. Für die Menschen mit Behinderung heißt das: Sie haben mitunter Schwierigkeiten beim Fangen und Werfen der Bälle oder tun sich schwer, die Regeln zu verinnerlichen. Trainer Martin Wild sagt, am Anfang sei er skeptisch gewesen, Handball als Behindertensport zu betreiben. „Heute, knapp zwei Jahre später, weiß ich, dass dieser Ansatz gut funktioniert.“

Der Ansatz der Initiative Freiwurf Hamburg ist, behinderte und nicht-behinderte Menschen in einem Team zusammenspielen zu lassen. Dabei sollen die Sportler „gleichermaßen gefordert werden und Spaß am Spiel haben“, sagt Mitorganisatorin Katharina Pohle vom Special Olympics Verband. „Dieser Inklusionsgrundsatz wird in manchen Sportarten schon länger und inzwischen auch sehr gut umgesetzt.“

Beispiele dafür sind das Schwimmen und die Leichtathletik, aber auch das Segeln und Tennis. Komplizierter wird es bei Mannschaftssportarten wie Fußball, Basketball oder Handball. „Hier stecken wir noch in der Probephase. Es gibt bisher keine richtigen Regelwerke, aber wir wissen dank einiger Turniere und Trainings, dass die Idee wunderbar funktioniert.“ In Hamburg werden die beiden Trainingsgruppen zum Beispiel durch C-Jugendliche der Vereine und Betreuern aus den Behinderteneinrichtungen ergänzt.

Sie alle holt Trainer Martin Wild mit einem lauten Klatschen zusammen. Nun stehen das Warmwerfen der Torleute und ein paar Angriff-Abwehr-Übungen auf dem Programm. Ich nehme als Torwart teil und werde mit Handschlag von meinem neuen Kollegen Volker begrüßt.

Die ersten beiden Bälle auf mein Tor sind sehr schwach geworfen und lassen sich locker fangen. Doch schon die Würfe von Sven und Patrick sind eine Herausforderung. „Die unterschiedliche Leistungsfähigkeit nehmen wir bewusst in Kauf“, sagt Trainer Wild.

Auch nach Alter oder Geschlecht wird anders als im normalen Spielbetrieb bei Freiwurf Hamburg nicht getrennt. So gehören zum Kern des Teams nicht nur ein halbes Dutzend Mädchen, sondern die Altersspanne reicht auch von 12 bis knapp über 60 Jahre.

Die Trainer müssen diese Heterogenität unter einen Hut bringen, und das bedeutet: Unermüdlich geben sie taktische Tipps, weisen auf die Regeln hin, sprechen mit jedem Einzelnen über Verbesserungsmöglichkeit und mahnen zur Konzentration. Mit Erfolg – von Trainingsfaulheit ist bei den Spielern keine Spur, nach dem Wurf läuft jeder zurück auf seine Position und selbst bei der Mannschaftseinteilung für das Trainingsspiel gibt es kein Murren.

Sven schnappt sich die Pfeife und bittet die Teams zum Mittelkreis. „Ich möchte ein faires und gutes Spiel sehen“, sagt er. Es gelten die normalen Handball-Regeln. Bei Turnieren gibt es mitunter Ausnahmen: Dann zählt das Tor eines behinderten Spielers drei Punkte, das eines nicht-behinderten Spielers einen Punkt.

Meine erste Skepsis gegenüber Handball als Behindertensport ist inzwischen auf ein Minimum geschrumpft. Die 30 Sportler treten wie eine richtige Mannschaft auf, die freundschaftlich miteinander umgeht, sich gegenseitig anfeuert und sich sogar selbst organisiert. Auch aus sportlicher Sicht wird hier erkennbar Handball gespielt – auch wenn meine Mannschaft die Deckungsaufgaben etwas schleifen lässt. Ein Fehler, den Lisa gleich zwei Mal bitter bestraft. Gegen ihre ersten beiden Würfe von Außen bleibe ich chancenlos. 4:4 endet das zehnminütige Trainingsspiel.

Bisher treten die Spieler fast nur im Training gegeneinander an, von regelmäßigen Wettkämpfen oder gar einem Ligabetrieb ist man noch Lichtjahre entfernt. Trotz der Popularität des Handballs in Norddeutschland ist das Hamburger Projekt das einzige weit und breit. Lediglich ein paar lockere Interessensbekundungen von Nachbarvereinen kann man bisher verzeichnen. „Bei den letzten Turnieren haben wir diesen Unterschied klar gespürt. Die Teams aus Sachsen oder Süddeutschland sind den Spielbetrieb viel mehr gewöhnt und uns spielerisch um einiges voraus.“

Doch um noch mehr Turniere bestreiten zu können, fehlt es nicht nur an Gegnern in der Region, sondern auch an Zeit und Geld. Handball gilt nämlich offiziell nicht als Reha-Sport und wird deshalb vom Bund nicht gefördert. Sämtliche Kosten für Reisen oder Trikots werden durch Spenden abgedeckt und die Betreuung bei Fahrten übernehmen die Eltern.

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1 Kommentar

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  • WB
    Wolfgang Banse

    Beispiel sollten viele nachfolgen

    Integration wird gewährleistet,was das Beispiel Hamburg zeigt.

    Wo ein Wille ist,da ist auch ein weg-und Integration muss auch gewollt sein,so wird die Inklusion und UN-Behindertenrechtskonvention die vom Staat Deutschland razifiziert wurde ,umgesetzt.

    Viele sollten dem Beispiel Hamburgs folgen,was Integration von gehandicapzten Sportlern betrifft.