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Kommentar SpanienkriseDer Staat muss sich verschulden

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Mit kosmetischen Tricks versucht Spanien die maroden Banken vom Staat fernzuhalten. Dabei ist eigentlich klar: Spanien muss unter den Rettungsschirm und dann seine Banken sanieren.

I n der Eurokrise macht Kanzlerin Angela Merkel viele Fehler, aber diesmal hat sie recht. Es wäre verhängnisvoll, wenn den spanischen Pleitebanken direkt vom europäischen Rettungsfonds geholfen würde. Stattdessen muss weiter gelten: Nur Eurostaaten können Hilfskredite bekommen – um diese dann, bei Bedarf, an ihre maroden Banken weiterzuleiten.

Dieser Unterschied mag zunächst spitzfindig wirken. Aber es geht ums Ganze. Man stelle sich einmal vor, jede Bank könnte sich separat beim europäischen Rettungsfonds mit Eigenkapital eindecken. Dann würden alle maroden Institute auf ewig überleben. Daran kann niemand ein Interesse haben.

Der Finanzsektor in Spanien ist völlig überdimensioniert und muss schrumpfen. Diese Neuordnung ist jedoch eine politische Entscheidung, die daher auch von der zuständigen politischen Ebene getroffen werden muss – und das ist immer noch der spanische Staat. Er muss die Hilfskredite aufnehmen und sie an die notleidenden Banken verteilen.

Ulrike Herrmann

ist wirtschaftspolitisch Korrespondentin der taz.

Aber natürlich ist es kein Zufall, dass sich die spanische Regierung mit allen Mitteln wehrt, noch weitere Kredite aufzunehmen. Das Land steckt in einer tiefen Rezession, und schon deswegen steigen die Staatsschulden rasant. Wenn jetzt auch noch die Milliarden für die Bankenrettung hinzukommen, dann wird offenbar: Spanien ist pleite. Also wird mit kosmetischen Tricks versucht, den Finanzbedarf der maroden Banken vom Staat fernzuhalten.

Dahinter steckt die absurde Idee, dass es volkswirtschaftlich einen Unterschied machen würde, ob der Privatsektor verschuldet ist – oder der Staat. Tatsächlich jedoch gilt: Die Gesamtverschuldung aller Sektoren zählt. Denn Schulden – wer immer sie gemacht hat – werden alle aus dem gleichen Topf bedient: aus der Wirtschaftsleistung eines Landes.

Es ist also eigentlich sehr übersichtlich: Spanien muss unter den Rettungsschirm – und dann seine Banken sanieren.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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9 Kommentare

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  • A
    Andrea

    Warum sollten die Banken nicht unter den Rettungsschirm schlüpfen können? Dann kriegen halt die Banken Auflagen zur Sanierung und nicht der Staat, zum Beispiel dass die Investmentteile von den volkswirtschaftlich relevanten Teilen der Banken organisatorisch getrennt werden... Warum sollte das Geld zur Rückzahlung der Kredite für die Banken von den Arbeitslosen, der Bildung und Gesundheitsvorsorge genommen werden?

  • M
    mensch

    Was ist hier selbstverständlich?

     

    Spanien ist nicht gezwungen, seine Banken zu rekapitalisieren.

    Spanien kann auch verkünden, dass es das nicht machen wird. Schluss und aus!

    Dann wird Bankia eben abgewickelt.

     

    Wenn das den europäischen Politik-Spieler nicht gefällt, dann sollen sie eben selbst der Bank Geld geben. Gerne auch mit hohen Auflagen.

     

    Nur warum soll der spanische Arbeitslose Kürzungen hinnehmen, weil sein Staat einer Bank Milliarden schenkt und deswegen selbst Hilfe braucht?

     

    Die klare Aussage: "Wir können euch nicht helfen, wir haben nichts übrig!" ist politisch wesentlich sinnvoller als alles andere.

     

     

    Klar, dass das der Merkel nicht passt. Schließlich will sie lieber das spanische Volk haftbar machen als selbst in die Tasche greifen.

     

    Uns verkauft sie ja auch stets, sie wäre erfolgreich in Europa. Die meisten scheinen das zu glauben, auch wenn es offensichlich Quatsch ist.

     

    Merkel führt Europa genauso in den Abgrund wie sie ihre eigene Koalition innenpolitisch imm Chaos versinken lässt...

  • SS
    Sí se puede

    Klasse, wie aus dem neoliberalen Lehrbuch. Und was wird aus den Menschen? Der spanische Bankensektor hat - mit billigem Geld aus dem Ausland, vor allem deutsche Großbanken - eine Spekzulationsblase angekurbelt, die ihresgleichen sucht. Merkel hat die deutschen Banken klever aus der Schusslinien genommen, jetzt kann Spanien platt gemacht werden. Viele in Spanien sitzen jetzt auf einem Wohnungskredit, der höher ist als der Wert der Wohnung. Täglich verlieren 160 Familien ihre Wohnung, werden zwangsgeräumt. All das scheint sie nicht zu interessieren. Es ist ja das gleiche ob eine Großbank Schulden hat oder José und Pepa Normalo. Einen solchen Kommentar suche ich selbst in der Financial Times vergeblich.

     

    PS: Und in Sachen Industriepolitik kommt es Deutschland auch gelegen, wenn Spanien in einem tiefen Loch verschwindet. Schauen sie mal auf Märkten wie den USA, Lateinamerika und in der EU, wer da in Sachen erneuerbare Energien der deutschen Industrie die Stirn bietet. Noch.

  • W
    Wolfram

    Klar, wenn Spanien als Staat "unter den Rettungsschirm" kommt, schnappt die Falle zu. Dann werden die üblichen "Reformen" als Gegenleistung gefordert: Einsparungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Daseinsvorsorge, sowie umfangreiche Privatisierungen ehemals staatlicher Leistungen. Die deutschen Investoren stehen schon in den Staröchern. Ewig das gleiche perfide Spiel, hoffen wir, die Spanier sind nicht so doof, sich Angies Vorhaben unterzuordnen!

  • O
    ome

    "Dahinter steckt die absurde Idee, dass es volkswirtschaftlich einen Unterschied machen würde, ob der Privatsektor verschuldet ist – oder der Staat. Tatsächlich jedoch gilt: Die Gesamtverschuldung aller Sektoren zählt."

    Das hätten die Schuldenmacher gern, dass das das gleiche wäre. Der Unterschied ist: der Staat zahlt seine Schulden nie zurück, er schuldet einfach immer weiter auf.

    Gehen Sie mal zu ihrer Bank und sagen: ich möchte einen Kredit, den ich aber nie zurückzahlen möchte, und die Zinsen schlage ich einfach zur Schuld dazu.

    Vollstrecke mal in den Staat, da brauchts schon eine Armee dazu. Wer hat das schon?

  • S
    strooker

    Man sollte durchaus anmerken, dass der Gang unter den Rettungsschirm bedeutet, dass Spaniens politische Autonomie beschnitten würde. Das ist natürlich auch verständlich, denn wer Geld leiht, möchte auch Sicherheiten haben, dass er den Kredit zurückgezahlt bekommt.

     

    Aber hier ist das sicher ein Grund die Hilfen der EU nahezu um jeden Preis und wider besseren Wissens abzulehnen. Mal schauen, ob Spanien die Spielregeln wie sie bisher gelten verändern kann.

  • M
    miri

    @bernie: Ja, meistens ist Herrmann ein Lichtblick, und sie kann gut erklären. Deine Vorschläge sind herzerwärmend -- das macht in diesem Leben keiner :-) Wer solls durchsetzen? Wer hat denn die Macht?

  • B
    Bernd

    Für taz-Verhältnisse ein durchaus brauchbarer Kommentar - also jetzt nicht FAZ-Niveau oder so, aber zumindest ohne Fremdschämfaktor, und das will für die taz was heißen.

  • BW
    bernie w.

    Ulrike Herrmann hat schon neulich in der Phoenix-Runde gut argumentiert, nebst zum Teil auch Peter Bofinger ... Meine Meinung ist: Neben der Sanierung würde nicht nur aber auch Spanien ein Green New Deal guttun ( vgl. etwa http://www.utopia.de/blog/freedom-happiness-and-sensitivity-for-beauty-for-all-beings-in-solidarity-berniewa-s-utopia/5-good-reasons-for-a-green-new-deal-including-a-renewable ) Zur Finanzierung wäre ich allerdings mit Verschuldung sehr vorsichtig. Besser wäre - aber nur international durchsetzbar - eine sehr hohe Abgabe / Besteuerung von großen privaten persönlichen Kapitalvermögen aller Art (Geld, Immobilien etc.). Große Unternehmen oder Projekte zudem am besten nur als Genossenschaften oder kommunal bzw staatlich (zumindest soweit der Staat demokratisch ist, einschl. wenig Korruption etc.). Eigentlich sollte es sogar einen kompletten Schuldenerlass weltweit auf alle Zinseszinsschulden der letzten mind. 100 Jahre geben und eine private Vermögensobergrenze von je Person 1 Mio oder vielleicht maximal 5 Mio Euro (umgerechnet) - durch entsprechende Steuern/Abgaben auf hohe Vermögen realisiert.