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Hooligans in Polen„Jungs, die ihren Spaß haben wollen“

Gegen Polens gewalttätige Fans vorzugehen, ist schwierig. Sie werden von den Rechtsnationalen und der Staatsanwaltschaft geschützt.

Polnische Fans in Warschau. Bild: dapd

WARSCHAU taz | Fußball-Hooligans wurden in Polen lange nicht weiter ernst genommen. Sie galten als „margines“, als gesellschaftliche Randgruppe, die Hassparolen grölte wie „Juden ins Gas“ oder Affengesänge gegen dunkelhäutige Spieler anstimmte.

Polens von Korruptionsaffären geplagter Fußball galt bislang kaum als „Nationalsport“. Vielmehr stand er im Ruch, von Funktionären beherrscht zu sein, die in die eigenen Taschen wirtschaften, statt Talente zu fördern oder gute Fußballer im Verein zu halten. Die Hooligans sind nur ein Teil des „Problems Fußball“ in Polen.

Als kurz vor Beginn der EM in Polen der Ukraine die BBC den Dokumentarfilm „Stadien des Hasses“ ausstrahlte und der britische Fußballer Sol Campbell davor warnte, zur EM zu fahren, empörten sich viele Polen über die angebliche Einseitigkeit der BBC.

Dabei waren weder die Prügelexzesse der Hooligans inszeniert, noch die zum Hitlergruß gerechten Arme, der Marsch der „arischen Horde“ ins Stadion von Rzeszow oder die dort aufgehängte Riesenkarikatur, die aus dem Nazihetzblatt Der Stürmer stammen könnte und zum Mord aufforderte: „Tod allen Krummnasen!“ Statt sich endlich des Problems anzunehmen, protestierte Polens Innenminister Jacek Cichocki offiziell gegen den Film der BBC.

Anders Außenminister Radoslaw Sikorski. Der Katholik, der mit der jüdischen Historikerin und Pulitzer-Preisträgerin Anne Applebaum verheiratet ist, geht offensiv gegen Rassismus an. Allerdings verpassten ihm die Gerichte schon einen schweren Dämpfer: Als Nichtjude sei er von antisemitischen Drohungen nicht betroffen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nur selten, weil sie gegrölte Parolen wie „Juden – euer Zuhause ist Auschwitz“ für „gesellschaftlich wenig schädlich“ oder gar für polnische „Folklore“ hält.

Als vor einem Jahr Polens liberalkonservativer Premier Donald Tusk die Bekämpfung der Hooligans zur Chefsache machte, verhöhnte ihn die rechtsnationale Oppositionspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und gab den „Jungs, die ihren Spaß haben wollen“ eine Art Freibrief.

Fortan sah man bekannte Hooligans bei PiS-Veranstaltungen als Bodyguards auftreten. Als die „kibole“, wie Hooligans in Polen oft genannt werden, skandierten: „Tusk, du Depp, die Kibole stürzen deine Regierung“, klatschen PiS-Politiker begeistert Beifall.

Doch nicht nur Anhänger der PiS-Partei verteidigen die angeblichen „Patrioten“, auch rechtskatholische und -nationale Medien nehmen die polnischen Hooligans gegen „Westeuropa“ und deren „Linksradikale“ regelmäßig in Schutz. Und selbst liberalen Medien passiert dies. So bot der Radiosender Zet dem PiS-Abgeordneten Adam Hofman vor dem „roten Marsch“ der russischen Fans in Warschau ein Forum. „Man stelle sich nur mal vor, dass die Deutschen ihren Feiertag in Tel Aviv mit Flaggen und Hakenkreuzen abhalten würden. Denn genau das ist die Analogie.“

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3 Kommentare

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  • GG
    @ grzegorz

    scheinbar fühlt sich hier ein mensch in seiner ach so wichtigen nationalehre gekränkt. ich kenne weder die autorin, noch ihre artikel. diesen artikel jedoch kann ich als student der polnischen geschichte und aktuellen politik ebenso bestätigen, wie ich als ground-hopper mit fast zwei dutzend erfahrungen in polnischen stadien die selben antisemitischen und rassistischen eindrücke bestätigen kann, wie sie hier und auch in dem bbc-bericht geschildert werden! ich habe spiele der ersten, zweiten und vierten liga in polen gesehen. bis auf 2 spiele ( von 23) habe ich durchweg rassistische und antisemitische parolen aus jeweils beiden fanlagern gehört. und dies auch nicht nur von einzelnen, sondern von mehreren hundert bis teilweise tausenden kehlen! ich mag polen als land und auch die menschen die dort leben sehr sehr gerne, was auch grund meines studiums ist, aber das rassismus-problem in polen ist ein enormes. jede_r die/der darüber hinwegschaut oder hinwegtäuschen will, sollte sich die frage stellen, ob sie/er nicht damit den rassisten aus den fankurven und der nationalistischen und rassistischen parteien den nährboden bereitet!

    wieso auch diese empörung?! empfinden sie den artikel als nestbeschmutzung?! vielleicht waren sie auch noch nie in polen bei einem fußballspiel...

  • K
    kowalski

    Wie wäre es mal mal mit einem Artikel über die Stimmung jenseits des Russlandspiels, jenseits der Holligans. Berichten sie doch auch mal über die Atmosphäre, die sonst gut zu sein scheint: Wie deutsche und polnische Fußballfans in Danzig gemeinsam ausgelassen und friedlich feiern.

    Und wenn sie schon kritisch berichten, was sie auch tun dürfen und sollen, denn das ist ja ihre Aufgabe, dann bitte etwas objektiver ohne die Fakten zu verdrehen.

     

    Adam Hofman ist der Sprecher der konservativen PIS Partei (der zweitgrößten Partei Polens) interwievt wird er von Monika Olejink, einer angesehenen, erfahrenen und bissigen, investigativen TV- und Radio Journalistin, die im Gegensatz zu Kerner und Beckmann, ihre Gäste eher ins Kreuverhör nimmt, sie manchmal gar vorführt. Sie tut das sicherlich gerne mit konservativen Politikern, was sie sympathisch macht, dabei ist sie professionell und forsch.

     

    Es kann nicht die Rede davon sein, dass hier die liberalen Medien einer konservatven Stimme ein Forum geben. Auch wenn es Frau Lessers Denken eher Ensprechen würde...und sie so ihre Realität schafft, ist es schlichtweg falsch und dient nur einer schwarz weiß Malerei, die niemandem dienlich ist. Bitte in Zukunft besser recherchieren. In dem Fall ist es nicht schwer, denn Monika Olejnik ist kein Nobody und Ihre Radio-Sendung bekannt.

  • G
    grzegorz

    Frau Lesser hat, wie immer, einen einseitigen und antipolnischen Text geschrieben. Mein Gott, sie muss ein schreckliches Leben haben, wenn sie in Polen so viel Zeit verbringt, die arme Frau. # Noch mehr: schaut man sich Artikel, die in der TAZ über Polen in den letzten Jahren erschienen sind, dann ist Polen nur ein rückständiges Antisemiten-Land. So schaffen es Medien, dass sich das Bild von Polen in Deutschland nur sehr langsam ändert, obwohl sich das Land sehr schnell ändert. Ich habe schon lange keinen Cent mehr für die Tageszeitung ausgegeben und werde es nie wieder tun. Einseitige, unprofessionelle Scheiße voll von Vorurteilen. Für so was nicht mal einen Zloty bezahle ich. Solche Journalisten und Hetzer braucht niemand.