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Flughafen Berlin-BrandenburgSchalldichte Fenster vergessen

Nach einem Urteil müssen die Flughafenplaner beim Schallschutz nachbessern. Das kann mehr als 500 Millionen Euro kosten. Der Flughafen wird 1,2 Milliarden Euro teurer als geplant.

Lauter als 55 Dezibel darf's nicht werden. Bild: dapd

BERLIN taz | Gegen Fluglärm kämpfen die Betroffenen nicht nur in Frankfurt oder München, sondern auch im Berliner Umland. Hier werden durch den fast fertig gestellten neuen Flughafen Berlin-Brandenburg am südöstlichen Stadtrand Tausende Menschen von lärmenden Maschinen betroffen sein.

Sie haben eigentlich Anspruch darauf, dass Geräusche von startenden oder landenden Flugzeugen 55 Dezibel in ihren Wohn- und Schlafräumen nicht übersteigt. Bei diesem Wert soll ein normales Gespräch noch möglich sein.

Doch diese Vorgabe wollen die Flughafeneigner – die Länder Berlin, Brandenburg und der Bund – nun offenbar unterlaufen. Bei der Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft am Freitag haben die Aufsichtsratsvertreter von Berlin und dem Bund einen so genannten Klarstellungsantrag der Flughafengesellschaft unterstützt. Ziel dieses Antrags ist eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses, die zu einer Aufweichung der Lärmschutzregeln führen soll.

Das ist BER

Der Flughafen Berlin Brandenburg (IATA-Code BER) ersetzt die bisherigen Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld und soll am 17. März 2013 in Betrieb gehen. In Berlin starteten und landeten 2011 etwa 210.000 Maschinen. Es gab rund 24 Millionen Fluggäste und 27.000 Tonnen Fracht. Damit steht Berlin im bundesweiten Vergleich auf Platz drei. Auf dem neuen Flughafen sollen etwa 20.000 Beschäftigte arbeiten.

BER verfügt über zwei Start- und Landebahnen. Es soll ein Nachtflugverbot von 24 bis 5 Uhr geben. Gegen Fluglärm und für eine längere Nachtruhe protestieren betroffene Bürger aus den umliegenden Gemeinden und Berlin. (taz)

Hintergrund ist ein Urteil des brandenburgischen Oberverwaltungsgerichtes von Mitte Juni. Demnach habe die Flughafengesellschaft die Lärmschutzauflagen systematisch verfehlt. Anwohner hätten aber Anspruch auf eine Entschädigung oder den Einbau besserer Schutzvorrichtungen wie lärmdichte Fenster oder Türen. Sollten alle Betroffenen entsprechende Schutzvorrichtungen bekommen, könnte dies zu Zusatzkosten von mehr als 500 Millionen Euro führen. Insgesamt soll der Flughafen rund 1,2 Milliarden Euro teurer werden als geplant.

Die geplante Eröffnung des Flughafens war zuletzt auf März nächsten Jahres verschoben worden; Grund sind vor allem Probleme mit der Brandschutzanlage. Mittlerweile ist auch unklar, ob sich der Eröffnungstermin im März halten lässt.

Der neue Hauptstadtflughafen in Schönefeld Süd wird drei Flughäfen ersetzen: den bereits stillgelegten Flughafen in Berlin-Tempelhof, wo sich nun ein riesiger innerstädtischer Freiflächenpark befindet; den Flughafen Berlin-Tegel, der derzeit aus allen Nähten platzt, und den ehemaligen DDR-Zentralflughafen Schönefeld, der derzeit gern von Billigfluglinien frequentiert wird.

Der neue Flughafen bringt allerdings nicht nur Krach an den Stadtrand, sondern ist auch eine Voraussetzung dafür, um die beiden Flughäfen Tempelhof und Tegel schließen zu können. Dadurch werden Zehntausende Berliner von Fluglärm entlastet.

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10 Kommentare

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  • GS
    Guido Stepken

    Laut Auskunft eines Zulieferers ist die Flughafengesellschaft pleite. Die Schilder an der Autobahn sind bereits abmontiert, das Sicherheitspersonal abgezogen. Erst vorletzte Woche wurden noch Abwasserrohre geliefert, die eigentlich schon längst hätten eingebaut werden sollen. Die eigentliche Versorgungsinfrastruktur, das *Unsichtbare* unter der Fassade, den Decken ist noch gar nicht installiert. Die für diese potemkin'schen Dörfer verantwortlichen Bauleiter, Projektmanager sind alle entlassen, *alle* Arbeiten ruhen im Moment.

  • FM
    Fam.Wegner Mahloe

    Man sieht einmal mehr das der Staat der größte Betrüger ist.

  • A
    Anti-GutmenschIn

    @Hanna

     

    Vielleicht könnten sie dann die illegal eingeschleusten Migranten bei sich aufnehmen und umsorgen, wo doch ihr Wohnung so viel mehr Gemütlichkeit hat als der Abschiebegewahrsam?

    Euch Gutmenschen muss man solange mit der eigenen Medizin behandeln, bis ihr geheilt seit.

  • MR
    Martin Rasch

    Warum keine Lärmschutzabgabe auf die Tickets?

     

    Eine auf die Tickets umgelegte Lärmschutzabgabe würde einerseits die Verursacher belasten, andererseits kann sie, klug gerechnet, den Lärmschutz vor Ort für die Flughafengesellschaft wieder 'wirtschaftlich' machen.

  • H
    Hanna

    Es gibt noch mehr Gründe den BER ätzend zu finden, z.B. den Bau eines Asylknasts für Flüchtlinge, wo sie kein ordentliches Verfahren bekommen und im Eilverfahren abgefertigt werden.

     

    Wer sich dagegen aussprechen möchte, sollte diese Petition unterzeichnen:

     

    http://openpetition.de/petition/online/keine-internierung-von-asylsuchenden-am-flughafen-willy-brandt

  • SK
    Stefan K.

    Das grundsätzliche Problem ist aber die Anpassung bzw. Neuberechnung des Dauerschallpegels für die Innenräume.

    Werden die passiven Schallschutzmaßnahmen nach Willen des Flughafenbetreibers umgesetzt, dann erhöht sich dieser und überschreitet die Grenze von 55dB, die den Übergang zur Gesundheitsschädigung makiert.

     

    Das heißt, es geht hierbei nicht nur um ein juristisches Tauziehen, sondern konkret um die von der Verfassung garantierte körperliche Unversehrtheit (Artikel 2, Abs.2), weshalb die Aussichten, den Planfeststellungsbeschluss ändern zu können, gegen Null tendieren müssten.

  • DH
    Da hat keiner was vergessen

    Es gibt keine gesetzliche Pflicht 55 db einzuhalten.Der gesetzlich max. zulässige Schallpegel ist weit höher. Die 55 db sind aber Teil des Planfestellungsverfahrens, aufgrund dessen der Flughafenbau in Schönefeld politisch durchsetzbar war, den jeden Akustiker ist klar, dass eine Schallbelastung wie gesetzlich zulässig zur Entvölkerung weiter Teile der Flugschneisen führen wird. Somit war da kein Vergessen im Spiel, sondern purer Vorsatz, deshalb hat man das geld auch erst gar nicht eingeplant. Im übrigen, das Gericht hat aktuell nur festgestellt, dass im Sinne des aktuell gültigen Planfestellungsverfahrens nachgerüstet werden muss.Vermutlich war von Anfang an geplant, die 55 db Schwelle sowieso wieder nach oben zu setzen, wenn durch den Vorgang des Baus erstmal unabrückbare tatsachen geschaffen worden sind.Denn nun kann man wunderbar Kindergärten, Bibliotheken , Straßenbau etc. etc. gegen die Interessen einiger "weniger" betroffenen setzen, und somit ordentlich öffentlichen Druck auf die eigentlichen Leitragenden ausüben.ZUdem ist die Chance, das Plangestellungsverfahren im Sinne höhrer Grenzwerte zu ändern, extrem hoch und wahrscheinlich, das wurde vermutlich exakt so geplant. Liebe TAZ, das ist der eigentliche Skandal, kein Vergessen, kein Versehen , sondern purer Vorsatz

  • M
    Mischka

    Tempelhof-Enjoy-Yourself könnte doch vorübergehend um eine Landebahn verkleinert werden, die dann für den Flugverkehr wieder geöffnet wäre. Barbecues müßten dann etwas weiter nördlich stattfinden. Die Flugsicherung kann mühelos von den sehr praktischen Pavillons "The World Is Not Fair" erfolgen, da die Welt von dort "wie wir sie wahrnehmen, verstehen, interpretieren" gezeigt wird. Das sind ideale Voraussetzungen für einen funktionierenden Flughafen in Berlin, glaube ich. Auf Segelflugplätzen sehen Tower genauso aus. Die Passagierabfertigung könnte kostengünstig durch freiwillige Helfer erfolgen. Schwere Koffer würden vorerst zwischengelagert werden, und das Catering unkompliziert und gesund durch den lokalen Obst-und Gemüseanbau realisiert. Ich könnte mir vorstellen, dass dies keinen größeren Planungsaufwand erfordert als die bisherigen Leistungen, die ich absurd und entwürdigend finde, für alle Betroffenen, für Berlin. Das wirkt auf mich genauso verplant wie eine russische Rakete, die den Aufstieg nicht geschafft hat, und über die wir uns dann hier lustigmachen dürfen.

  • A
    antares56

    Die Bevölkerung ist doch von Anfang an mit dem Lärmschutz belogen und beschissen worden! Jetzt sollten alle darum kämpfen, die ihnen zustehenden Schallschutzmassnahmen zu erhalten. Egal wie teuer das dem Betreiber kommt!

    Und wenn jetzt immer behauptet wird, die Verzögerungen bei der Eröffnung liegen an Brandschutzmassnahmen, merkt man auch hier, dass die Bevölkerung belogen wird! Der ganze Flughafen ist doch noch gar nicht fertig! Und ob er das nächstes Jahr ist, darf auch noch bezweifelt werden.

  • B
    BVBBler

    "Dadurch werden Zehntausende Berliner von Fluglärm entlastet."

     

    Aber durch BER werden 100.000 Menschen (neu) belastet!!!

    Sagt mal, wie doof sind die Schreiber der taz wie eigentlich? Klar ihr wohnt ja in Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Mitte, da wirds mit Fluglärm nicht doll werden. Aber nur nach dem Motto "solange es mich nicht betrifft, ist alles in Ordnung" ist für einen investigativen Journalisten echt zu schwach.

     

    Schönefeld war und ist der falsche Standort, Speerenberg ist es (sogar laut Gutachten!). Alle Probleme mit Lärmschutz, Größe und Finanzierung resultieren aus dieser falschen Entscheidung.

    Mehr dazu unter: www.bvbb-ev.de