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Rentner besetzen FreizeitstätteOma macht jetzt Occupy

Die Seniorenfreizeitstätte Stille Straße in Pankow soll schließen. Die RentnerInnen wollen sich das nicht bieten lassen - und besetzen kurzerhand ihr Haus.

Pankow beweist: Das Besetzen beherrschen nicht nur die Jungen. Bild: dapd

Die vornehme Villengegend im nördlichen Pankow liegt verschlafen da, die Stille Straße macht ihrem Namen alle Ehre. In einem Häuschen, in dessen gepflegtem Garten Apfelbäume stehen, sitzt Doris Syrbe an einem Tisch mit Häkeldeckchen. Die 72-Jährige ist Vorsitzende der Seniorenfreizeitstätte im Haus. Syrbe, kurze dunkelrot gefärbte Haare, eine schmale goldene Uhr ums Handgelenk, holt tief Luft und ballt die Fäuste. „Wir werden“, sagt sie und klingt sehr entschlossen, „dieses Haus im Laufe des Nachmittags besetzen.“

Den Klub, wie die 60 bis 90 Jahre alten Mitglieder ihre Freizeitstätte nennen, gibt es seit mehr als 15 Jahren. Skat- und Schachrunden werden angeboten, Gymnastik- und Wandergruppen, Englisch- und Französischunterricht. Organisiert wird das Ganze ehrenamtlich – der Bezirk stellt für rund 50.000 Euro jährlich das Gebäude.

Mitte März jedoch wurde in Pankow ein Haushalt mit drastischen Kürzungen beschlossen, die für die Stille Straße das Aus bedeuteten. Seitdem, sagt Syrbe, kämpften die mehr als 300 Mitglieder für den Erhalt ihrer Gemeinschaft – bisher vergebens. An diesem Samstag soll die Freizeitstätte geschlossen werden. Deshalb, sagt Syrbe, griffen sie nun zu Mitteln, die in ihrer Altersklasse eher ungewöhnlich sind: „Was die Jungen können, können wir auch.“

Ein paar Minuten später versammeln sich rund 40 SeniorInnen, sorgfältig sommerlich gekleidet, vor dem Haus. Einige recken kämpferisch Schlafsäcke in die Höhe, sie rollen ein blaues Banner aus, auf das mit roter Farbe und in ordentlichen Buchstaben „Dieses Haus ist besetzt!“ gemalt wurde. „Wir bleiben hier! Wir bleiben hier!“, skandieren sie. Ein Van fährt vorbei. „Huch“, sagt eine etwa 80 Jahre alte Frau. „Jetzt dachte ich schon, die Polizei kommt.“

Für die Mitglieder der Freizeitstätte geht es um einiges. Zwar sollen die einzelnen Gruppen, beteuert die Sozialstadträtin des Bezirks, Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD), in andere Einrichtungen „umgesetzt“ werden: Die Bridgegruppe in die Kita, der Schachklub in eine Jugendfreizeitstätte. „Aber erstens haben die selbst keinen Platz“, sagt Margret Pollack, 67 Jahre alt und fest entschlossen, die nächste Nacht im Haus zu verbringen. „Und zweitens werden wir damit auseinandergerissen.“

Es gehe nicht nur um die einzelnen Gruppen, die täglich im Haus Platz finden – über Jahre seien Freundschaften auch jenseits der Gruppen gewachsen. Man treffe sich in der Kaffeeküche, verbringe gemeinsam Zeit im Garten, tausche sich aus. „Viele von uns sind alleinstehend“, sagt Pollack. „Wenn die die Gemeinschaft nicht mehr haben, werden sie krank.“ Ein älterer Herr nickt: „Danach kommt der Friedhof.“

Ein Umzugswagen fährt vor, die Menge jubelt, junge Männer laden Matratzen und Decken aus. Sie haben die SeniorInnen auf der Demo „Wir bleiben alle!“ im April kennengelernt, als unter anderem Tacheles und Wabe für ihren Erhalt auf die Straße gingen. Jetzt zeigen sie Solidarität. „Für Wowereits Bibliothek gibt es Geld, für den Flughafen gibt es Geld“, sagt einer. Da müsse für die SeniorInnen wohl auch noch etwas drin sein. „In einem Wohnviertel, in dem höchste Immobilienpreise erzielt werden“, sagt ein anderer, „scheinen die nur zu stören.“

Weil Hausbesetzungen im hohen Alter nicht ganz einfach sind, haben die Mitglieder Vorkehrungen getroffen. Eine 89-Jährige, sagt Margret Pollack, habe beim Arzt checken lassen, ob sie der Aufregung noch standhalte: „Sie kommt.“ Pollack hat sich Sachen zum Wechseln mitgebracht. Ein bisschen seltsam, sagt sie, fühle sich das Ganze jetzt schon an – schließlich habe sie so etwas noch nie gemacht. Auf die Frage, wie viele SeniorInnen hier tatsächlich übernachten werden, lächelt Pollack freundlich. Auf jeden Fall sei gewährleistet, dass in den kommenden Tagen rund um die Uhr jemand im Haus sei.

Und wie lange das alles gehen soll? Die Klub-Vorsitzende Syrbe zuckt gelassen mit den Schulten. Von Unterstützern habe sie schon gehört, dass solche Dinge manchmal dauern könnten.

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7 Kommentare

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  • P
    PeterPan

    Sowas find ich soooooooo klasse !

     

    Und ein geniales Zeichen an die ganz Jungen, die noch oft so tatenlos wirken.

     

    Die Generation des Aufbaus und der Nachkriegszeit hat wie keine andere ein "schönes Alter" verdient.

     

    Aber hier gehts wieder mal nur um Immobilienpreise, um Entwicklungsmöglichkeiten von Quartieren. Wer stört muß weg. Und natürlich weil die Kommune sparen muß.

     

    Na, ihr Stadtväter und -mütter:

    Dann spart doch mal am UNSINN der überall gebaut wird ! - Spart doch mal am Pfusch und am Murks der in neuzeitlichem Größenwahn hinbetoniert wird.

    Bremst Euer eitle Ego mal wieder ein und handelt im Sinne der Bürgerinnen und Bürger.

     

    Solidarische Grüße aus STUTTGART !!! - MurkS21 ist überall !!

  • LV
    LarS van Core

    coole sache und weiter so !!! wo soviel geld für ein stadtschloss und einen flughafen ist, sollte es auch für eine seniorenfreizeitstätte noch reichen - die "etablierten" parteien müssen endlich mal aufwachen und merken, dass sie so nicht weiterwirtschaften können !!! das ist auch ein wichtiges signal an jüngere generationen, dass man sich nicht immer alles gefallen lassen soll !!!

  • S
    sumarum

    super sache!

    i love it:

    Ein Umzugswagen fährt vor, die Menge jubelt, junge Männer laden Matratzen und Decken aus.

    vernetzung an allen ecken und enden.

     

    jede_r kaempft zwar vor seiner haustuer, aber der gegner ist der gleiche: unmenschlichkeit und ungerechtigkeit.

  • A
    arurmukha

    der text wurde vermutlich von einer 25 praktikantin aus gutem hause geschrieben, die noch glaubt die taz wäre ein sprachrohr der jungen, linken egagierten gegenöffentlichkeit. daher wohl die verfehlung in der überschrift.

  • A
    Angelika

    Find ich toll. Einfach klasse. Daneben aber stört mich die Überschrift: Oma macht jetzt Occupy. Ich selbst gehöre zu der Gruppe der Seniorinnen, bin 60 Jahre, stolze Oma und bereits sogar stolze Uroma. Mein politischer Kampfgeist ist ungebrochen und nach wie vor jung. Und ich bin keine Ausnahme.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Alle Gewalt gegen vom Volke aus

    Rentner in unserer heutigen Zeit sind nicht passiv und Zuschauer,nein sie bewgen etwas ,bringen etwas in Bewegung.

    Gerade eine Generatio die maßgeblich am Wiederaufbau des Nachkrieg Deutschland beteiligt war,sollte das Recht zugestanden werden,was den Erhalt der Seniorenfreizeitstätte Stille Straße in Pankow betrifft.

    Geld ist vorhanden und dieses solte auch den Senioren zu Gute kommen.

    Politiker aller Couler sollten daran denken,dass Rentner auch was Wahlausgänge anbetrifft,ein Anteil was ihre Stimmabgabe betrifft,haben.

    Wer sich jetzt gegen die Generation Rentner stellt,der stellt sich selbst ein Bein,was sein Rentnerdasein von MORGEN betrifft.

    Alle Gewalt geht vom Volke aus,dies sollte auchzum Tragen kommen.

  • A
    anonymous

    GROSSARTIG ! Weiter so und HALTET DURCH !!