DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL: Jäger der Papageien
FEDERN LASSEN Ein italienischer Politiker will nicht mehr eine halbe Million Euro im Jahr für ein paar Vögel bezahlen, die einen Park in Sizilien schmücken. Für korrupte Amtsträger wird der Mann gefährlich
Eine halbe Million Euro im Jahr: So viel Geld sind Sizilien die bunten VÖGEL wert, die den Park des Regierungssitzes Palazzo d’Orleans in Palermo schmücken. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Wie die italienische Zeitung Il Fatto Quotidiano berichtet, hat der im Oktober 2012 gewählte Präsident der autonomen Region, Rosario Crocetta, ein seit 1954 geltendes Gesetz zur Papageienanmietung aufgehoben und sein Vorgehen so kommentiert: „Die Fantasie der ‚Casta‘ – der politischen Kaste – „übersteigt jede Vorstellungskraft: Eigentlich müssten meine Amtsvorgänger alle Harakiri begehen.“
Crocettas harte Wort sind nicht ohne bittere Ironie: Schwebt doch über dem ehemaligen Bürgermeister der nicht zuletzt durch ihn vom Ruf einer Hochburg des organisierten Verbrechens befreiten Stadt Gela ein Todesurteil der Cosa Nostra, der sizilianischen Mafia. Dass Crocetta sich nun der 800 Vögel annimmt, die Sizilien pro Stück und Jahr 625 Euro kosten, ist allerdings nur der öffentlichkeitswirksam geschickt gesetzte Wellenkamm einer als „Tsunami“ angekündigten Großrevision des für seine maßlose Betrugs- und Versorgungsmentalität bekannten Politbetriebs der Insel.
Den Begriff „Tsunami“ hat sich Crocetta, der auf der Liste der Demokratischen Partei zum Regierungschef gewählt wurde, dabei von der Fünf-Sterne-Bewegung des Kabarettisten und Bloggers Beppe Grillos ausgeliehen. Der Anti-Mafia-Aktivist und bekennende Schwule gehört nicht zu jenen italienischen Linkspolitikern, die in Angst und Abscheu vor dem Erfolg der neuen Bürgerbewegung erstarren. Im Gegenteil, er bezeichnet sich als „mehr Grillino als die Grillini“ – und seine Biografie kann durchaus als Beleg dafür herhalten. Höhepunkt von Crocettas Aktivismus ist dabei die angekündigte Auflösung der neun sizilianischen Provinzen. Der Präsident verspricht sich davon jährliche Einsparungen in Höhe von mindestens 10 Millionen Euro.
Wer die rabiate Leidenschaft der italienischen „Goldfasane“ für ihre mit öffentlichen Ämtern verbundenen Statussymbole – von Essensgutscheinen bis zum Dienstwagen – kennt, kann Crocetta nur weiterhin großen Mut und breite Unterstützung wünschen. AMBROS WAIBEL
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