Jahrestag Massaker von Srebrenica: Fußmarsch für die Opfer
30.000 Menschen gedenken des Massakers an 8.372 Muslimen vor 17 Jahren in Srebrenica in Bosnien und Herzegowina. Zur Versöhnung tragen Gendenkfeiern nicht viel bei.
SARAJEVO taz | In Srebrenica haben sich am Mittwoch über 30.000 Menschen versammelt, um der nach dem 11. Juli 1995 von serbischen Milizen, Soldaten und Polizisten ermordeten 8.372 Muslime zu gedenken. Nach der religiösen Feier wurden in der Gedenkstätte Potocari 520 Opfer des Völkermords beigesetzt, deren Überreste im vergangenen Jahr aus Massengräbern geborgen und durch DNA-Analysen eindeutig identifiziert worden waren. Damit haben bisher 5.657 Tote in Potocari ihre letzte Ruhe gefunden.
Der New Yorker Rabbiner Arthur Schneier warnte als Gast davor, diesen Genozid zu leugnen oder zu vergessen. „Es ist wichtig, so viele Zeugnisse wie möglich von Überlebenden zu sammeln. Das ist das stärkste Instrument, um die Leugnung der Tatsachen zu verhindern“, sagte der in Wien geborene und nach dem Holocaust in die USA ausgewanderte Geistliche.
Bei der Gedenkfeier anwesend waren auch 7.000 Menschen, die an einem mehrtägigen und über 140 Kilometer langen Marsch von Tuzla nach Serbrenica teilgenommen hatten. Sie wollten damit an die vielen Flüchtlingsbewegungen während des Krieges erinnern. 1995 hatten die Männer von Srebrenica trotz des Beschusses durch Artillerie und serbischer Angriffe versucht, zu Fuß das freie Gebiet um Tuzla zu erreichen.
Die Anzahl der Ausländer, die an diesem Fußmarsch teilnehmen, wächst von Jahr zu Jahr. Aber auch einige Serben hatten sich diesmal unter die Teilnehmer gemischt und damit ihren Protest gegen die nationalistische Ideologie ihrer Staatsführung und ihren Willen zur Versöhnung ausgedrückt.
Verunsicherung durch Propaganda
Dennoch bleibt die Frage, ob und wie die Gedenkfeiern in Zukunft zu einer Versöhnung zwischen den Völkern beitragen können. Zwar zeigen sich die Opferverbände seit Jahren offen für einen Dialog. Die lokale serbische Bevölkerung werde nach Ansicht der Opferverbände, so die Sprecherin Hatidza Mehmedovic, durch die ständige nationalistische Propaganda in den serbisch-bosnischen Medien jedoch verunsichert.
In der Tat scheinen die Chancen für ein gemeinsames Gedenken an die damaligen Verbrechen durch die jüngsten Entwicklungen in Serbien gering. Anlässlich des 15. Jahrestags des Massakers hatte der damalige Präsident Serbiens, der Demokrat Boris Tadic, trotz der Kritik der Nationalisten noch persönlich an der Gedenkfeier teilgenommen und auch als Privatmensch seine Erschütterung kundgetan.
Davon kann bei Tadic’ Nachfolger Tomislaw Nikolic keine Rede sein. Dieser hatte erst unlängst die Verantwortung der Serben für den Genozid in Srebrenica geleugnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
AfD-Verbotsantrag im Bundestag
Wahlkampfgeschenk für die AfD