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Indische Arbeiter stürmen FabrikÜber hundert Manager verprügelt

In einer indischen Autofabrik hat eine blutige Arbeiterrevolte stattgefunden. Zahlreiche Manager wurden tätlich angegriffen, der Personalchef starb in einem gelegten Feuer.

Polizisten vor dem ausgebrannte Maruti-Suzuki-Werk. Bild: dapd

DELHI taz | Befindet sich Indien auf dem Weg in den industriellen Klassenkampf? Das jedenfalls lässt eine blutige Arbeiterrevolte in einer Vorzeigefabrik am Hochtechnologiestandort Gurgaon in der Nähe von Delhi vermuten.

Die Revolte begann am Mittwochabend, als Arbeiter von Indiens führendem Autokonzern, dem japanisch-indischen Joint Venture Maruti Suzuki, die Büroetagen ihres Konzerns stürmten. „Die Aufseher hatten sich über einen Arbeiter der Unberührbaren-Kaste lustig gemacht und ihn belästigt. Daraufhin haben sich die Arbeiter auf legitime Weise gewehrt“, sagte später der Gewerkschaftschef von Maruti Suzuki, Ram Meher. Doch für die angegriffenen Manager war der Protest alles andere als legitim. „Da waren Terroristen am Werk“, sagte einer von ihnen am nächsten Tag im Krankenhaus.

Er hatte mit seinem gebrochenen Arm noch Glück. Für den Personalchef von Maruti Suzuki in Gurgaon, Awanish Dev, kam jede Hilfe zu spät. Er wurde verprügelt und erstickte in seinem Büro am Rauch eines Feuers, das offenbar von den Protestlern gelegt worden war.

Für die Firmenleitung von Maruti Suzuki ein klarer Fall von Brandstiftung. „Nur die Polizei hat uns retten können“, sagte ein Manager. Die Geschäftsführung sprach von 105 Verletzten, die meisten davon aus dem Management, darunter auch zwei Japaner. Und als wollte die Polizei eine gewisse numerische Gerechtigkeit herstellen, verhaftete sie daraufhin 99 Arbeiter.

Bis gestern waren bis zu 1.000 Polizeibeamte im Einsatz. Rundherum flohen die meisten Arbeiter aus ihren ärmlichen Behausungen in Fabriknähe, um weiteren Razzien zu entgehen. Währenddessen entschied die Geschäftsführung, die Fabrik vorerst für unbefristete Zeit zu schließen. Das Werk hat eine Produktionskapazität von 550.000 Autos im Jahr und war gut ausgelastet.

Sozial fragwürdige Bedingungen

Der landesweite Marktanteil von Maruti Suzuki kletterte von 26 Prozent im vergangenen Jahr zuletzt wieder auf 40 Prozent – auch wegen der populären Kleinwagen, die in Gurgaon produziert werden. Allerdings unter sozial fragwürdigen Bedingungen: Nur 900 von 3.000 Arbeitern waren fest angestellt, der Rest bezog Monatsgehälter von rund 100 Euro – ungefähr ein indisches Putzfrauengehalt.

Gegen die miesen Arbeitsbedingungen hatten die Arbeiter noch im vergangenen Jahr lange gestreikt. Der Ausstand führte zu einem Produktionsausfall von 65.000 Autos und Verlusten in Höhe von über 400 Millionen Dollar. Er erregte großes Aufsehen – aber dann schien man sich auf einen guten Kompromiss geeinigt zu haben. Doch offenbar nur auf dem Papier.

Erst im Juni leitete die zuständige staatliche Arbeitsbehörde ein Verfahren gegen die Fabrikleitung ein, weil sie sich an die Abmachungen nicht gehalten hatte. Gewerkschafter warfen der Firma zudem vor, die Proteste vom Mittwoch mit Schlägertrupps angestiftet zu haben.

Immerhin gab ein Manager zu, dass Schläge und Spucken zum Werksalltag gehörten. Der Mord an Personalchef Dev dürfte für einige der Aufständischen juristische Folgen haben: Vermutlich werden gleich Dutzende des Mordes angeklagt werden.

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11 Kommentare

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  • D
    drDuden

    Sonderbar, ich habe das Wort "Protestler" nicht im Duden gefunden... Es ist beschämend, dass eure Redakteurler solche diffamierenden Endungen benutzen. Um es klar zu stellen, es gibt keine Endsilbe -ler in der deutschen Sprache. So, und jetzt viel spass beim schreibseln ihr Tazler :-)

  • D
    derkasten

    warum heisst es Protestler und nicht Protestierende oder Protestiererinnen, lieb Taz_in? Passt bitte mal auf eure sprache auf!

  • H
    Hesse

    Naja ... wenigstens liest man hier auch mal etwas vom Klassenkampf von unten.

     

    Von den griechischen Stahlarbeitern von Chalyvourgia Ellados hat man ja hier seit April nichts mehr gelesen.

     

    Auch nicht als Polizeisonderkräfte vor wenigen Tagen die Streikenden mit Tränengas und Pfefferspray Angriff, diese auch verprügelte und Streikende festnahm, um den Streikbrecher-Apparat des Industriellen Manesis zu schützen.

     

    Der Schlag, der in den frühren Morgenstunden nach Gangsterart ausgeführt wurde, zielt nicht nur auf die kämpfenden Stahlarbeiter, die seit über neun Monaten für ihre Rechte streiken. Es ist ein Angriff auf die gesamte Arbeiterklasse.

     

    Da liest sich der Bericht aus Indien mal sehr nett. Wäre schön, wenn die Arbeiterklasse in der BRD auch mal etwas Klassenbewusstsein entwickeln würde.

     

    Solidarität mit den griechischen Stahlarbeitern und den sich jetzt in Haft befindenden indischen Automobilarbeitern!

  • F
    felix

    Man muss aber auch dazuschreiben, dass es in Indien (und auch in China) Alltag ist, dass Arbeiter von Vorarbeitern und Managern geschlagen und verprügelt werden.

     

    Es wurde ein Fall bekannt, als bei einem Arbeitsunfall ein Arbeiter seinen Arm in einer ungesicherten Presse verlor. Während der Arbeiter noch in der Presse eingeklemmt war schlug der Betriebsleiter mit einem Stock auf ihn ein.

     

    Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich Arbeiter in Indien und China wehren und den Managern das zurückgeben, was sie selbst vorher verteilt haben: Hiebe!

  • C
    clematis

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    Wie kommen Sie denn darauf, dass eine indische Putzfrau im Monat 100 € verdient??? Das möchte die Propaganda vielleicht glauben machen.

  • C
    clematis

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    Wie kommen Sie denn darauf, dass eine indische Putzfrau im Monat 100 € verdient??? Das möchte die Propaganda vielleicht glauben machen.

  • E
    EuroTanic

    Der Tod dieses Managers beeutet die sozialen Kosten von Ausbeutung zu internalisieren.

    Ich kann Gewalt, oder gar Mord nicht rechtfertigen, aber die Machtelite in Indien und auf der ganzen Welt hat sich die Versklavung udn soziale Euthanasie der Arbeiter auf die Fahne geschrieben. Aus Sicht des Grundgesetzes und auch supranantionaler Gesetze ist es jedem Menschen erlaubt sich gegen Gewalt zu wehren. Ich denke, nichts anderes ist heir geschehen.

    Die Machteliten werden von ihrer struktureller Gewalt gegen die Masse der Bevölkerung nicht absehen, solange ihnen die "Kosten" dafür direkt präsentiert werden.

  • AN
    A. Nonym

    In der taz das Wort "Protestler" zu lesen, hat schon einen sehr besonderen Beigeschmack.

    Krieg den Hütten, Friede den Palästen?

  • C
    Celsus

    Da war doch auch einmal die Selbstmordserie von sehr schlecht bezahlten und behandelten Arbeitern.Einfühlsam hatten dann doch die Manager unterschreiben lassen, dass die keinen Selbstmord begehen würden.

     

    Und das sollen jetzt in Indien linke Bestrebungen sein, ohne das dafür weitere Belege vorliegen? Ich glaube, das ist Hass und Empörung gegenüber auch sehr einfühlsamen Personalverantwortlichen, die sich keinen Deut darum scheren, ob Mitarbeiter von ihrem Gehalt sich und ihre Familie ernähren können. Der Hass und diese Enthemmung werden nicht von ungefähr kommen. Die haben bestimmt eine sehr lange Vorgeschichte, die wir nicht wissen wollen, um so Produkte noch guten Gewissens kaufen zu können.

     

    Für den Streik dieser Arbeiter sollten wir hier Spenden sammeln, damit das Geschehen in vernünftige Bahnen gerät und dort bleibt.

  • G
    Groschen

    "Über hundert Manager verprügelt"

    irgendwie kann ich das nachvollziehen.

    Auf Politiker ließe sich das Thema dankbar erweitern.

    G.

  • T
    T.V.

    Das hier direkt Mord zu nennen, während die aktuellen Beiträge zu Obamas Drohnenkrieg mehr über lästige Terrorismusbekämpfungsnebensächlichkeitstode zu sschreiben scheinen spricht Bände.