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Kommentar Bosniens PerspektivenEin von Europa verlassenes Land

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Für viele Menschen in Bosnien verblasst das Licht am Ende des Tunnels. Dieses Licht war einmal die EU.

I st Bosnien ein verlorenes Land? Noch drängt nicht die gesamte Bevölkerung ins Ausland, es gibt viele Junge, die bleiben wollen, es gibt Vitalität, eine menschlich berührende, nichtnationalistische und tolerante Tradition und nach wie vor ein vor allem bei den Bosniaken lebendiges positives kollektives Nationalbewusstsein. Doch verblasst für die meisten Menschen das Licht am Ende des Tunnels. Und dieses Licht war einmal die EU.

Die negative Stimmung wird natürlich auch durch interne Ereignisse genährt. Die jetzt von dem Sozialdemokraten Zlatko Lagumdzija vorgeschlagenen Verfassungsänderungen sind nur ein Ausdruck länger wirkender politischer Linien. Sie kommen den kroatischen Nationalisten entgegen, die nichts aus der blutigen Vergangenheit gelernt haben. Natürlich müssen in so einem komplizierten und heterogenen Land Kompromisse geschlossen werden. Mit allen. Und doch muss man fragen, ob der Machterhalt diesen Kompromiss wirklich rechtfertigt.

Mit dem Rücktritt des Sozialdemokraten Komsic als Mitglied des Staatspräsidiums wird der Konflikt nun in die Partei verlagert. Komsic ist populär, ein Urgestein Sarajevos, ein Kroate, der im Krieg für ein multinationales Bosnien und Herzegowina gekämpft hat. Ein Symbol für den Zusammenhalt des Landes und für die religiös-politische Toleranz. Nach wie vor wollen ja die nationalen Kräfte der Nachbarländer Kroatien und Serbien Bosnien und Herzegowina zerstören.

taz
ERICH RATHFELDER

ist Korrespondent der taz in Sarajevo.

Mehr als die schon 100 Jahre lang bekannte Attacke der Nationalisten beider Seiten aber schmerzt, dass das Europa der EU seit Jahren nichts mehr dagegen unternimmt. Die EU ist heute offenbar nicht mehr daran interessiert, sich für die eigenen Werte Toleranz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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4 Kommentare

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  • B
    BO23

    Wenn man diesen Artikel liest, so denkt man, dass es sich hier tatsächlich um einen Angriff auf die Demokratie handelt.

    Dieser Artikel beschreibt aber nicht, wie die Situation derzeit ist und welcher entscheidende Fehler aus 1995 mit der Verfassungsänderung korrigiert wird.

     

    Damals sollte jedes der 3 konstitutiven Völker BosnienHerzegowinas einen Vertreter im 3-köpfigen Staatspräsidium haben.

    D.h. 1 Kroate, 1 Serbe, 1 Bosniake (Moslem).

     

    Logisch wäre gewesen, dass diese auch von dem jeweiligen Volk gewählt werden.

    D.h. die Kroaten wählen ihren eigenen kroatischen Vertreter, die Serben den serbischen und die Bosniaken den bosniakischen Vertreter.

     

    So wurde der Vertrag von Dayton (also die Verfassung BiHs) aber nicht geschrieben.

    Es wurde definiert, dass z.B. der Kroate, der die meisten Stimmen aller hat (also aller 3 Völker), auch derjenige Vertreter der Kroaten ist. unabhängig davon, ob er in der kroatischen Bevölkerung auch die meisten Stimmen hat.

     

    Was war also die Folge: Die Bosniaken, die weitaus mehr Bevölkerung in BiH haben, konnten es sich leisten ihren eigenen Vertreter zu wählen und zusätzlich auch den kroatischen.

    Ist das demokratisch?

     

    So ist es dann auch passiert, zufälliger weise genau mit Zlatko Komsic.

    Zeljko Komsic hatte bei der letzten Wahl, gerade einmal 5% der Stimmen der Kroaten bekommen... Trotzdem ist der der "Vertreter der kroatischen Bevölkerung". Komsic selber sieht sich überhaupt garnicht als Kroate. Er wurde lediglich katholisch getauft, und deswegen kann er zum Vertreter der Kroaten gewählt werden. Und das ist auch passiert, nur leider nicht von den Kroaten (5%) sonden hauptsächlich von den Bosniaken.

     

    Die Verfassungsänderung sorgt also dafür, dass ein Fehler korrigiert wird. Bevor das nicht passiert, wird der Nationalismus niemals verschwinden.

  • H
    hamo

    die EU ist doch ein Witz. Armselig dass die USA damals reagieren musste als der Krieg eskalierte.

  • WA
    W. A. Ott

    "Die EU ist heute offenbar nicht mehr daran interessiert, sich für die eigenen Werte Toleranz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen." Ein richtiger Schnellmerker, der Herr R. Genaugenommen hatte die EU und andere Kriegstreiber daran zu keiner Zeit ein Interesse.

  • AA
    Anonime antike bürger Gorgijas

    Es ist nicht nur eine verlasene land sonder ganz auf sich selbst gestelte region.

     

    Und noch etwas Bosnien ist nicht heterogenes land sonder ein homogenes bis geht nicht mehr.

     

    Alle ex-jugoslawische republiken leiden an Identitets verlust. Für solche einen unzustand sind Akademiker als höchere berufe verantwortlich die keinen mut geahabt haben wiesenschaftlich zu arbeiten statd desen haben sie sich mehr mit politische wiesenschaft bescheftg die keine seriose grosse sind. Diise politische wisenschaft ist als religios-unreligis fundamentalistisch bis rassistisch zu bezeichnen. Das fürte Jugoslavien zu ihre bitere zerstörung und milione leute in einen "leidende traumatisirte zustand" die für längere zeit das schiksal diese regions bestimt wird.

     

    Die Westeuropäische akademiker-identitet experten wolten die primitiwismus von "jugoslawen"nicht in fragen stelen , ganz im gegenteil,die lasen sie sich im stich als ob balkan gebit irgend wo nahe zu Antartischearhipelag sich befinde.

     

    In Bosnoen gibt es nicht Kroate,hochsten fundamentalistische katoliker und es gibt keine Serbe sonder hochstens fundamentalistische ortodoxe,fundamentalistische muswlime.In Bosnien gibt Bosnjaken die ale unabhänging von ihre glaubes richtung gleiche mutersprache sprechen,"jugoslavisch".

    Ob sie zu einen Volk dazugehören oder nicht wird nach die mutersprache gefragt die sie sprechen.

     

    Dieser gebit nach alles was er erlebt hat verdint eine weitere schanse und ihre identitet zugecherigkeit einmall und entgültik abzuschlisen.

     

    Noch ein beispiel;in Deutschlan gibt ungever etwa 500 000 budisten die mutersprache deutsch sprechen.Kein zurechnungs fehige mensch wurde behaupten können das die praktizirte budisten etwa JAPANER geworden sind. wisenschaft ist ein uniwerseles gut-haben das soll auch auf dem balkan möglichkeiten geben sich mit uniwersalismus und seine werte zu bedinen.