Kommentar Organhandel: Helft den Ärzten!
Die Organspendskandale von Göttingen und Regensburg offenbaren die Fehler im medizinischen System. Doch die Bundesärztekammer will von staatlichen Kontrollen nicht wissen.
E in Blick auf den Klinikalltag an deutschen Transplantationszentren zeigt: Die Skandale von Regensburg und Göttingen mögen in Ausmaß und Skrupellosigkeit einzigartig sein. Die Gefahr der Wiederholung ist groß, dass Ärzte anderswo ähnlich Daten manipulieren. Das ist nicht mit einer Hybris Einzelner erklärbar, das ist systembedingt.
Wer gezwungen ist, unter maximalem ökonomischem Druck einen Mangel zu verwalten, und wer weiß, dass er Leben verlängern könnte, hätte er bloß die dazu nötigen Ressourcen an Spenderorganen, der kann sich entscheiden: zwischen Akzeptanz und Weitermachen, zwischen Depression und Zynismus oder Jobwechsel. In Göttingen und Regensburg nun hat ein Arzt sich offenbar über das Gesetz hinweggesetzt und eigenmächtig bestimmt, wer lebt und wer stirbt. Ob aus Geldgier, Vermessenheit oder Verzweiflung – korrupt bleibt es sowieso.
Die Intransparenz und die Fehlanreize des Systems bieten Schlupflöcher und begünstigen Betrug. In jedem Fall bringen sie Ärzte in Interessenkonflikte. Das ist schwer erträglich, gehört reformiert und kontrolliert, so viel immerhin haben auch einige hohe Ärztefunktionäre erkannt.
ist gesundheitspolitische Redakteurin der taz.
Das Erkennen von Konflikten führt aber weder zu weniger Fehlverhalten noch dazu, dass die Ärzte den Anreizen automatisch widerstehen. Medizinische Systeme schaffen es aufgrund ihrer Komplexität nicht, sich aus sich selbst heraus effizient zu kontrollieren und zu sanktionieren.
Die Bundesärztekammer weigert sich, dies anzuerkennen. Wie ein störrischer Patient, der glaubt, sein Arzt wolle ihn mit einer unangenehmen Therapie bestrafen, begreift die Kammer staatliche Kontrolle immer noch als Affront. Das Gegenteil ist der Fall. Die Ärzte müssen sich helfen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung