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Gläserne Bürger und zerbrechliche Minister

Bei der EU ist zur künftigen polizeilichen Handhabung gespeicherter Telefondaten kein Kompromiss in Sicht

BRÜSSEL taz ■ Sechs Monate sind dem britischen Innenminister nicht genug. Er will, dass Verbindungsdaten aus Telefongesprächen und E-Mail-Kontakten von den IT-Gesellschaften zwei Jahre lang gespeichert werden müssen. Nur so, glaubt Charles Clarke, kann Verbrechern wie den Attentätern aus der Londoner U-Bahn das Handwerk gelegt werden. Um seine Ministerkollegen davon zu überzeugen, hat Clarke nur einen Monat Zeit: Ende Dezember endet die britische Präsidentschaft.

Ursprünglich wollten die Briten ihr Projekt mit einem einstimmigen Beschluss der Mitgliedsländer über die Bühne bringen, ohne Beteiligung des EU-Parlaments. Diese Taktik haben sie inzwischen aufgegeben. Das Parlament soll mit entscheiden, denn dann wird im Rat nur eine qualifizierte Mehrheit gebraucht. Doch die Kompromissfindung ist dadurch nicht einfacher geworden. Zwar sind die beiden großen Fraktionen, die Sozialisten und die Christdemokraten, in mehreren Punkten auf die britische Linie eingeschwenkt. Dafür stellen sich aber einige Mitgliedsstaaten quer. So will das Parlament nun entsprechend dem britischen Vorschlag erlauben, dass auch für Anrufe, bei denen keine Verbindung zustande kam, die Daten gespeichert werden. Die Mitgliedsländer sollen aber nicht verpflichtet werden, diese Bestimmung zu übernehmen. Deutschland sowie Tschechien, Estland und die Niederlande sind dagegen. Auch so genannte Bewegungsbilder, die während eines mobilen Telefongesprächs den wechselnden Standort des Anrufers aufzeichnen, will Deutschland nicht speichern lassen.

Den Zugriff auf die Daten will die Bundesregierung dagegen viel großzügiger regeln als das Europaparlament. Die Abgeordneten wollen, dass die Ermittlungsbehörden Verbindungsdaten nur dann einsehen dürfen, wenn es um eine von 32 Straftaten geht, für die auch ein europäischer Haftbefehl ausgestellt werden kann. Dabei handelt es sich um schwerste Verbrechen wie Terrorismus, Menschenhandel oder Drogendelikte. Da in Deutschland aber die Behörden derzeit auch bei Verdacht auf geringfügigere Straftaten Zugriff auf die derzeit drei Monate lang vorliegenden Telefondaten haben, will Berlin dieser Einschränkung nicht zustimmen.

Auch bei der Kostenfrage liegen Europaparlament und Bundesregierung nicht auf einer Linie. Das Parlament will die Unternehmen, die ihre Speicherkapazitäten erhöhen müssen, für die Mehrkosten entschädigen. Bundesinnenminister Schäuble lehnte das gestern ab. Inhaltlich wollte er sich zu dem geplanten Gesetz nicht äußern. Es fällt in die Zuständigkeit von Justizministerin Zypries, die schon in der rot-grünen Regierung Zweifel geäußert hatte.

Zypries wird sich heute beim Justizministertreffen in Brüssel auch über einige andere Gesetzesvorschläge beugen, die den Albtraum vom gläsernen Bürger wieder ein Stück realistischer machen. So hat die EU-Kommission angeregt, gespeicherte Einreisedaten aus dem so genannten Schengen-Informationssystem den Strafverfolgungsbehörden zugänglich zu machen. Die EU-Kommission betont, dass die Ermittler nur bei Verdacht auf eine schwere Straftat Zugang erhalten sollen. Doch sind die Daten erst einmal gespeichert, finden sich neue Nutzungsmöglichkeiten meist von selbst.

DANIELA WEINGÄRTNER

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