Ankauf von Steuer-CDs: Liberale gegen eigene Ministerin
Das Parteipräsidium distanziert sich vom Vorschlag Leutheusser-Schnarrenbergers, den Ankauf von Steuer-CDs zu verbieten. Sie habe sich verrannt.
FREIBURG taz |Auch die FDP distanziert sich von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Ihr Vorschlag, der Steuerfahndung den Kauf sogenannter Steuer-CDs zu verbieten, geht selbst der „Partei der Besserverdienenden“ zu weit. „Die Mehrheit des Präsidiums sieht den Vorschlag skeptisch“, sagte Generalsekretär Patrick Döring am Montag mit überraschender Deutlichkeit. So stark hat sich die Partei schon seit Jahren nicht mehr von Leutheusser-Schnarrenberger abgewandt.
Die Justizministerin hat sich den Ärger aber selbst eingebrockt. In einem Interview mit der Rheinischen Post schimpfte sie am Wochenende über den staatlichen Ankauf von illegal kopierten Steuerdaten. Das sei ethisch-moralisch wie juristisch bedenklich. Zugleich unterstützte sie eine hessische Gesetzesinitiative gegen Datenhehlerei. In der Folge wurde sie von Sozialdemokraten und Linken beschimpft: Ihre Initiative behindere Steuerfahnder per Gesetz und ziehe „eine Schutzzone für Steuerkriminelle“, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß.
Da hätte sie noch den Kopf aus der Schlinge ziehen und auf eine falsche Zusammenfassung des Interviews durch die Rheinische Post verweisen können. Denn die hessische Initiative nimmt den Ankauf von Steuer-CDs durch den Staat ausdrücklich von der Strafbarkeit aus.
Doch die Ministerin entschied sich, aufrecht unterzugehen und legte in der Süddeutschen Zeitung nach. Ihr Ministerium prüfe derzeit, „wie eine Regelung gegen den Ankauf illegaler Steuerdaten aussehen könnte“. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Damit hat sie sich die Forderung, für die sie bis dahin nur kritisiert worden war, doch zu eigen gemacht.
So viel Märtyrertum ging dann aber selbst der leidgeprüften FDP-Spitze zu weit. Ungewohnt deutlich signalisierte die Parteiführung der Ministerin, dass sie sich wohl verrannt habe. An der Sitzung nahm die Ministerin nicht teil. Nach Agenturangaben weilte sie in Bayern.
Im Ministerium sieht man sich aber noch nicht ganz allein – und verweist auf eine aktuelle Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV). „Der Staat darf sich nicht selbst krimineller Mittel bedienen“, sagte DAV-Präsident Wolfgang Ewer.
Auch die Unterstützung in der Bundesregierung hält sich in Grenzen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte den Vorschlag der Ministerin zum „Nebenkriegsschauplatz“. Vorrang habe für ihn der Abschluss des Steuerabkommens mit der Schweiz.
Leser*innenkommentare
Peter
Gast
Die unglaubliche Fehlleistung der tief schwarzen Bundesregierung.
hib - heute im bundestag Nr. 402, Mi, 19. September 2012 Redaktionsschluss: 10:15 Uhr
3. Regierung steht Ankauf von Steuerdaten aus der Schweiz ablehnend gegenüber
....Für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Abkommens seien die Vertragsstaaten nach Artikel 18 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge „verpflichtet, sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck des Vertrages vereiteln würden“. "
Dabei vergessend das Wiener Übereinkommen:
"Die rechtsdogmatische Schwäche des WÜRV besteht darin, dass es selbst nur ein Vertrag ist und somit keinen höheren Rang hat als die Verträge, für die seine Regelungen gelten sollen. Theoretisch wäre es also möglich, dass in einem zu schließenden Vertrage ausdrücklich von den Bestimmungen des WÜRV abgewichen wird."
http://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_%C3%9Cbereinkommen_%C3%BCber_das_Recht_der_Vertr%C3%A4ge
Die Bundesregierung setzt alles an eine Legitimation der/ihrer kriminellen Geldmachenschaft bzw. Vertuschung dieser.
Die Ministerin
Gast
Wahrscheinlich hat die Ministerin paar Gläserwein mehr getrunken als sonst. Jemand der bei sinnen ist, kommt auf so eine Idee nicht. Abgesehen davon, dass jedem bekannt ist, wofür FDP steht.
J. Pisch
Gast
Erfüllt der Ankauf der CD´s von Kriminellen nicht den Straftatsbestand der Hehlerei?
Darf der Staat sich über geltendes Recht hinwegsetzen?
Man kann der FDP nur gratulieren, dass es in ihren Reihen auch eine Ministerin mit gesundem Rechtsempfinden und Rückgrat gibt.
Um Steuerstraftaten aufzudecken, muss man sich selbst strikt an das Gesetz halten.
FranKee (Pirat)
Gast
Was ist eigentlich aus den vollmundigen Ankündigungen der Frau Ministerin geworden, "noch im ersten Halbjahr" wirksame Massnahmen gegen die deutsche Abmahnmafia (sie hat's etwas FDP-iger ausgedrückt) einzuleiten?
Ging sehr positiv durch die ganze Presselandschaft, daß sie da was tun wollte, Frau Ministerin...
https://www.google.de/search?q=Leutheuser+Schnarrenberger+Missbrauch+Abmahnungen
Hat vermutlich der FDP-Klientel nicht ins Geschäft gepasst. Dann doch lieber ein paar schicke Schutzgesetze für Steuerkriminelle, das passt schon besser...
HeyDa
Gast
Kein Gericht wird wohl ein Beweismittel ablehnen, nur weil es ein Dieb, der nichts mit der tat zu tun hat, nachträglich vom Tatort entfernt hatte.
Die Ablehnung der Steuer-CD´s ist Klientel-Politik für die Reichen in unserem Land.
Lauschfaktor
Gast
Grundsätzlich stimme ich Frau Schnarrenberger , die eine der intergersten Politiker in unseren Land ist,zu, das der Ankauf der CD´s ein absolutes No-Go ist. Warum ?
So etwas stellt nur den Anfang eines Trends dar, der absolut verwerflich ist. Was wird als Nächstes Gekauft / Verkauft ?
Datenhandel, insbesondere der von persönlichen, ist für mich etwas, das in unserer Informationsgesellschaft so viele sensible Bereiche berührt, das er komplett strafbewehrt verboten werden sollte. Und dazu zählt auch der Ankauf von Steuer-CD´s . Stattdessen sollte lieber in fähiges ausreichendes Steuerfahnderpersonal investiert werden und unsere völlig aufgeblähtes, nur für Experten durchschaubares, ungerechtes Steuerrecht endlich verbessert werden. Aber das will anscheinend keiner, stattdessen lieber weiter Steuervorteile für einige Bevölkerungsgruppen.
Achja bitte dran denken, die nächsten Wahlen kommen bestimmt.