Doku über Werner Schroeter: Sein Tumor hieß Mireille
3sat würdigt den Regisseur Werner Schroeter. Der Film kommt dem 2010 Verstorbenen sehr nahe (21.15 Uhr, „Mondo Lux“).
Künstlichkeit. Maniriertheit. Schwülstigkeit. Werner Schroeter hat so einiges abbekommen. Ein narzisstischer Exhibitionist, exhibitionistischer Narziss sei er – Einordnungen dieser Art waren über den 2010 verstorbenen Theater- und Opern-, vor allem aber Filmregisseur immer wieder zu vernehmen. Er selbst weist darauf hin, dass man ihn im Ausland, in Frankreich zumal, ganz anders, viel besser aufgenommen habe.
Es ist das einzige Mal in „Mondo Lux“, in Elfi Mikeschs Film über Werner Schroeter, dass ein Anflug von Bitterkeit zu spüren ist. Und das ist bemerkenswert, weil doch die Interviews in den letzten Jahren und Monaten seines Lebens stattfanden, als die Krankheit, die ihn töten würde, ihn zeichnete. „Er ist seinem eigenen Tod sehr, sehr mutig und würdevoll entgegen gegangen“, sagt Wolf Wondratschek. Wim Wenders sagt: „Der Tod ist das große Thema von Werners Filmen.“
Elfi Mikesch war Schroeters langjährige Kamerafrau, Freundin und Weggefährtin, sie suchte für ihren Film andere Freunde und Weggefährten auf. In dem daraus entstandenen Werk geht es nicht um Distanz, es geht um Nähe. Werner Schroeter bei der Arbeit, hochkonzentriert. Bei den Proben zu „Antigone/Elektra“ an der Volksbühne, seinen „Spiegelraum“ erklärend. Bei der deutschen Synchronisation seines letzten Films „Diese Nacht“.
Der Film zeigt Rosa von Praunheim, wie er in einer französischen Talkshow zu Schroeter sagt: „Wir waren nämlich mal ein Liebespaar, für eine kurze, tragische Zeit.“ Nun sitzen sie vor Mikeschs Kamera wieder nebeneinander, albern herum, von Praunheim liest aus der Hand, will von Schroeter den Unterschied erklärt haben zwischen einem Tumor und sich. Schroeter sagt: „Der Tumor ist in mir, er heißt Mireille und lebt um meinen Kehlkopf herum wie eine etwas eingeschnappte Krevette, Mireille, und der ist in mir und du sitzt neben mir.“
Weder Lobhudelei noch Nachruf
Der Film, den Mikesch über und mit Schroeter und all den anderen gedreht hat, ist natürlich nicht distanziert, kann es nicht sein. Er ist aber auch keine Lobhudelei und kein Nachruf. Er ist eine Hommage. Die der Gliederung nach Stichworten („Heimat“), nicht der Chronologie des Drehens folgenden Sprünge machen die krasse Veränderung von Schroeters Erscheinungsbild bewusst. Ironie, Humor, Würde, Fatalismus: „Wer mit Krankheit nicht leben kann, der sollt’ sich gleich umbringen!“
Mikesch filmte auch im Berliner Haus am Lützowplatz, wo drei Monate vor Schroeters Tod die erste Fotoausstellung seines Lebens zu sehen war, Porträts von Gefährten. Er freute sich über sein Coming-out als Fotograf, aber: „Trotzdem bin ich hier umstellt von vielen Toten.“ Schroeters erste Liebe, Siegfried, hängte sich auf, als Schroeter 13 war. Vielleicht hatte er also gar keine Wahl, was das von Wenders so genannte „große Thema“ seiner Filme angeht.
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