piwik no script img

Urteil des BundesfinanzhofsFiskus kann Kitas abkassieren

Kommunale Kitas müssen wie private Anbieter Steuern zahlen, urteilte der Bundesfinanzhof. Die Städte fürchten Schaden für den Kita-Ausbau.

Finanzielle Belastung: Kommunale Kinderbetreuung ist steuerpflichtig. Bild: dpa

BERLIN taz | Scheitert der Kitaausbau am Finanzamt? Das befürchten zumindest der Deutsche Städte- und Gemeindebund und die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom Mittwoch.

Das oberste deutsche Finanzgericht urteilte, dass Städte und Gemeinden zukünftig für ihre Kitas Steuern zahlen müssen. Sie unterlägen genauso der Pflicht der Körperschaftsteuer wie private Betreiber und dürfen daher nicht begünstigt werden.

„Es ist alles schädlich, das Geld aus dem System nimmt. Die Kommunen sind ohnehin mit dem Aufbau von Kitaplätzen überfordert“, sagt Harald Giesecke, Ver.di-Bundesfachgruppenleiter für Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe, der taz. Um den ab August 2013 geltenden Rechtsanspruch auf Betreuung der unter Dreijährigen einzuhalten, müsse jeder Cent investiert werden.

In Anbetracht eines zu erwartenden Null-Ergebnisses beim Fiskus mache die Körperschaftsteuerpflichtigkeit keinen Sinn, sagte auch Agneta Psczolla, Sprecherin des Städte- und Gemeindebundes. Damit komme auf die Kommunen nur zusätzliche Arbeit zu.

Kinderbetreuung im Wettbewerb

Im entschiedenen Fall ging es um den geringen Betrag von 291 Euro. Eine Stadt in Nordrhein-Westfalen wurde vom Finanzamt aufgefordert, auf den geschätzten Jahresgewinn von 5.000 Euro der städtischen Kindergärten Steuern zu zahlen. Dagegen hatte die Stadt zunächst mit Erfolg vor dem Finanzgericht Düsseldorf geklagt: Das Gericht sah in der Kita einen Hoheitsbetrieb. Kinderbetreuung sei eine ureigene staatliche Aufgabe und müsse somit steuerbefreit sein, so die Richter.

Dem widersprach nun das höchst deutsche Steuergericht: Ausschlaggebend sei vielmehr, dass die kommunalen Kitas in einem „Anbieter- und Nachfragewettbewerb“ zu privaten Kitas stehen. Das Betreiben von Kindertagesstätten sei nicht der öffentlichen Hand „eigentümlich“ oder ihr allein vorbehalten.

Laut Städte- und Gemeindebund sind derzeit jedoch um die 35 Prozent der Kitas in kommunaler Trägerschaft. Der Rest wird von Kirchen oder gemeinnützigen Vereinen betrieben. Sie alle dürfen keinen Gewinn erwirtschaften – anders als Kommunen, die den Kitabetrieb häufig in privaten Rechtsformen organisieren und damit formal Gewinn erzielen können. Der Anteil der privaten Kitas beträgt derzeit nur knapp 5 Prozent. Laut Bundesfamilienministerium fehlen bundesweit noch rund 233.000 Kitaplätze.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • N
    noevil

    Das Urteil des Bundesfinanzhofs: fatal. Die Kindergärten werden so gezwungen, Gewinn erzielend zu arbeiten. Das treibt die Preise in die Höhe und trägt häufig die finanziellen Lasten zu denjenigen, die auf Kindergärten angewiesen sind und es sich - eine Gemeinsamkeit mit den Kommunen - nicht leisten können.

     

    Die einen können sich die Preise nicht leisten, die anderen den Verzicht darauf nicht.