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Fußball in ItalienRitter des Bösen

Juventus Turin pflegt eine Kultur der Geschichtsklitterung. Ein Sieg über den von Zdenek Zeman trainierten AS Rom kommt da gerade recht.

Zu stark für Rom: Juve-Spieler Sebastian Giovinco. Bild: reuters

Profifußball hat nichts von einem Märchen an sich. Während bei Letzterem ab und an die Guten gewinnen, schlugen in der Serie A wieder einmal die Ritter des Bösen zu. Unbarmherzig, gnadenlos und in großer technischer Perfektion fegte Juventus Turin den von Zdenek Zeman gecoachten AS Rom hinweg.

Nichts war zu sehen von dem Offensivfußball, als dessen Urvater der 65-jährige Tscheche zumindest in seiner zweiten Heimat Italien gilt. Juventus war einfach zu stark und landete mit dem 3:1 auch einen symbolisch wichtigen Sieg. Denn Zeman vs. Juventus gilt seit 1998 als ein Duell zwischen Lauterkeit und Wahrheitsbiegung.

In jenem Jahr konstatierte der auch damals für den AS Rom tätige Zeman bei Turiner Spielern so dicke Muskelpakete, dass eine Dopingermittlung der Staatsanwaltschaft eine ganze Mannschaftsapotheke – inklusive Epo – beim Teamarzt zutage förderte.

Zeman hielt auch beim Schiedsrichterbestechungsskandal 2006 nicht still. „Für mich hat Juventus 22 oder 23 Scudetti (Titel; eigentlich sind es 28), aber nicht mehr“, äußerte er und deutete damit an, dass der Beeinflussungsmechanismus, der juristisch nur für zwei Titeljahre nachgewiesen wurde, länger in Gang gewesen sein könnte.

„Ich rede nur vom Fußball“

Zemans Vermutungen werden inzwischen vom Wirtschaftswissenschaftler Tito Boeri gestützt. Der Exberater der Weltbank fand die Betrugsmuster der Saison 2004/05 auch in früheren Spielzeiten wieder. „Das gilt vor allem für die Wintermonate, wenn sich herauskristallisiert, welche Mannschaften noch um welche Ziele kämpfen“, schreibt er in dem in diesem Jahr herausgekommenen Buch „Ich rede nur vom Fußball“. Er bezeichnete Schiedsrichter, die kurz vor dem Aufstieg in die internationale Kategorie stehen, als am anfälligsten für Korruption.

Einflussreiche Klubmanager wie Luciano Moggi konnten medialen Druck auf sie ausüben. „Der Ruf eines Schiedsrichters ist essenziell. Wer in den wichtigsten Sportsendungen massiv kritisiert wird, hat weniger Aussichten, international nominiert zu werden“, stellte Boeri fest und ergänzt: „Die Schiedsrichter, die nicht kollaborierten, wurden am härtesten kritisiert. Jeder stand vor der Wahl, mit prinzipienlosen Managern zusammenzuarbeiten oder auf einen Karrieresprung zu verzichten.“

Solche Tatsachen werden in Turin gern ausgeblendet. Zwar trennte sich der Verein von dem Hauptverantwortlichen Moggi. An dessen Erbe hält er aber fest. Das symbolisiert nicht nur die Zahl 30 – für die vermeintlich errungenen Meisterschaften – im Eingangsbereich des neuen Stadions. Die erschlichenen Titel werden sogar mit einer Liveperformance unmittelbar vor Anpfiff gefeiert.

Karaoke des Titelzählens

Zwei bezahlte Einpeitscher forderten am Samstag die Fans zu einem Karaoke des Titelzählens auf. Die stellten den Gesang nicht bei der Ziffer 28 ein, der vom Fußballverband FIGC offiziell anerkannten Anzahl der Meistertitel, sondern krakeelten weiter bis 30. Dieses Verhalten entspricht dem eines Alberto Contador, der beim Vuelta-Sieg 2012 sieben Finger spreizte, um anzudeuten, er hätte ebenso viele Rundfahrtsiege auf seinem Konto. Es sind aufgrund einer Dopingsperre aber nur fünf.

Dass Juventus sich auf einer so minderen moralischen Stufe positioniert wie ein Einzelsportler aus der derzeit am stärksten geächteten Sportart, lässt tief blicken. Kein Wunder also, dass Zeman im Stadion mit Pfiffen empfangen wurde. Der Sieg von Juventus ließ auch die Teflonschicht ein wenig fester werden, an der Fragen zu den jüngsten Anschuldigungen des Ex-Parma-Profis Matias Almeyda über Doping in der Serie A und das Verschieben einer Begegnung zwischen Parma und Roma im Juni 2001 abperlten.

Klar ist: Die Geschichte des italienischen Fußballs wird oftmals nicht auf dem Platz geschrieben. Man muss sie sich nicht selten aus Gerichtsakten, Studien von Ökonomen und den ebenfalls nicht zahlreichen Geständnissen Spätbereuender zusammenklauben.

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