Geldgeber-Rechte beim Crowdfunding: Fass ohne doppelten Boden
Die Crowdfunding-Plattform Kickstarter verschärft seine Regeln um Geldgeber zu schützen. Bei jedem Projekt muss nun auf „Risiken und Probleme“ hingewiesen werden.
Über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter kann jedermann ein Projekt bewerben, dafür Geld von anderen einsammeln und dann das versprochene tun – oder auch lassen. Sängerin Amanda Palmer sammelte fast 1,2 Millionen US-Dollar von ihren Unterstützern ein, eines von laut Firmenangaben über 30.000 erfolgreichen Finanzierungsprojekten. Und ist eines von insgesamt zwölf, die mehr als eine Million Dollar einsammelten. Ein 3D-Drucker-Projekt sammelte vor wenigen Tagen in 24 Stunden mehr als 800.000 Dollar ein. Bis zum Montag stieg die eingenommene Summe auf über 1,3 Millionen US-Dollar.
Kickstarter sei „kein Laden“, erinnern die Macher. Doch manche der Nutzer verstehen die Plattform anders: als Vorfinanzierungsplattform. Wer Amanda Palmer mehr als 50 Dollar gab, soll zum Dank eine Vinylscheibe ihres so finanzierten Albums erhalten. Das Spielekonsolen-Projekt Ouya, das 8,5 Millionen Dollar einsammelte, will seinen Unterstützern ab 95 Dollar mit einer der selbstentwickelten Spielkonsole danken.
Ob ein Projektvorschlag seriös ist, ob der Einreichende ihn auch umsetzen will oder ob er realistisch ist, dafür fühlt sich Kickstarter kaum verantwortlich. Ganz so, wie auch seine Artgenossen mit illustren Namen wie Indiegogo, Inkubato oder Startnext. Das zu prüfen obliege im Grundsatz den GeberInnen („backers“), so die Idee.
Weil es daran vehement Kritik gab, gibt es nun neue Regeln gibt: ab sofort muss jedes Projekt bei Kickstarter auch eine „Risiken und Probleme“-Angabe machen („What are the risks and challenges this project faces, and what qualifies you to overcome them?“). Und fotorealistische Abbildungen von Produkten, die bislang nur auf dem Papier existieren sind zukünftig verboten. Eigentlich könnte es Kickerstarter egal sein, ob ein Projekt floppt.
Fünf Prozent für die Betreiber
Die Plattform verdient an jedem „erfolgreichen“ Projekt. Fünf Prozent der gegebenen Summe gehen an die Betreiber. Und „erfolgreich“ meint nur eines: ausfinanziert. Doch kaum etwas könnte verheerender für die Crowdfunder sein, als eine wachsende Anzahl an Betrugsprojekten oder solchen, die nach der Finanzierung in der Umsetzung scheitern.
Noch steht auf der Website: „Du wirst niemals irgendwelche Beträge, die Du über Kickstarter bekommen hast, zurückzahlen müssen.” Doch auch dieser Grundsatz scheint zu wackeln. Tatsächlich erinnert der Vorgang an die frühen Zeiten von Plattformen wie e-Bay: zu Beginn gab es dort kaum Regeln, bis Betrüger sich dort zu tummeln anfingen. Wer heute „mal eben“ etwas ver- oder ersteigern will, sieht vor lauter Regeln kaum mehr den Charme, den die Onlineauktionen einmal gehabt haben sollen.
AirBnB, die Wohnungsvermietplattform, musste nach den ersten Missbräuchen ebenfalls schärfere Regeln einziehen. Statt an Erlebnisklicken erinnert heute manche ehemals so hippe Plattform eher an die Bürokratie eines Behördenganges. Wie auch Ebay und AirBnB ist Kickstarter als eine kommerzielle Firma an den Start gegangen. Ihr – überaus legitimes – Ziel ist es, selbst Geld zu verdienen.
Themengebiete verboten
Weshalb sie sich auch vom Start weg einige heikle Themengebiete komplett verboten hat: Babyprodukte, Kosmetik, Pornografie, Waffen und Medikamente sind beispielsweise auf der Plattform nicht zugelassen. Hier, dies hat Kickstarter schon früh bemerkt, droht Ungemach. Dass dieser auch an anderen Stellen lauern kann, ist eine der Erfahrungen, die die Betreiber nun gemacht haben.
Am Ende ist der Weg voraussehbar: die Crowdfunding-Plattformen werden den Verwaltungskostenanteil erhöhen, daraus eine Art Versicherungssumme bilden und bei im Nachhinein gescheiterten Projekten zumindest einen Teil der geleisteten Zahlungen zurückerstatten. Ob das noch spannend sein kann, entscheiden dann die Nutzer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!