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Griechen in Deutschland„Die betreiben keine Fabriken“

Die griechische Community in Deutschland kann Migranten nur begrenzt helfen, sagt Kostas Papanastasiou. Dafür fehlt schlicht das Vermögen.

Können nicht allen helfen: Kleine griechische Restaurants in Deutschland. Bild: dpa
Daniel Bax
Interview von Daniel Bax

taz: Herr Papanastasiou, viele junge Griechen flüchten vor der Krise in ihrem Land nach Berlin. Kommen sie auch zu Ihnen?

Kostas Papanastasiou: Jeden Tag rufen drei, vier Leute bei mir an. Sie gehen von Restaurant zu Restaurant, ob es nun Aphrodite oder Akropolis heißt, und fragen, ob sie in der Küche spülen dürfen. Manche vermittle ich an Kollegen weiter. Aber ich kann natürlich nicht allen helfen, und das macht mich traurig.

Was können die Griechen, die schon lange hier in Deutschland leben, für die Neueinwanderer tun?

Die griechisch-orthodoxe Kirche, die griechische Botschaft oder die griechischen Vereine hier können da nur sehr begrenzt etwas tun. Was sollen sie auch machen? Die Griechen, die hier sind, betreiben kleine Restaurants und ähnliche Gewerbe, keine Fabriken. Und sogar die griechischen Restaurants leiden teilweise unter dem schlechten Bild, das manche Medien in Deutschland von Griechenland zeichnen.

Sie gehörten zur ersten Generation griechischer Emigranten, jetzt gibt es eine neue Welle. Wiederholt sich die Geschichte?

Die jungen Griechen, die heute kommen, sind besser ausgebildet. Aber sie sind dieses harte Leben nicht gewohnt – dass es einen Tag lang nichts zu essen gibt oder dass sie sich zu fünft ein Zimmer teilen müssen.

Wie empfinden Sie die Haltung der Bundesrepublik gegenüber Griechenland?

dpa
Im Interview: 

Kostas Papanastasiou, 75, bekannt als Lindenstraßenwirt „Sarikakis“, betreibt in Berlin das griechische 68er Lokal „Terzo Mondo“. Am 4. Oktober erhält er das Bundesverdienstkreuz.

Als ich von der hohen Selbstmordrate in Griechenland erzählte, sagte mir ein alter Bekannter, ich solle nicht so sentimental sein. Viele Leute vergessen offenbar, dass es eine Zeit gab, in der Deutschland auf dem Bauch lag. Wie man Griechenlands Problemen heute begegnet, ist leider ganz anders, als wie Deutschlands Probleme nach dem Krieg gelöst wurden.

Es fehlt Ihnen an Solidarität?

Die Griechen von heute wissen genau, wie ihr Land einst gegen die Nazis gekämpft und welche Opfer es gebracht hat. Trotzdem hat Griechenland nie Reparationszahlungen von Deutschland verlangt. Im Gegenteil: Griechenland war das erste europäische Land, das ein deutscher Bundespräsident besuchte. Und 1952 wurde in Athen das erste Goethe-Institut eröffnet. Warum ist es da jetzt so schwer, einem kleinen Land wie Griechenland zu helfen, von dem es es heißt, dass es nur 2 Prozent der europäischen Wirtschaft ausmacht?

Sie haben früher humanitäre Hilfe für Georgien organisiert. Sind Sie auch für Griechenland schon aktiv geworden?

Ich habe Ende August dieses Jahres 20 Prozent meiner Einnahmen einem Altersheim und einer Suppenküche in meiner Heimatstadt Karditsa gespendet. Die Zahl solcher Küchen hat in Griechenland rapide zugenommen. Am 4. Oktober, wenn ich das Bundesverdienstkreuz erhalte, werde ich diese Aktion wiederholen.

Das ist wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, oder?

Natürlich. Ich bin deshalb mit der griechischen Sektion der Organisation Ärzte der Welt in Kontakt. Sie unterhalten Polikliniken, in denen sie arme Patienten kostenlos und ehrenamtlich behandeln. Wir halten jetzt jeden Mittwoch im Terzo Mondo einen runden Tisch ab und überlegen uns, wie wir ihnen langfristig und nachhaltig helfen können.

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8 Kommentare

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  • interessant zu sehen, daß die Deutschen, wenn es um die Griechen geht, sehr zurückhaltend sind und diese sogar unterstützen und verteidigen. Man wünschte sich dieselbe Haltung, wenn es um andere Völker geht. Doch da scheinen die Vorurteile stärker zu sein als die Vernunft.

  • A
    Anna

    Die südlichen Länder waren alle scharf auf den Euro. Brüssel hat diesen Ländern jährlich Milliarden überwiesen. Alle wollten die Hände aufhalten. Für jeden Olivenbaum gab es Geld, auch wenn er vertrocknet war. Hörte sich ja alles sehr gut an. An Sparprogramme hatte kein Land gedacht und schon gar nicht vorgenommen. Jetzt haben sie die Misere.

    GB tut gut daran den Euro nicht einzuführen.

    In Griechenland gibt es ja noch nicht einmal eine richtige Wirtschaftspolitik. Es herrscht Chaos in den Verwaltungen. Das Volk muß es jetzt ausbaden.

    Raus aus dem EURO, ansonsten ein Faß ohne Boden.

  • DZ
    Dimitris Zois

    Liebe Freunde aus Deutschland,

    Natuerlich haben "Hausgemachte Probleme" in Griechenland vieles zu der Krise im Land beigesteurt. Leider haben viele in Deutschland immer noch nicht verstanden das die Maerkte, die Banken und eine neoliberale Politik Europa ruinieren.Im Fall Griechenland haben "die Woelfe"und das Rudel zunaechst den Schwaechsten ausgesucht.Die naechsten waren die Portugiesen,dann die Spanier und Italiener.Die Franzosen spuren bereits die naehe der "Woelfe".Die Deutschen werden in ca 6-8 Monaten(wenn nicht diese Politik sich aendert)die aussichtslose Politik in Europa aus enster naehe erleben.

    Griechenland hat das Unglueck die Experimente der neoliberalen Troikapolitik am eigenen Leib zu erleben.Darueber hinaus hat das griechische Volk Erniedrigungen erdulden muessen wie kein anderes Volk in den letzten 70 Jahren.Deutschland hat dabei politisch und finanziell enorme Gewinne gemacht (68 Mrd.).Es ist vielleicht Zeit Tacheles zu reden.

  • JE
    Jan Engelstädter

    @ Winfried Schneider:

    Ob die gut 9,2 Mrd. Euro, die D 2010 in den großen Topf netto einzahlte (Quelle: http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/europa/70580/nettozahler-und-nettoempfaenger), nun als "Entwicklungshilfe für die Ränder Europas", "Regional- und Strukturfonds" oder "Reparationen" genannt werden, ist aus deutscher Sicht ziemlich egal - das Geld steht für innerstaatliche Bedürfnisse nicht mehr zur Verfügung (und macht rund 31% der insgesamt über die EU umverteilten Mittel aus, nicht bloß 27,x%, wie es der Wirtschaftsleistung entspräche). Ein gewisser Reparationsfaktor ist also auf alle Fälle dabei - oder als was würden Sie diese Differenz klassifizieren?

  • E
    Ente

    Wer wollte unbedingt den EURO? Unsere Politiker, sprich unsere Wirtschaft, unser Kapital. Wem nützt der EURO? Unserer Wirtschaft, also auch ein klein wenig uns. Natürlich nur soviel die soziale Schere für die 90%, zu denen auch ich gehöre, zulässt. Was bringt unsder EURO noch? Bessere Reisemöglichkeiten, vergleichbare Preise,...

    Unser "gutes" Geld geht z.B. nach Griechenland!

    Das stimmt, aber wo geht es genau hin?

    Es geht z.B. gleich zurück zu deutschen Waffenproduzenten, es bleibt hängen bei korrupten griechischen Politikern.

    Die Griechen sind faul. NEIN, nicht die 90%!

    JA, es gibt Sozialschmarotzer, wie bei uns.

    Viele Grüsse aus Rhodus, ein Europäer.

  • WS
    Winfried Schneider

    @Jan Engelstädter: Sie meinen, die EU zahlt GR Reparationen anstelle Deutschlands wg. dessen WKII-Schuld? Vielleicht denken Sei einfach noch mal gründlich nach.

  • A
    anke

    Ein Bundesverdienstkreuz für Leute, die ein Viertel der Tageseinnahmen ihrer Wirtschaft einer Suppenküche spenden. Schön, so viel Ehre. Milliarden-Gewinne in Bar allerdings für die, die Griechenland mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in die Pleite getrieben haben. Auch nicht schlecht. Ich denke, ich würde der Bundesregierung sagen, dass sie sich ihren Orden hinter den Spiegel stecken kann. Aber ich bin ja auch kein Grieche.

  • JE
    Jan Engelstädter

    Liebe taz-Redaktion,

     

    informiert doch bitte Herrn Papabastasiou (und den Interviewer am besten gleich mit), dass Griechenland jedes Jahr rund 2 Mrd. Euro aus Deutschland erhält, seit Jahrzehnten und geschenkt.

    Zwar nicht als Reparation, sondern als deutschen Beitrag zu dem, was GR netto von der EU bekommt - aber die Überschrift für die Zahlungen könnte man wohl leichter ändern als die Zahlungen selbst.