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Verteilungskampf in der RindermarkthalleWenig Raum, viel Bedarf

Bei der Vergabe der gefragten Flächen für eine stadtteilbezogene Nutzung in der Rindermarkthalle gibt es Ärger.

Der Streit um Flächen ist entbrannt: die Rindermarkthalle in St. Pauli Bild: Miguel Ferraz

Seit klar ist, dass Edeka in der Rindermarkthalle auch stadtteilbezogenen Projekten zum Preis von fünf Euro pro Quadratmeter Räume vermieten will, gibt es Ärger. Eigentlich wollte Edeka die Konflikte bei der umstrittenen Planung des Areals am Neuen Kamp entschärfen. Doch der Bedarf im Stadtteil ist viel zu groß, die in Aussicht gestellte Fläche von 800 Quadratmetern viel zu knapp bemessen – da sind sich die Stadtteilinitiativen einig. Sie befürchten aber, dass bei der Raumvergabe Interessen gegeneinander ausgespielt werden.

„Schon jetzt sind Initiativen, die die Räume gern für eine Musikschule, Skaterbahn oder das St. Pauli-Archiv gemietet hätten, abgeschreckt, weil sie nicht mit anderen Bewerbern aus dem Stadtteil konkurrieren wollen“, sagt Harald Lemke. Wie viele Anwohner hat sich Lemke seit mehr als zwei Jahren für eine anwohnerorientierte Planung des Geländes eingesetzt. Die Anwohnerinitiative „Unser Areal“ hat eine selbstorganisierte Bürgerbeteiligung initiiert. „Die wurde mit der jetzigen Planung ausgebremst“, sagt Lemke.

Zahlreiche Initiativen aus dem Stadtteil und sozio-kulturelle Einrichtungen haben längst beim Bezirksamt und den zuständigen Planern angeklopft, um ihr Interesse an Räumen zu bekunden. Im Rennen sind neben einer HipHop Akademie, einer Tagespflege und einer Musikschule verschiedene Stadtteilinitiativen und Künstler aus dem Stadtteil.

Die Rindermarkthalle

Im Frühjahr 2014 soll die Halle eröffnet werden.

Im Erdgeschoss sind die Flächen verplant. Die reine Verkaufsfläche beträgt bei Edeka 4.700 Quadratmeter (qm), bei Budnikowsky 720, Aldi bekommt 1.010 qm.

Die Markthalle soll 3.500, die Gastronomie 880 qm bekommen.

Im ersten Obergeschoss sind geplant: eine Kita auf 900 qm, die Moschee bekommt 790, weitere 1.100 werden Büros.

Für die stadtteilbezogene Nutzung dürfen sich sozio-kulturelle Einrichtungen und Initiativen um 800 qm kloppen.

„Die Flächen sind für Künstler bestens geeignet“, sagt Markus Birzer. Birzer, der im Auftrag der Stadt Bürgerbeteiligungsprozesse moderiert hat, engagiert sich ehrenamtlich für die Künstler aus dem Karo-Viertel. Die Situation der Künstler sei wegen der steigenden Mieten schlimm. Über einen Verein ließen sich die Räume für Ateliers und Ausstellungen nutzen, sagt er.

Peter Maßmann vom Planungsbüro Maßmann und Co soll nun Ordnung in das Verfahren bringen. Im Auftrag von Edeka soll er ein Konzept für die Nutzung erarbeiten und sich um die Vermietung der Flächen kümmern. Maßmann versteht sich nach den vorangegangenen Konflikten als „Puffer zwischen Edeka, die natürlich Geld verdienen wollen, und den Anwohnern, die möglichst viel Raum und Mitsprache fordern“. Durch Edeka sei vieles bereits vorgegeben, sagt er. „Wir entwickeln ein Konzept für die Nutzung des Obergeschosses, für die Gastronomie und die geplante Markthalle.“

Böse Zungen behaupten, dass am Ende diejenigen den Zuschlag bekommen, die am lautesten schreien. Maßmann widerspricht: Eine Vergabe-Jury mit Vertretern von Edeka, dem Bezirk und dem Stadtteil soll im kommenden Jahr die Bewerbungen sichten und entscheiden, welches Konzept sich am besten für die Räume eignet. Für Maßmann sind alle Ideen, die sich an die Kinder im Stadtteil richten, klar im Vorteil.

Lemke kritisiert, dass Maßmann und sein Kollege Torsten Hönisch mit dem Vergabeverfahren beauftragt wurden. Beide seien Mitglieder der SPD, das sei für den Beteiligungsprozess „fragwürdig“. Auch das Maßmann zahlreiche Projekte für den Shoppingcenter-Riesen ECE entwickelt hat, kommt bei den Initiativen, die sich für selbstorganisierte Räume eingesetzt haben, nicht gut an.

Am Sonntag plant die Initiative Grün-Areal eine Alternativveranstaltung zum Planungsworkshop, bei der ihre Vision eines öffentlichen Gartens auf der Außenfläche der Rindermarkthalle im Kleinformat an der Marktstraße präsentiert werden soll.

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1 Kommentar

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  • A
    Anwohner

    Klarzustellen wäre, dass Peter Maßmann nicht irgendein Mitglied der SPD ist. Er sitzt immerhin im Landesvorstand Hamburg.

    Das ist dann schon interessant, wenn das "Beteiligungsproblem" durch die Komplettvermietung an EDEKA privatisiert wird und sich die SPD durch die Projektentwickler ihren Einfluss sichert. Die Menschen im Viertel dagegen sollen nun auf EDEKAs guten Willen hoffen. Offiziell haben Bezirksverwaltung und Politik die Hoheit über die Nutzung damit abgegeben und damit auch die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung.

    Das Areal ist theoretisch städtisches Eigentum - praktisch ist es komplett privatisiert.