Kommentar Defizite im Kinderschutz: Schwieriger Balance-Akt
Die Jugendämter haben einen schwierigen Auftrag. Sie müssen kontrollieren. Verbreiten sie dabei Angst, ist das schnell kontraproduktiv.
Z u hören, dass ein dreijähriger Junge in einem Keller eingesperrt war und das Jugendamt es nicht bemerkte, erschüttert. Keine Frage: Die zuständigen Ämter brauchen mehr Personal. Wenn die Zahl der Kinder, die in Obhut genommen werden, so stark steigt, ist das ein klares Zeichen für eine Zunahme der Probleme.
Mit Schuldzuweisungen ist es weniger einfach. Die Jugendämter haben einen schwierigen Auftrag. Sie müssen Kinder schützen und dafür sorgen, dass sie gut aufwachsen. Das haben sie auch bei dem Segeberger Dreijährigen versucht: mit angemeldeten Kontrollbesuchen.
Wären sie unangemeldet gekommen, hätten die Mitarbeiter den Jungen im Keller wohl früher entdeckt. Aber eine Behörde, die so handelt, ist auch eine, die Angst verbreitet. Diese Angst wiederum kann Eltern zu weiteren, noch weniger rationalen Versteck-Aktionen verleiten: In Hamburg verhungerte 2005 ein Kind, von dessen Existenz die Behörden nichts wussten.
Es gilt Vertrauen aufzubauen, Eltern zu unterstützen – und sie dazu zu bringen, Hilfe auch anzunehmen. Erst wenn das nicht funktioniert, bleibt die Herausnahme der Kinder. Eine Inobhutnahme ist keine gute Nachricht, sie ist das allerletzte Mittel.
Dass ihre Zahl steigt, liegt daran, dass sich die Sensibilität für Kinderschutz erhöht hat. Es zeigt aber auch, dass familienunterstützende Hilfe vielfach nicht greift oder zu spät kommt. Beides muss sich bessern.
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