piwik no script img

TourismusSeilbahn nicht totzukriegen

FDP und Handelskammer drängen in einem dritten Anlauf auf die Realisierung der nördlichen Teilstrecke der Seilbahn von St. Pauli zum Musicaltheater im Hafen.

Traum der Handelskammer: Seilbahn über Hamburg. Bild: dpa

Das Thema Gondelbahn ist zurück. Es ist der dritte Anlauf, die Stadt und vor allem St. Pauli um einen weiteren Touristenmagneten zu bereichern: Nun hat die Handelskammer die Pläne für eine Seilbahn über die Elbe wieder aus der Versenkung geholt – die FDP-Fraktion springt auf und bringt mit einem Antrag das Thema in die Bürgerschaft ein.

Nachdem sich in einer Umfrage der Handelskammer eine Mehrheit von 75,2 Prozent von rund 600 Gewerbetreibenden in St. Pauli und der Neustadt für die Gondel-Pläne ausgesprochen haben, ist die Seilbahn jetzt zur Chefsache geworden. Zum Auftakt zu weiteren Gesprächen kamen am Mittwochabend Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), Oberbaudirektor Jörn Walter und Mittes Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) zusammen, um über einen möglichen Bau der nördlichen Teilstrecke zwischen St. Pauli und dem Musicaltheater im Hafen zu beraten.

Das Musical-Unternehmen Stage Entertainment und der Seilbahnbauer Doppelmayr wollen privat finanziert eine Seilbahn mit zwei Teilstrecken von St. Pauli über den Hafen bis nach Wilhelmsburg bauen. Bislang lehnte der Wirtschaftssenator die Gondel-Pläne über das Hafenareal ab. Nur die nördliche Strecke bis zum Musicaltheater „König der Löwen“ komme für ihn in Frage. Bei mehreren Diskussionsveranstaltungen gab es scharfe Kritik von Anwohnern. Sie befürchten eine weitere Eventisierung von St. Pauli.

„Die Diskussion über eine Seilbahn lief bereits in vergangenen Legislaturperioden, ohne dass es zu einer Entscheidung gekommen ist“, sagt der Sprecher der Senatskanzlei, Christoph Holstein. Heute sei man aber einen Schritt weiter. Es werde diskutiert, inwiefern eine Seilbahn ins Stadtbild passe. Der besondere Reiz an der Seilbahn sei allerdings nicht mehr gegeben, denn mit dem südlichen Streckenteil fällt nun die Anbindung an die internationale Gartenschau (IGS) weg. „Daher gibt es keinen Zeitdruck für eine Entscheidung mehr“, so Holstein. Der Senat wolle dennoch in dieser Legislaturperiode entscheiden.

Die Pläne, mit dem südlichen Streckenabschnitt auch Wilhelmsburg anzubinden, sind damit vom Tisch. Während für die FDP vor allem der touristische Aspekt zählt – sie die Seilbahn als ein „Highlight für jeden Hamburg-Besuch“ handelt – halten die Grünen an der südlichen Anbindung fest. Mit der Seilbahn könnten die S-Bahnen entlastet werden, so der verkehrspolitische Sprecher in der Bürgerschaftsfraktion, Till Steffen. „Wenn die Seilbahn über den Hafen hinaus nach Wilhelmsburg führte, wäre sie mehr als nur eine Touristen-Attraktion.“

Das Bezirksamt Mitte und die Bezirksversammlung lehnen die Seilbahn als ein touristisches Projekt ab. Kritik kommt auch von der Linken-Fraktion. Deren Bürgerschaftsabgeordneter Tim Golke hält den Antrag der Liberalen für eine „FDP-Satire“. Eine rein privatwirtschaftlich betriebene Seilbahn habe nichts mit Öffentlichem Nahverkehr zu tun, sagt er. Außerdem passe ein 91 Meter hoher Stützpfeiler nicht ins Stadtbild. Auch aus touristischer Sicht sei es nicht angemessen, wenn Musical-Besucher in einer Hafenstadt mit einer Seilbahn statt mit Schiffen die Elbe überqueren.

In zwei Wochen wird sich die Bürgerschaft mit dem Antrag der FDP auseinandersetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • RV
    realistische Verkehrspolitik

    "Mit der Seilbahn könnten die S-Bahnen entlastet werden, so der verkehrspolitische Sprecher in der Bürgerschaftsfraktion, Till Steffen." - Stimmt, wenn die Seilbahn im HVV-Tarifsystem eingebunden wäre, wenn sie alle 5 - 10 Minuten fliegen würde, wenn die Gondeln ausreichend Platz für 500 - 800 Leute böten, wenn Till Steffen was von Verkehrspolitik verstünde, zusammengefasst also: wenn die Erde eine Scheibe wäre...

  • S
    Stefan

    @ Bloß nicht!

     

    Haha, eine Seilbahn ist ja auch mal sowas von "progressiv", hohoho!

  • BN
    Bloß nicht!

    Ich bin strikt dagegen, sowas ist viel zu progressiv. Da könnte ja jeder kommen mit solchen Ideen. Ich finde im 12ten Jahrhundert war alls wesentliche gedacht und erfunden, wir sollten uns auf keinen Fall darüber hinausbewegen, das wäre nur Effekthascherei.

  • TA
    TUIrismus absurd

    Klar das die FDP dabei ist. Von Sylt aus können Tagesausflüge zur FunnCity geboten werden.

    Ich würde für eine dauerhafte "Wuuul" Kunstinstallation, der Bratling-Weitwurf-Aktion sein.

    Muss man bloß aufpassen das keine Gondel getroffen wird, von einem dicken fettigen Hamburger mit Tomatensauce.

     

    Die FDP ist eine Realsatire, will Hamburg zum Miniatur Wunderland ausbauen.

    Eine späte Rache der Engländer? Nachdem sie die gesamte hamburger Industrie demontiert und in England aufgebaut hat.

    Wie wäre es mit einer originalgetreuen Nachbildung, die Köpfung des Störtebeker´s?

  • A
    A.Fetel

    Danke SyStö. Nebenher:

     

    Man sollte Mal mit den Leuten sprechen die sie dann vor der Haustüre hätten. Wo es eh überfüllt ist...

     

    .. in Barmbek lebend stört mich doch eine Seilbahn am Hafen nicht, von der Planung ich 2 Min vor der Umfrage erfahren habe, und um dessen Konsequenzen für das Umfeld ich nichts sagen kann, weil ich den Alltag am Hafen nicht kenne. Was für ein Murcks!! Was nutzt eine Statistik mit Menschen die( mit dem Auto) aus Pinneberg für einen Sonntagsausflug dorthin kommen würden, um ein Mal für 7- 19 Euro hin und her zu gondeln. Nahverkehrspreise wird es nämlich nur für die Anwohner geben, die aber überhaupt(!) keinen Grund haben zu gondeln( Warum? Wohin??)

    Dieses nutzlose Anwohnerticket hört sich wie eine Entschuldigung an, dass man Ihnen diese Türme vor die Nase setzt, mit denen nur mehr Leute und NOCH mehr Autos verbunden sind..

     

    Es gäbe- um praktisch und konstruktiv- ran zu gehen 2 weitere Möglichkeiten diese Bahn zu bauen, beide an Punkten in der Hafencity, die ja Belebung brauchen könnte. Gleichzeitig würde man das Massen- touristisch völlig überbelastete St.Pauli nicht noch weiter belasten, entzerren UND die Hafencity mit und St.Pauli verbinden, eine entsprechende U bahn( weiteres Argument!) befindet sich ja im Bau. Ist doch wunderbar. Starten mit der Gondel in der Hafencity, Theater, raus an den Landungsbrücken, rüber nach St.Pauli...

     

    ... dann sollen die Massen von dort starten, in einer Art Route und glücklich aus der Luft auf die " Cruise Days" gucken, oder der Schlagermove Party...

     

    ..Interessentarnweise möchten man DORT keinesfalls einen Sammelpunkt an Massentourismus errichten, dort bitte sollen diese Menschen bestenfalls durchfahren.

     

    Aber keinesfalls bleiben.

  • D
    Detlev

    So eine Seilbahn sieht einfach fürchterlich aus. Und Touristen gibt es genug in Hamburg, die brauchen so eine Seilbahn auch nicht.

  • S
    SyStö

    Laut NDR http://www.ndr.de/regional/hamburg/seilbahn141.html gab es bei der Umfrage einen Rücklauf an Stimmzetteln von ca. 10 % der befragten Betriebe. Wie groß die Zahl der Befürworter tatsächlich ist, lässt sich ausrechnen und 75% sind es bei weitem nicht. Da hätte ich mir eine präzisere Angabe gewünscht. So entsteht ein vollkommen verzehrtes Bild.