Studie vergleicht Piraten mit Grünen: Schnelles Auffassungsvermögen
Sie lernen schnell, sind basisdemokratischer als andere – doch viel Neues sagen die Piraten nicht. Eine Studie hat sie durchleuchtet und mit den Grünen verglichen.
BERLIN taz | „Wie die Grünen damals mit dem Thema Ökologie groß wurden, scheinen die Piraten heute das neue Zeitgeist-Thema zu repräsentieren: die Lebenswelt des Internets“, stellt Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung fest. „Ihr anfänglicher Aufstieg hängt eng mit den Protesten gegen Internetzensur, Netzsperren und Kommerzialisierung der digitalen Welt zusammen.“ Ein Bereich, den die Grünen zwar mitbedienen, der bei ihnen aber keineswegs die gleiche zentrale Rolle einnimmt wie bei den Piraten.
In einer Studie für die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung hat sich die Nautilus Politikberatung nun mit dem Wertegerüst der Piraten beschäftigt und auf dieser Analyse basierend Empfehlungen für den Umgang mit dem orangefarbenen Parteiensystemzuwachs formuliert. Kern der Auswertung: die schriftliche Kommunikation der Piraten, von Mailinglisten bis zum Grundsatzprogramm. Zum Vergleich mit ihren Werten zogen sie das letzte Bundestagswahl- sowie das Grundsatzprogramm der Bündnisgrünen heran.
Das Ergebnis ist klar: „Bis auf den häufigen Gebrauch von Begriffen der Internetterminologie, die mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist, unterscheidet sich ihr Kernwortschatz nicht von dem anderer Parteien.“ Die Piraten seien in ihren schriftlichen Äußerungen eine normale Partei, „keine sprachliche Innovation“ attestieren die Studienautoren.
Und auch bei den Werten stellen sie kaum Innovation fest: „Einen gewissen Neuigkeitswert hat ihre spezifische Deutung und Komposition der Grundwerte.“ Doch abgesehen davon sei alles im üblichen Rahmen dessen, was der westliche Wertediskurs anbiete. Linksliberal, soziallibertär würden sie sein, so die Zuschreibung. Und für Rechtsradikale und –extreme finden die Autoren ebenfalls wenig Platz im Wertespektrum der Piraten.
Insgesamt seien sie den Grünen in ihrem Wertekanon ähnlich, ohne gleich zu sein. Ein Hauptunterschied sei, dass „basisorientierte und plebiszitäre Ausdeutungen der Demokratie seitens der Piraten [..] technologisch unterfüttert“ würden, so die Studie. Aber insgesamt seien sie „Teil des Lagers diesseits der Union“.
Auseinandersetzung statt Konfrontation
Doch wie sollen die Grünen mit den Emporkömmlingen aus dem Netz umgehen? Die Studie empfiehlt, nicht die Konfrontation, sondern die Auseinandersetzung in Sach- und Wertefragen zu suchen. Das „bessere politische Angebot“ müsse nachgewiesen werden, insbesondere auf Länderebene sollte dies herausgestellt werden. Und diese Debatten müssten öffentlich geführt werden, am besten als „Ereignis“.
Die Böll-Studie sieht die Zukunft der Piraten erst einmal offen. Die Perspektive der Piraten entscheide sich nicht an programmatischen Fragen, sondern daran, „ob sich hinlänglich Personal findet, das zu politischer Führung qualifiziert ist und genügend disziplinierte Mitglieder, die einen systematischen Parteiaufbau tragen.“ Doch noch seien sie in einem Lernprozess, wenn auch einem schnellen. Eine „alternative Volkshochschule“ seien beispielsweise die Mailinglisten der Piraten, „mit Anleihen bei der Methodik des Fernstudiums“.
Was abschätzig klingt, könnte durchaus als Kompliment gemeint sein. Denn die Autoren attestieren der Partei ein schnelles Auffassungsvermögen, wenn es um das Erlernen von Politik geht. Und manche Praxis der Piraten, insbesondere die Nutzung des Netzes für innerparteiliche Willensbildung, legen die Autoren auch den Grünen nahe. Ob die mit diesen Empfehlungen etwas anzufangen wissen? Die Piraten jedenfalls werden die Studie aufmerksam lesen und öffentlich diskutieren.
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