Oberhausener Kämmerer über Schulden: „Alleine schaffen wir es nicht“
Auch in Oberhausen, einer der am höchsten verschuldeten Städte, steigen die Steuereinnahmen. Das reiche aber nicht, sagt Kämmerer Apostolos Tsalastras.
taz: Herr Tsalastras, die Steuereinnahmen steigen. Merken Sie davon auch etwas in Oberhausen – einer Stadt mit Rekordschulden?
Apostolos Tsalastras: Ja, die Einnahmen aus der Gewerbe- oder der Einkommensteuer wachsen auch bei uns. Die Schere aus zu geringen Erlösen und zu hohen Ausgaben schließt sich allerdings nur leicht. Denn die Zahl der Arbeitslosen sinkt nicht. Die Belastung mit hohen Sozialausgaben bleibt deshalb mehr oder weniger konstant.
Deutschland geht es insgesamt ziemlich gut. Der Bundesfinanzminister will demnächst keine neuen Schulden mehr machen. Kommen Sie auch in Ihrer Stadt Oberhausen aus Ihrer Misere irgendwann einmal heraus?
Wir haben gewisse Hoffnung auf Gesundung. Alleine schaffen wir das jedoch nicht, wir brauchen Hilfe von außen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, diese auch zu gewähren. Augenblicklich erhält unsere Stadt 66,6 Millionen Euro pro Jahr. Ab 2021 haben wir dann hoffentlich einen städtischen Haushalt, bei dem die Einnahmen die Ausgaben ohne Landeshilfe decken.
Ist das mehr als nur eine Illusion?
Unter normalen Umständen ist der Plan realistisch. Eine Finanzkrise darf allerdings nicht dazwischenkommen.
APOSTOLOS TSALASTRA, 48, ist SPD-Stadtkämmerer von Oberhausen im Ruhrgebiet. Die Stadt steht mit etwa 8.500 Euro Schulden pro Kopf ihrer 212.000 Einwohner auf einem Spitzenplatz der Schuldentabelle bundesdeutscher Kommunen. Insgesamt hat Oberhausen Verbindlichkeiten in Höhe von rund 2 Milliarden Euro angehäuft.
Sie haben vor Gewaltausbrüchen wie in den abgehängten und verarmten französischen Vorstädten gewarnt. Wie wollen Sie die Sozialausgaben weiter drücken, ohne so etwas zu riskieren?
Wir können unsere Finanzprobleme nicht lösen, indem wir Schulen schließen, Kitas zumachen oder das Wohngeld für Arbeitslose kürzen. Die meisten dieser öffentlichen Dienstleistungen müssen wir erbringen. Sparen hat da enge Grenzen. Wir können nur dann Fortschritte machen, wenn sich die Wirtschaft gut entwickelt.
Bald muss auch das Land die Schuldenbremse einhalten. Neue Kredite sind dann aber verboten. Wer soll Ihnen noch helfen?
Auch unter der Bedingung einer Nullverschuldung müssen die Länder Mittel bereitstellen, um Städte wie Oberhausen im Notfall zu unterstützen. Der Bund muss sich ebenfalls engagieren. Denn Regionen, in denen der Strukturwandel zuschlägt, wird es immer geben. Vielleicht sind wir als Stadt irgendwann über den Berg. Dann könnte es die ländlichen Gebiete treffen, die keine Subventionen von der Europäischen Union mehr erhalten. Gegenseitige Finanzhilfen innerhalb Deutschlands durchzusetzen, wird künftig aber schwieriger.
Leser*innenkommentare
aurorua
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Vielleicht sollte NRW sich z.B. Thüringen zusammenschließen, und dann ordentlich SOLI abgreifen.
und zu
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Heißt der Kämmerer wirklich so ?
Detlev
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Die Frage mit der Schuldenbremse wollte er nicht beantworten, aber ich wette, dass er auch bald für Wahl von Peer Steinrbück sich engagiert, und der will solche Sachen (und wahrscheinlich noch ganz andere Dinge). Ich finde diese SPD-Gestalten ziemlich bigott. Immerhin gibt er zu, dass weitere Kürzungen im Sozialen nichts bringen.
Deutschland schafft sich ab
Gast
Kämmerer Apostolos Tsalastras geht die kohle aus? Geregelt wird es von einer rotgrünen Regierung deren Schulden im Rekordtempo die Milliarden purzeln lassen? Hahahahahahahaaaaa! Das Leben schreibt die besten Witze. Schlimm wenn man solche Witze wählt. Noch schlimmer wenn man außer Kreuzchen bei völlig gleichen Parteien zu machen nichts mitentscheiden darf. Willkommen im deutschen Griechenland, früher als NRW bekannt. Da gibt es aber noch jede Menge: Berlin, Bremen..... Die Geldgeber in BW fallen dann in ein paar Jahren aus. NRW zu ruinieren hat ja auch 30 Jahre gedauert. Deutschland schafft sich ab.
Crazy Brückstein
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Na ja, bißchen phantasielos der Herr Kämmerer.
Was den gesamten verschuldeten öffentlichen Bereich angeht, ist eine Personalkostenbegrenzung durch Eindampfen der Gehälter auf max. 1900 € p. M. unerläßlich. Keine Orts- und Kinderzuschläge mehr Punkt. Verschuldungsbeihilfen für Häuslebauer auf Darlehensbasis.
Das muß auch für die körperschaftlichen Beteiligungsgesellschaften gelten, in denen z.B. Banker (HSH) immer noch 500.000 € p.A. (sic !) erlösen können, obwohl die kapitalgebenden Bundesländer (Schleswig-Holstein und Hamburg) gleichsam sehr hoch verschuldet sind und die Bank Millionenverluste schiebt. Wenn das Eindampfen der Gehälter nicht zeitnah erfolgen kann, müssen die Karrierespielwiesen der Politikseilschaften eben zeitnah abgewickelt werden. So wie es jetzt ist, kann es auf Kosten der Bürger in keinem Fall weitergehen.
In einem kürzlich gesendeten ZDF-Film über verschuldete Kommunen in NRW, worin auch einige Kämmerer ( Stichwort Kassenkredite) zu Wort kamen, war die Unangemessenheit und Ineffizienz der bisher getroffenen Maßnahmen sehr gut spürbar. Die Managerkasten tun nur das, wozu sie gezwungen werden können. Also wird man deren Zwänge und Controlling-Regelwerke im Interesse der Bürger, denen man schon die kommunalen Einrichtungen weggespart hat, ausweiten müssen. Daran führt kein Weg vorbei.
Ein Hinweis für Frau Heinold, die grüne Finanzministerin in Schleswig-Holsten: Bleiben Sie bitte äußerst wachsam, die noch ungenutzten Einsparpotentiale sind größer als Sie ahnen. Peinlich jedenfalls, wenn erst in Brüssel einer merkt, was in Hamburg und Holstein schief läuft.