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Gewerkschaftsstreit über Elbvertiefung"Keine Rolle rückwärts"

Krach bei Ver.di über Baustopp, Umwelt und Arbeitsplätze. Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie "wie in der Atom-Debatte der 1970er Jahre".

Sorge um Arbeitsplätze: Mitarbeiter der HHLA wollen am Freitag für die Elbvertiefung demonstrieren. Bild: dpa

HAMBURG taz | Jetzt knirscht es aber mächtig in der Hamburger Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Über den Baustopp bei der Elbvertiefung gibt es einen heftigen internen Zwist. „Wir wollen keine Rolle rückwärts“, warnt die Betriebsgruppe in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) in einem Schreiben an den Hamburger Ver.di-Chef Wolfgang Abel, das der taz vorliegt.

Ihrem Vorstand werfen die Gewerkschafter in der Umweltbehörde einen „unredlichen Umgang mit der Basis“ und eine „Verletzung der Beteiligungskultur“ vor. Der hatte vor drei Wochen nach dem vom Bundesverwaltungsgericht verhängten Baustopp die klagenden Umweltverbände scharf angegriffen. Diese ließen „die Sektkorken knallen“ und gefährdeten „zahlreiche Arbeitsplätze“.

„Die Elbvertiefung muss so schnell wie möglich kommen, sonst werden wir ein Regionalhafen“, warnte damals der Ver.di-Betriebsratsvorsitzende des Hafenunternehmens HHLA, Arno Münster, der zugleich SPD-Bürgerschaftsabgeordneter ist. Deshalb rief Ver.di die Beschäftigten im Hafen dazu auf, am 9. November für die geplante Elbvertiefung und die Sicherung ihrer Arbeitsplätze zu demonstrieren. Natürlich werde man gerichtliche Entscheidungen akzeptieren. „Allerdings wollen unsere Mitglieder mit ihren Sorgen und Zukunftsängsten ebenfalls wahrgenommen werden“, sagte Gewerkschaftssprecher Torsten Ballhause.

Dem Protest hat sich inzwischen die Arbeitgeberseite im Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH) angeschlossen. Deren Präsident Gunther Bonz forderte vorige Woche sogar, den Umweltverbänden alle städtischen Zuwendungen – zum Beispiel für die Pflege von Naturschutzgebieten – zu streichen und zur Subventionierung des Hafens zu verwenden.

Das erinnert die BSU-Gewerkschafter „in fataler Weise an die AKW-Diskussion der 1970er Jahre“, schreiben sie. „Der Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie sollte für Ver.di längst Vergangenheit sein“, mahnen sie und fügen hinzu: „Arbeitsplätze sind nicht alles“, die HamburgerInnen hätten „auch Anspruch auf eine intakte Umwelt“.

Deshalb schlagen sie einen runden Tisch vor, an dem Gewerkschaften, Umweltverbände, Hafenbetriebe, Hafenverwaltung und Wirtschaftsbehörde „die Grundzüge einer sozialökologisch orientierten Wirtschaftspolitik am Beispiel der Elbvertiefung diskutieren“. Die BSU-Betriebsgruppe sei bereit, dafür eine offene Plattform zu schaffen“, so ihr Angebot.

Die Antwort der Ver.di-Landesleitung fällt recht kleinlaut aus. Auch ihr erscheint es „wichtiger denn je“, dass alle Beteiligten „über eine zukunftsorientierte Politik im Interesse von Umwelt und Arbeitsplätzen diskutieren und Lösungen finden“, heißt es in ihrem Schreiben, das der taz ebenfalls vorliegt. Es endet mit dem Appell: „Lasst uns bitte im Interesse aller mit dem Gegeneinander aufhören und das Miteinander suchen.“

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3 Kommentare

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    Klaus Baumgardt

    Vor dem Planfeststellungsbeschluss hatten die Gewerkschaftler in der Umweltbehörde genug Zeit und Anlässe, mit den Hafenkollegen und der ver.di-Leitung ein ernstes Wort zu reden, dass ver.di nicht alle Interessen ihrer Mitglieder mit denen der Hafenarbeiter überrollt. Mehr als ein unverbindliches Gepräch mit Vertrauensleuten, das ich initiiert hatte, ist dabei nicht herausgekommen. Danach verstärkte ver.di noch die Propaganda für die Elbvertiefung mit einer sehr aufwändigen Präsentation in der Europa-Passage. Kein öffentlicher Protest der Umweltbehördler in ver.di war zu hören.

    Ich bin 2009 aus ver.di ausgetreten, weil ich keine Chance sah, dass sich die KollegInnen in der Umweltbehörde ändern und kämpfen. Mit dem Brief an ihren Chef W.Abel zeigen sie vielmehr, dass sie weiter abgebaut haben. Der Inhalt ihres Briefs ist einfach indiskutabel. Kann man diesen Pups noch wenigstens als Lebenszeichen verstehen, oder ist es die Ausdünstung eines Kadavers? Egal, lüftet die Redaktion!

    Viele Grüße

    Klaus B.

  • M
    MiB

    Heute 8.11.2012 titelt das HH Abendblatt:

    Hamburgs Hafen wächst nicht mehr

     

    Und dann will uns die Gewerkschaftsspitze Nord verkaufen, man bräuchte nur auf enorme Kosten aller Steuerzahler die Elbe ausbaggern und die goldenen Wachstumsjahre kämen zurück. Boah, was für ein schäbiges durchsichtiges Spiel .... falls es die Gewerkschafts-Bonzen noch nicht gemerkt haben: auch in D bekommen wir eine Wachstumskrise. Schneller, höher, weiter funktioniert nicht mehr, und für die nachfolgenden Generationen ist das auch gut, denn ansonsten ginge die Erde wie wir sie kennen hopps. Die jungen Leute wollen und brauchen auch keine neue Elbvertiefung, die brauchen eine gerechtere und sozialere Gesellschaft als heute. Aber sich dafür einzusetzen ist den Herren (und Damen, Senatorin Blankau sei hier genannt als ex Gewekrschafterin) Gewerkschaftsbonzen zu schwierig, da drischt man lieber völlig sinnfrei auf Umweltschutzorganisationen ein, die nichts anderes machen als den Rechtsweg beschreiten. Gewerkschaften als Streikbrecher, so weit ist es mit dem Gewerkschaftsfilz mit Handelskammer/Senator Horch gekommen. Schön, daß sich Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder nicht mehr so verblöden läßt.

  • H
    heinrici

    Die Gewerkschafter wollen keine Rolle rückwärts, wollen nicht zurück zu einer Diskussion über die Irrationalität des technischen Fortschritts wie seinerzeit in den 1970er Jahren.

     

    Das bedeutet indirekt, dass die Masse der Verdi-Leute sich seitdem (40 Jahre !) noch nicht einen Zentimeter vorwärts bewegt hat, indem sie die Umweltverbände angreift. Die Betonköpfe dort halten unverändert in den gleichen alten Gräben als abgefeimte rücksichtslose Elbzerstörer die Stellung. Sie treten die elementaren Lebensinteressen der Wohnbevölkerung jeden Tag mit Füßen und wollen sich auf Kosten der Umwelt wirtschaftliche Vorteile verschaffen. Ein antisoziales Verhalten, das man sonst seitens der Linkspresse nur großen Unternehmen vorgeworfen hat, wird hier bei den Steinzeit-Verdianern wieder einmal sichtbar.