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Ibrahim Arslan über Anschlag von Mölln„Wir waren der Schandfleck“

Als Neonazis im November 1992 das Haus in Brand setzten, in dem er mit seiner Familie lebte, war Ibrahim Arslan 7 Jahre alt. Drei Verwandte starben.

Nach dem Neonazi-Anschlag: Feuerwehrmänner betrachten das ausgebrannte Haus in Mölln. Bild: dapd
Interview von Roger Repplinger

taz: Herr Arslan, ist es schwer, über diese Nacht zu sprechen?

Ibrahim Arslan: Natürlich ist es schwer. Es ist schwer über alle faschistischen Angriffe zu sprechen. Dieser Anschlag hier ist ein Teil meines Lebens, er berührt mich, auch meinen Alltag. Ich leide weiter unter diesem Anschlag.

Wie?

Ich habe eine posttraumatische Belastungsstörung, chronischen Husten. Ich litt unter Schlafstörungen und Verfolgungswahn. Der Husten ist geblieben. Er wird schlimmer, wenn ich drüber spreche, schlimmer am Abend, wenn ich etwas Verbranntes rieche und wenn der Tag näher kommt.

So wie jetzt?

Ja.

Sie haben Albträume?

Ja. Ich habe nur ein Bild vor Augen, wenn ich an diese Nacht denke. Ich saß ja neben dem Kühlschrank, meine Großmutter hat mich mit nassen Tüchern eingewickelt, die Feuerwehr spritzt eiskaltes Wasser aufs Haus, ich friere. Ich sehe nur einen brennenden Hintergrund und Töpfe. Das hab ich jahrelang jede Nacht geträumt: Flammen im Hintergrund und die Töpfe in unserer Küche.

Ibrahim Arslan

27, überlebt den Brandanschlag in der Nacht vom vom 23. auf den 24. November 1992, weil ihm seine Großmutter Bahide das Leben rettet. Seine Schwester Yeliz und seine Cousine Ayse Yilmaz sterben. Heute arbeitet er in der Kaffeebranche und setzt sich gegen Neonazismus und Rassismus ein.

Ist es nicht nur schwer, hilft es auch, drüber zu sprechen?

Ja, auf jeden Fall. Wenn ich mit Menschen rede, die nichts davon wissen, erleichtert mich das.

Sprechen Sie in der Familie darüber?

Ständig, vor allem wenn der Tag näher kommt. Wir wollen nicht darüber sprechen, aber wir tun es. Wir sprechen nicht über die Details, wir sprechen über das Persönliche.

Was empfinden Sie Ihrer Großmutter gegenüber?

Das ist sehr schwer. Ich bin ihr dankbar, ich verdanke ihr mein Leben, ich bin ihr mein Leben schuldig. Ich erinnere mich an sie, wie sich ein Siebenjähriger an seine Oma erinnert.

Fühlen Sie sich schuldig?

Weil ich lebe und sie nicht? Nein, fühle ich mich nicht. Warum sollte ich? Mit dieser Frage beschäftige ich mich nicht. Ich weiß, dass ich an ihrer Stelle genauso gehandelt hätte.

Was empfinden sie Ihrer Schwester gegenüber?

Yeliz war ein sympathisches, nettes Mädchen. Sie hat mir ihr Schulgeld und ihr Taschengeld gegeben, damit ich mir was kaufen kann. Sie ist mit mir an der Hand über die Straße gegangen, sie war meine große Schwester.

Wie haben ihre Mitschüler reagiert?

Schlecht, sehr schlecht, ich war in der Grundschule, in der zweiten Klasse. Meine Mitschüler waren nicht solidarisch, sind nicht so mit mir umgegangen, wie man mit einem kleinen Jungen umgeht, dem das angetan wurde. Die haben mich zusammengeschlagen und „scheiß Ausländer“ gerufen.

Sind Sie zu den Lehrern gegangen?

Ja, die Lehrer haben nicht eingegriffen, die haben mir nicht geglaubt. Das war hart.

Sind Sie in Mölln auf der Straße angesprochen worden?

Oft. Nicht auf das, was passiert ist, das wussten ja alle, sondern darauf, dass wir noch da sind. Das wurde negativ gesehen, die Leute wollten, dass wir weggehen.

Sie sind als Ausländer diskriminiert worden und als Opfer des Anschlags?

Ich kann mich erinnern, wie ich mit dem Fahrrad vom Bolzplatz nach Hause radle. Die Polizei hält mich an, ich hab’ keinen Helm auf. Der Polizist sagt: „Arslan, Du bekommst keine Strafe, Du landest sowieso im Knast, wenn Du älter wirst.“ Beim „Tag der offenen Tür“ der Polizei steh ich mit den Jungs vor der Wache und der Polizist sagt: „Du kommst hier nicht rein, Du siehst das bald sowieso von innen.“

Die Nazis haben Ihr Haus zerstört, wo haben Sie gewohnt?

Wir haben zunächst im Gästehaus von Mölln gelebt, dann in einem unbewohnten Haus zur Überbrückung, bis das abgebrannte Haus renoviert ist. Irgendwann hat man uns vor die Alternative gestellt: Entweder Container oder in das Haus zurück, in dem uns das ganze Leid angetan wurde. Wir haben dann in dem Haus gewohnt, aber das ging nicht. Mein Vater bekam keinen Job mehr, ich hatte keine Ausbildungsperspektive. Nicht die Nazis, wir waren der Schandfleck von Mölln.

Weil Ihr Mölln an den Schandfleck erinnert habt?

Ja, den Schandfleck in ihrer Mitte. Den Rassismus, den Faschismus, den wischt man nicht weg, mit dem Opfer geht das.

Sie leben nicht mehr in Mölln?

Nein.

Wie ist es, nach Mölln zurückzukommen?

Beschissen. Mit Mölln verbindet mich nur der Anschlag, nur schreckliche Dinge. Das einzig Positive sind meine Freunde dort, sonst erinnert mich jedes Haus, jeder Pflasterstein an den Anschlag.

Wie ist das offizielle Mölln mit dem Anschlag umgegangen?

Wir wurden nicht respektvoll behandelt. Das Haus wurde zwar nach meiner Großmutter benannt, aber es ist keine Gedenkstätte. Auf der Gedenktafel steht nicht, dass Neonazis den Brandanschlag verübt haben. Die Gedenkfeiern wurden 18 Jahre lang so gemacht, wie die Stadt das wollte, wir waren Figuren am Rand. Es wurden Reden gehalten, am Ende ein Satz zu den Arslans. Danke, Applaus, auf Wiedersehen. Der Bürgermeister von Mölln lädt andere Politiker anderer Städte, in denen Anschläge waren, ein, aber nicht die Opfer.

Die Opfer stören.

Genau.

Sie organisieren die Gedenkveranstaltungen in diesem Jahr so, wie Sie das wollen?

Ja, es gibt einen Freundeskreis, der zusammen mit uns in Mölln Gedenkveranstaltungen organisiert, bei der die Opfer im Vordergrund stehen. Was der Stadtverwaltung nicht gefällt.

Um was geht es bei diesen Veranstaltungen?

Um die Opfer. Sie sollen ihre Stimmer erheben, wir sind keine Statisten, wir sind die Zeugen des Geschehens, wir müssen sprechen.

Wie bei den NSU-Morden wurden auch in Mölln die Falschen verdächtigt, obwohl die Sache klar war.

Das war auch in Ludwigshafen und Lübeck so. Erst wurde mein Vater verdächtigt, der in der Nacht in Hamburg war, dann andere Türken aus Mölln, obwohl die Täter nach jedem Anschlag bei der Polizei anriefen und sagten: „In der Ratzeburger Straße brennt ein Haus. Heil Hitler!“, und: „In der Mühlenstraße brennt ein Haus. Heil Hitler!“ Da hat sich in Deutschland nichts verändert. Da ist ein tief sitzender Rassismus, bei der Polizei, beim Verfassungsschutz, in den Ämtern, in der Mitte der Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, das ist schlimmer geworden.

Warum?

Vor ein paar Jahren konnte man die Nazis noch identifizieren, die hatten Springerstiefel und Bomberjacken an. Das ist heute anders. Die tarnen sich, die sind nicht mehr zu erkennen. Ich habe kein Vertrauen in den deutschen Staat, ich wüsste nicht, wen ich anrufen sollte, wenn was passiert.

Die beiden Täter sind inzwischen auf freiem Fuß?

Ja.

Haben die Kontakt zu Ihnen aufgenommen?

Nein, das möchten wir nicht. Die wissen nicht, wo wir leben, ich möchte nicht wissen, wo die leben und was die machen.

Sie haben Angehörige der Toten der NSU-Morde eingeladen.

Ja, Fadime Şimşek, die Nichte von Enver Şimşek, dem ersten NSU-Opfer, und Hülya Özdag, die Konditorei-Betreiberin, die 2004 den Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln erlebte. Die müssen ihre Geschichte erzählen. Viele sagen, ich würde reden wie ein Mitglied der Antifa, also politisch argumentieren, aber das ist es nicht. Es sollte ein menschlicher Reflex sein, Rassismus und Faschismus entgegenzutreten.

Es gibt einen politischen Aspekt.

Klar – aber es gibt noch was darüber. Es muss einem als Mensch klar sein, dass wir alle Rassismus und Faschismus bekämpfen müssen.

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16 Kommentare

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  • wahrscheinlich haben die ``nazis`` einfach nur woanderas kein anschluss gefunden wegen mangels an intelligenz und haben sich deshalb entschieden wie andere spinner auch rechts zu werden um wenigstens irgendwo zugehörigkeit zu finden wie ja bekannt schweisst ein gemeinsames feindbild zusammen naja armselig auf jedenfall zu den aussagen die möllner türken seien als sschläger bekannt gewesen muss ich sagen das sind einige leider heute noch aber auch russen polen und deutsche haben diesen titel ich habe nie verstanden das mölln als antisemitische stadt bekannt ist ich habe in 28 jahren wohnhaft 3 personen kennengelernt die man hätte als nazis betiteln können und die waren nicht lange da in meiner klasse waren über die hälfte ausländer und auch der grossteil meiner freunde zählen dazu sogar welche von den bösen schläger türken :) i. arslan war definitiv keiner von denen er war stets freundlich und hilfsbereit einer der wenigen türken die wirklich nett waren muss ich sagen trotzdem muss ich sagen das seine aussagen im interview (sofern sie wirklich von ihm stammen ) sehr realitätsfern und nur minimal der wahrheit entspricht es waren eher deutsche die angst haben mussten und denen die lehrer nicht geglaubt haben wen sie geschlagen wurden zu den polizei aussagen kan ich nichts sagen aber mölln ist alles andere als rechts eingestellt und ich finde es schade das er so redet als wären alles nazis ich bin der selbe jahrgang und habe nie erlebt das türken in mölln von deutschen attakiert wurden egal ob verbal oder körperlich das ist einfach lächerlich sowas ausszusagen nichts desto trotz wünsch ich ihm und seinem lieben vater sowie den rest seiner angehörigen alles gute ich habe nie ein problem mit ihnen gehabt eher im gegenteil

  • möllner urbürger

    ich bin in dem selben alter wie der junge herr arslan mit dem ich auch auf die möllner hauptschule schäferkamp zusammen gegangen bin ich habe diese seite witzigerweise heute erstmals wahrgenommen bzw sie heut erst entdeckt und beim lesen des interviews und diesen wechslungsreichen texten dazu konnte ich nicht anders als mein kommentar zu schreiben faschismuss und die rechte ausländerfeindliche einstellung ist auf jeden fall einfach nur ein armutszeugniss für jeden der diese meinung vertritt en

  • G
    Gülten

    @Lars Meyer: "es ist traurig, dass die bevölkerung möllns bis heute geschlossen als rechtsradikale extremisten dargestellt werden, so auch von herrn arslan hier"

     

    Ibrahim Arslan erzählt von seinen eigenen Erfahrungen mit rechtsradikalen Mitmenschen/Polizisten, weil er danach gefragt wurde. Sie finden es traurig, dass alle Möllner so dargestellt werden und stellen die Möllner Türken wie folgt dar:

     

    "ich war zu der betreffenden zeit deutscher jugendlicher im möllner landkreis; "die möllner türken" waren bereits vor dem anschlag jahrelang als schläger berüchtigt, ob nun in der stadtdisco oder bei fußballspielen. an wochenenden war man auf den straßen nicht sicher."

     

    Warum machen Sie Lars Meyer nicht den ersten Schritt, und lassen DAS, was sie an Ibrahim Arslan 'traurig' finden.

    Echt traurig.

  • DP
    Daniel Preissler

    @ Lars Meyer und Reaktionen

     

    Keine Angst, ich zähle Sie nicht zu den "Braunen". Allerdings kommen tatsächlich ein paar Abschnitte Ihrer ersten Mail als "dumpf" rüber. Sie werfen lowandorder später vor, alleine zu pauschalisieren, obwohl Sie daran mit Ihrer Mail heftig mitgestrickt haben (also genau die Einseitigkeit, die gesamtgesellschaftlich kritisieren. Zitat: "auf beiden seiten immernoch nicht als gemeinsames problem betrachtet").

     

    Sie werfen (in einem Nebensatz) auch Herrn Arslan vor, "die bevölkerung möllns bis heute geschlossen als rechtsradikale extremisten" darzustellen. Herr Arslan wurde aber in dem Interview nicht nach seiner Meinung über die Zusammensetzung der Möllner Gesellschaft gefragt. Es ging um seine persönlichen Erfahrungen als Kind in der Nacht des Anschlags und danach und um seine Erfahrungen mit der Erinnerungskultur vor Ort. Dabei äußert er sich negativ über Mitschüler, Lehrer, 2 Polizisten, einige Bewohner und (auf heute und die letzten Jahre bezogen) die Stadtverwaltung. Er spricht aber auch von Freunden, die dieses Jahr eine andere Veranstaltung organisieren. Ich kann dem Text nicht entnehmen, dass diese Freunde alle Türken wären.

     

    Ich glaube Ihnen, dass "die Möllner Türken" im Umland keinen guten Ruf hatten. In Ihrer Mail erscheint das aber wie eine Relativierung, was lowandorder (etwas übertrieben) zu der Aussage "die Opfer sind also selber schuld!?" verleiet hat. Sie warnen vor Pauschalisierungen, machen aber nicht klar, dass Sie bereit sind das Stereoty der "Möllner Türken" zu hinterfragen.

    Ich denke, Sie wissen das, es kommt aber in Ihrer Mail eben nicht vor, dass der damals siebenjährige Herr Arslan (und die meisten anderen Türken) nicht zu der Gruppe von Leuten gehörteN, die durch ihr Auftreten die negative Kategorie "Möllner Türken" bei vielen Bewohnern des Umlandes geschaffen oder befeuert haben.

    Und ja: Die Lehrer, die Herrn Arslan nicht geholfen haben (nicht helfen konnten?), sind sicherlich nicht (alle) rechtsradikal. Sie sind aber ihrer Pflicht, die Schüler auch voreinander zu schützen, in diesem Fall nicht nachgekommen, was durchaus ein gesellschaftliches Problem ist (ganz ohne den Begriff "Nazi" zu verwenden).

     

    Danke an MrTea für seinen Beitrag!

     

    Freundliche Grüße, DP

  • M
    mike

    Habe mich schon vor Jahren aus dem sogenannten Antifaschistischen Wiederstand ausgeklinkt, nicht weil mir dir Nazis symphatischer geworden wären, sondern weil ich das unreflektierte gelabber der selbsternannten wahren (weil links) Antifaschisten nicht mehr ertragen habe. Autonome Chaoten auf allen Demos die andere Demonstranten als Schutzschilder benutzten. Organisationen die den Antifaschmus als Mittel sahen an staatliches Geld zu kommen.

  • S
    Susanna

    Zu sagen: "Die Möllner Türken waren schon vor dem Anschlag jahrelang als Schläger berüchtigt," ist Rassismus voll auf die zwölf.

    Immer dann, wenn eine ganze Gruppe für das Verhalten einzelner verantwortlich gemacht wird, ist das Rassismus.

    Wer sagt "Die Deutschen sind so", "Die Türken sind so", "Die Ausländer...", ist Rassist.

    Wer sagt: "Frauen sind soundso, Männer machen diesunddas" ist Sexist.

    Wer sagt: "Die Juden sind auch nicht besser", weil sie die Politik Israels nicht gut finden, ist Antisemit.

    Das ist kein Multikulti-Hokuspokus und auch kein Gutmensch-Reflex. Das ist so.

    Und es ist ganz einfach, zum Ausdruck zu bringen, was man denkt, ohne rassistisch zu argumentieren.

    Außer natürlich, man ist Rassist.

     

    Wir müssen endlich anfangen, die Menschen zu sehen. Was Herrn Arslan passiert ist, nicht nur der Anschlag, sondern auch die Diskriminierung, das ist nicht nur zutiefst rassistisch, sondern auch unmenschlich. Menschen, die so etwas tun, funktionieren überhaupt nicht mehr als Menschen, die haben irgendwas in sich abgeschaltet, und das macht mir Angst.

  • LM
    Lars Meyer

    @kay: danke für den Versuch, das von mir geschriebene so zu lesen, wie ich es geschrieben haben wollte.

     

    @lowandorder: "die opfer sind also selber schuld?" eben diese reaktion zeigt die fehlende differenzierung ihrer parolen. ich habe nicht ein wort von schuld geschrieben. dass meine stellungnahme automatisch und lediglich eine parole bei ihnen auslöst, ist eben das, was ich in meinem kommentar beschreibe.

     

    simpel, mich in eine standardecke zu den ganzen "braunen" und "dumpfen" zu scheuchen (das ist einfach; das kann man sogar, ohne gutes argument, noch für hugo boss machen. ich trage, zu ihrer information, natürlich heute eine hose von hugo boss, denn ich bin natürlich fremdenfeindlich). wäre es nicht interessantanter, sich zu meinem argument, dass fremdenhass zwar immer ganz schlimm ist, aber eben verschiedenen motive haben kann, zu äußern? oder wäre das falsche toleranz gegeüber den "dumpfen" und "braunen"?

     

    politische diskussion lebt von differenziertheit. wir müssen (aber das ist keine sonderlich neue erkenntnis) dem fremdenhass begegnen. wir müssen aber dabei schlauer sein, als alle arten von fremdenhass in einen topt mit einer fahne dran zu stecken.

  • K
    Kay

    @lowandorder über Lars Meyer:

     

    Der Satz von Lars ist missverständlich, im Besten Falle. Allerdings lese ich ihn nicht so wie Du ihn interpretiert hast, aber ja, er kann so gelesen werden.

    Warum sage ich das so: Wegen der Anführungszeichen.

    Ich glaube Lars wollte lediglich darauf hinweisen, dass das Verhaltensproblem der Restbevölkerung nicht zwangsweise aus einer extrem rechten Gesinnung heraus entstand, sondern auch noch andere Ursachen hatte (hat?).

    Ist es Rassismus? Ja, aber sowas von.

    Ist das eine Entschuldigung? Nein, natürlich nicht.

    Aber eine einigermassen sachliche Diskussion darf diese Umstände meines Erachtens nicht ignorieren.

     

    Das Verhalten den Opfern gegenüber halte ich für Unentschuldbar, da gibt es keine Diskussion.

     

    Es ist nur leider auch so, dass Rassismus selten im freien Raum entsteht, häufig gibt es auch diese, zumindest irrational empfundenen, Umstände, die diesem unmenschlichen Gedankengut Nährboden geben. Und diese Umstände mit in die Diskussion hineinzunehmen halte ich für richtig.

     

    Ist es jetzt so, dass weil " "die möllner türken" [...] bereits vor dem anschlag jahrelang als schläger berüchtigt [waren]," (Zitat Lars Meyer) eine Schuldfrage klärt? Natürlich nicht, aber Herr Meyer hat das auch nicht so geschrieben.

    Im Gegenteil, sein Beitrag beginnt mit einem wichtigen Punkt, und endet mit einem solchen.

    Ebenfalls wird an keiner Stelle die Tatsache dass Herr Arslan als Opfer Rechte hat, und als Opfer besonders geschützt werden sollte, in Frage gestellt oder relativiert. Allerdings darf und muss es auch möglich sein Aussagen von ihm in Frage zu stellen, oder kontrovers zu diskutieren.

     

    Dass man sich an der Formulierung stossen kann, geschenkt, gutes Recht. Aber den gesamten Beitrag mal eben so beiseite zu wischen kann der letzten Weisheit Schluss nun auch nicht sein.

     

    Meiner Meinung kann man dem rechten Gedankengut nur dann wirksam begegnen, wenn man die tatsächlich wirksamen Ursachen erkennt und ihnen das Wasser abgräbt. Zu pauschalisieren und mit vorgefertigten Meinungen Diskussionen zu beenden (oder gar nicht zu beginnen) macht ein ansonsten gutes Argument nur zu leicht angreifbar. Leider.

  • L
    lowandorder

    es ist schon ein Kreuz mit den Zeitzeugen - nehm mich da nicht aus;

     

    aber:

    @ von Lars Meyer:

    "…ich war zu der betreffenden zeit deutscher jugendlicher im möllner landkreis; "die möllner türken" waren bereits vor dem anschlag jahrelang als schläger berüchtigt, ob nun in der stadtdisco oder bei fußballspielen. an wochenenden war man auf den straßen nicht sicher. dass die bevölkerung "froh" war, dass die "türken" endlich gingen, hat also nicht zwangsweise mit radikalität zu tun.

    …"

     

    Jung, den Satz mal so ganz langsam noch mal wirken lassen;

    geht's noch? die Opfer sind also selber schuld!?

     

    Vor deiner Zeit, aber er wird noch tätig gewesen sein, hat sich ein Archtitekt in Mölln als newcomer sehr erfolgreich einen Namen gemacht, indem er an einer Außenwand durch Steinsetzung ein großes Hakenkreuz 'gemauer' hat;

    die anschließend verputzt wurde.

    Radikal war das nicht, aber zeigte eine extremistische Gesinnung - nicht nur bei ihm.

     

    Und ein paar Kilometer weiter wurde der zum 25jährigen Abitur traditionel eingeladene

    Philosoph ' der' Hans Blumenberg von meinem Direx Braune, einem ehem. Napola-Lehrer, wieder ausgeladen, weil seine ' humanistischen' Mitschüler angedroht hatten,

    sie würden fernbleiben, wenn dieser 'Jude..' käme.

    Und an der Lauenburgischen Gelehrtenschule, Ratzeburg, war gleichzeitig mein Lateinlehrer

    'Brilli' Hillmann, ebenfalls ehem. Napola-Mann, ein verhaßter Direx geworden.

    ( Lieblingskleidung im Winter: SS/SD-Mantel in grün; Hugo BoSS läßt grüßen)

    So geht das. Und - fällt nicht vom Himmel.

  • L
    lowandorder

    Dieses dumpf und tief sitzende braungefärbte in Mölln und Umgebung hatte auch seit/nach dem Krieg eine ungebrochene Tradition.

    In den 50/60ern im 50km Umkreis aufgewachsen ( das Dorf meiner Vorfahren nur wenige km entfernt) spiegelte sich dies auch und gerade im allgemeinen Vorgehen der Polizei.

    Daß 3/4 der 'normalen' Polizisten Mitglieder der Polizeibataillone gewesen waren,

    die mörderisch hinter den Linien gehaust hatten, deckte erst Der Spiegel Anfang der 70er auf ( Serie: Polizeibataillon 103(?) Hamburg).

     

    Es erschüttert mich diese ungebrochene Kontinuität reaktionärem Verhalten bis in die 90er, wenn ich von Herrn Aslan für die Zeit nach dem Anschlag lese:

    "Ich kann mich erinnern, wie ich mit dem Fahrrad vom Bolzplatz nach Hause radle. Die Polizei hält mich an, ich hab’ keinen Helm auf. Der Polizist sagt: „Arslan, Du bekommst keine Strafe, Du landest sowieso im Knast, wenn Du älter wirst.“ Beim „Tag der offenen Tür“ der Polizei steh ich mit den Jungs vor der Wache und der Polizist sagt: „Du kommst hier nicht rein, Du siehst das bald sowieso von innen.“

  • LM
    Lars Meyer

    es ist traurig, dass integration auf beiden seiten immernoch nicht als gemeinsames problem betrachtet wird. es ist traurig, dass die bevölkerung möllns bis heute geschlossen als rechtsradikale extremisten dargestellt werden, so auch von herrn arslan hier.

     

    in den jahren der schlimmen deutschen brandanschläge war die breite bevölkerung nicht durchweg rassistisch, meist aber überfordert mit der integration.

     

    die zivilgesellschaft hatte versagt, und zwar massiv. es hilft aber der diskussion keineswegs, naive bürger mit schlagworten zu kategorisieren. n.b.: xenophobie hat nicht nur ein einzelnes motiv! schade: der kadavergehorsam bei dieser unterstellung.

     

    ich war zu der betreffenden zeit deutscher jugendlicher im möllner landkreis; "die möllner türken" waren bereits vor dem anschlag jahrelang als schläger berüchtigt, ob nun in der stadtdisco oder bei fußballspielen. an wochenenden war man auf den straßen nicht sicher. dass die bevölkerung "froh" war, dass die "türken" endlich gingen, hat also nicht zwangsweise mit radikalität zu tun.

     

    auch wenn viele leser der taz diese differenzierung nicht gerne mögen: nicht jeder spießer, nicht jeder bürger, nicht jeder frustierte, der sich ein wenig ruhe und sicherheit wünscht, ist ein kryptofaschist oder rassist.

     

    fehlende integration frustiert auch die einheimischen. nur manches ist hilflosigkeit, aber auch nur manches ist rassismus.

  • MG
    Molly Grue

    Danke für diesen Artikel. Es ist sehr bewegend und kommt einem sehr viel näher, wenn ein Opfer über diese Taten spricht. Es tut mir so unendlich leid, sein Schicksal und das Schicksal anderer, die unter dem Fremdenhass in Deutschland leiden mussten und müssen. Das Erschütternde ist, dass es immer noch beschönigt und vertuscht wird.

     

    "... ich wüsste nicht, wen ich anrufen sollte, wenn was passiert."

     

    Dieser Satz läßt mich erschrecken, und leider kann ich ihn, wenn auch nicht bezogen auf einen feigen Mord, bestätigen. Es ist schon einige Jahre her, da haben in einer gegenüberliegenden Kneipe Nazis das Horst-Wessel-Lied gesungen und Heil Hitler gebrüllt. Das war für alle Nachbarn unüberhörbar. Wie haben bei der Polizei angerufen. Die haben als Erstes unsere Personalien aufgenommen, dann haben sie gesagt: Das sind wohl nur Fußballfans. Geschehen ist nichts!

  • W
    Westberliner

    Zitat:

     

    "Da ist ein tief sitzender Rassismus, bei der Polizei, beim Verfassungsschutz, in den Ämtern, in der Mitte der Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, das ist schlimmer geworden."

     

    Das, was der Herr Arslan im Interview sagt, kann ich täglich in Berlin als Deutscher beobachten. Wenn es mir möglich ist, greife ich ein, vor allen bei Ämtern.

    Dort herrscht Hass gegenüber Ausländern, vor allem bei den sogenannten Ausländerbehörden. Dort herrscht aber auch Hass gegen Leute, die HartzIV beziehen müssen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die HartzIV-Bezieher bereits 10, 20, 30 oder 40 Jahre gearbeitet haben.

     

    Ich fühle mich selbst als Deutscher unwohl in diesem Land.

  • M
    MrTea

    "Viele sagen, ich würde reden wie ein Mitglied der Antifa, also politisch argumentieren, aber das ist es nicht."

     

    Das ist es auch was mich stört. Der Kampf gegen Faschismus wird komplett dem linken Lager überlassen. Man sieht niemanden von der CDU oder FDP, selbst die SPD verhält sich verhalten.

    Weil ich mich gegen Nazis engagiere werde ich oft als Links bezeichnet. Das geht mir auf die Nerven.

    Es sollte die Aufgabe der Mitte der Gesellschaft sein gegen menschenfeindliche Ansichten auf die Straße zu gehen. Hier geht es ja nicht um politische Richtungen wie Konservativ und Links, sondern um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

     

    Das Bild was Herr Arslan beschreibt ist ein sehr düsteres und ich befürchte, dass es nicht so überspitzt ist wie man vielleicht hofft, wenn man seine Aussagen ließt.

     

    Warum sind wir immer so erpicht darauf, uns in Gruppen zu dividieren?

  • V
    vic

    "Es sollte ein menschlicher Reflex sein, Rassismus und Faschismus entgegenzutreten.", sagt Herr Arslan.

    Und damit hat er verdammt recht.

    • @vic:

      die brandanschläge sind ohne frage absolut furchtbar und ich möchte dazu nochmal mein herzlichstes beileid aussprechen und bitte herrn arslan mölln nicht nur in schlimmer erinnerung zu behalten amo, mo, tarik, basti kor.,kris, tomek, und einige mehr haben doch witzige zeiten zusamm mit dir erlebt die möcht ich nicht missen als schlusswort noch es gibt in jedem land und jeder nationalität idioten und man sollte den mensch sehn und nicht eine rasse wir sind alle erdlinge und sollten anfangen uns langsam auch so zu verhalt