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Amerikanische Offensiven

Gegenüber Iran hält sich die Bush-Regierung eine militärische Option noch immer offen. Vorerst vereinnahmt sie durch geschicktes Taktieren die EU und Russland für ihre Strategie

Für Russland ist die Vermittlerrolle im Iranein höchst gewagtes Spiel

Im Gegensatz zu dem EU-Trio aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien, das den Atomkonflikt mit Iran auf diplomatischem Wege zu lösen beabsichtigte, steuerte Washington von Anbeginn einen harten Kurs. Der UN-Sicherheitsrat sollte eingeschaltet werden, um Sanktionen gegen Iran zu beschließen, die militärische Option war nie ausgeschlossen. US-Präsident George W. Bush machte keinen Hehl daraus, dass Washington die Islamische Republik als einen „Schurkenstaat“ betrachtet und dort einen Regimewechsel anstrebt.

Um dies zu erreichen, hat die Regierung Bush einen diplomatisch äußerst geschickten Kurs gefahren. Nach dem Scheitern des Vermittlungsversuchs der EU-Staaten zeigte sich Washington nämlich auf einmal kompromissbereit und erklärte, die USA würden die diplomatischen Bemühungen der EU unterstützen. Die Strategie war klar: Anders als im Irakkrieg wollten die USA keinen Alleingang riskieren und die EU fest einbinden.

Die Rechnung ging auf. Brüssel stellte Maximalforderungen an Iran, ohne dem Land gleichwertige Angebote zu machen. So waren die Verhandlungen zum Scheitern verurteilt. Das wusste die US-amerikanische Regierung, das hätten auch die EU-Staaten wissen müssen. Brüssel geriet in das Fahrwasser der USA und stellte, unterstützt von Washington, im September bei der Tagung des IAEA-Gouverneursrats einen Antrag, den Streit an den UN-Sicherheitsrat weiterzuleiten. Auch wenn dies auf den Widerstand Russlands und Chinas stieß – für Washington war die erste Hürde überwunden.

Dasselbe Szenario soll allem Anschein nach nun auch mit Russland durchgespielt werden. Als der russische Vermittlungsvorschlag, Iran zu gestatten, auf seinem Territorium Uran in das gasförmige Uranhexafluorid umzuwandeln und dieses anschließend in Russland anzureichern, zunächst von den Medien als ein gemeinsamer Vorschlag der USA und der EU bekannt gegeben wurde, sagte US-Außenministerin Condoleezza Rice, die USA seien keine Verhandlungspartei und wollten auch keine werden. Den Grund dafür nannte sie nicht.

Zu dem Vorschlag selbst sagte sie, die USA wären darüber „sehr besorgt“, wenn Iran Vorräte an atomwaffenfähigem UF6 anlegen könnte. Doch zwei Wochen später, als Iran weiterhin auf seinem Recht beharrte, den gesamten Brennstoffkreislauf im eigenen Land zu produzieren, und sich damit abzeichnete, dass auch Russland mit seinem Vermittlungsvorschlag scheitern würde, stimmte ihm US-Präsident George W. Bush plötzlich zu.

Prompt kam auch ein Ja aus Brüssel. Obwohl die Europäer die Verhandlungen mit Iran für beendet erklärt hatten, weil Teheran die Produktion des Anreicherungsgases UF6 in Isfahan wieder aufgenommen hatte, stellten sie sich nun, Washington folgend, hinter den russischen Vorschlag und verzichteten darauf, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten.

Indes setzte Washington das Spiel fort. Einerseits heizte die US-Regierung die Stimmung gegen Iran auf, indem sie immer neue Nachrichten in den Medien lancierte. Ein angeblich gestohlener Laptop und Pläne, die pakistanische Mittelsmänner in den 80er-Jahren über den Bau von Atombomben an Iran übergeben haben sollen, sollten beweisen, dass Iran doch den Bau der Bombe plant. Auf der anderen Seite beteuerte die Bush-Regierung weiterhin, die diplomatische Initiative Russlands unterstützen zu wollen. Die Taktik der USA wurde erst deutlich, als US-Außenamtssprecher Sean McCormack zwei Tage vor der Sitzung des IAEA-Gouverneursrats ankündigte, es solle zunächst abgewartet werden, „was die Diplomatie in den nächsten Tagen bringt“.

Grundsätzlich sei Washington weiterhin der Überzeugung, dass der Fall vor den Weltsicherheitsrat gebracht werden solle. „Wir glauben angesichts des iranischen Verhaltens in der Vergangenheit, dass der Rat eingeschaltet werden sollte“, erklärte McCormack. „Wir werden uns das Recht vorbehalten, einen entsprechenden Vorstoß zu einem Zeitpunkt unserer Wahl zu unternehmen.“ Folgerichtig meinte ein westlicher Diplomat, die USA seien der Ansicht, „dass es sich lohnt, noch mehrere Monate zu warten, um Russland und China auf ihre Seite zu bringen“.

Für Russland ist die Vermittlerrolle ein höchst gewagtes Spiel. Zwar ist die Akzeptanz Moskaus als Vermittler schon ein großer Erfolg. Sie gibt nach Jahren der russischen Diplomatie wieder eine Chance, auf internationaler Bühne eine Hauptrolle zu übernehmen. Doch eine Ablehnung aus Teheran hätte für den Kreml schwere Folgen. Auch Moskau befände sich dann nämlich im Schlepptau Washingtons, was letztlich die Zustimmung zu Sanktionen gegen Iran bedeuten würde.

Russland würde sich seinen Nachbarn Iran zum Feind machen – und lukrative Geschäfte wie den geplanten Bau von mehreren Atomreaktoren im Iran aus der Hand geben. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma wäre, Zeit zu gewinnen und die Verhandlungen so weit wie möglich in die Länge zu ziehen. Doch darauf werden sich weder die USA und die EU noch Iran einlassen.

Die Strategie ist klar: Die USA wollen, anders als im Irak, keinen Alleingang riskieren

In Teheran mehren sich die Stimmen gegen den russischen Vorschlag: „Unsere rote Linie ist die Produktion des gesamten Brennstoffkreislaufs im eigenen Land. Dieses Recht, das uns als Mitglied des Atomsperrvertrags zusteht, werden wir uns nicht nehmen lassen.“ Diese Sätze werden gebetsmühlenartig von allen verantwortlichen Repräsentanten der Islamischen Republik wiederholt und seit zwei Jahren dem Volk eingehämmert. So wird sich kaum ein Politiker diesem Grundsatz entziehen können. Es kann doch nicht sein, dass rund um unser Land Pakistan und Indien im Osten, Russland im Norden und Israel im Westen unwidersprochen ihr Nukleararsenal ständig aufstocken dürfen, uns aber die Urananreicherung zur friedlichen Nutzung der Atomenergie verwehrt wird – dies ist ein Argument, das kaum widerlegt werden kann.

Es gibt nach wie vor zwei Möglichkeiten. Entweder man versucht, diplomatische Wege zu finden, um die Gefahr einer Atommacht Iran auszuschließen. Der beste Weg wäre, die gesamte Region zu einer atomwaffenfreien Zone zu erklären. Dies würde vermutlich an dem Widerstand der Atommächte, allen voran Israel, scheitern. Man sollte ihn trotzdem als Vision ins Auge fassen. Der realistischere Weg wäre, den Vorschlag Irans, ausländische Unternehmen an der Produktion des Brennstoffs zu beteiligen, aufzugreifen und die Anlage unter verschärfter und dauerhafter Kontrolle der internationalen Atombehörde zu stellen.

Die zweite Möglichkeit ist der Einsatz von Gewalt, zu der Washington tendiert. Doch alle Strategen im Weißen Haus die, wie im Falle Iraks, den Konflikt zum Vorwand nehmen wollen, um in Teheran einen Regimewechsel herbeizuführen, seien gewarnt: Iran ist nicht Irak. Die Folgen eines Krieges wären weit verheerender. BAHMAN NIRUMAND

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