piwik no script img

Google legt ein i

TREND Nach viel Geheimniskrämerei präsentiert Google seine Antwort auf das iPhone: das Nexus One. Statt einem „Superphone“ gibt es aber vor allem Durchschnittliches

Lange Zeit stand das iPhone auf Platz eins der Charts für hippes Technikzubehör. Jetzt kommt Google

VON CHRISTOPH GURK

In der 80er-Jahre-Fernsehserie „Knight Rider“ hat Hauptdarsteller David Hasselhoff ein Superauto namens „K.i.t.t“, mit Bord-Computer, Fernsteuerung, Turbo-Modus und Spracherkennung. Schlimmster Widersacher von „K.i.t.t.“ ist „K.a.r.r.“, ein fast identisches Auto, das die gleichen Dinge kann. Es kommt, wie es kommen muss, die beiden Autos treten zum Duell an, um sich gegenseitig zu zerstören.

Ganz ähnlich geht es mittlerweile auf dem Markt für Smartphones zu, also jener Handys, die eigentlich kleine Computer sind. Der wohl bekannteste Vertreter dieser Spezies ist das iPhone von der amerikanischen Lifestyle-Computerfirma Apple. 2007 wurde es erstmals vorgestellt, Fans und Fachwelt brachen in Jubel und Begeisterung aus. Lange Zeit stand das iPhone Platz eins der Charts für hippes Technikzubehör. Jetzt kommt Google.

Schon Ende letzten Jahres brodelte es heftig in der Internet-Gerüchteküche, immer öfter meldeten Blogs und Nachrichtenseiten, dass der Suchmaschinen- und Softwarekonzern aus Amerika ein eigenes Smartphone entwickeln möchte. Bald wurden Fotos und technische Details im Netz veröffentlicht, Technikfans spekulierten, wann der potenzielle „iPhone-Killer“ endlich erscheint.

Während all dieser Zeit dementierte Google tapfer, bis gestern Abend. Auf einer Pressekonferenz in Kalifornien präsentierte man stolz das „Nexus One“, kein gewöhnliches Telefon, kein mieser iPhone-Abklatsch, sondern – natürlich – ein „Superphone“, wie Google-Mobilfunk-Manager Andy Rubin betonte.

Was da so hoch gepriesen wurde, bot oberflächlich gesehen aber erst mal keine Überraschungen: nicht zu groß, nicht zu klein, schmal wie ein Bleistift, dezente Farben und ein großer Touchscreen-Bildschirm. Sieht aus wie ein iPhone? Stimmt.

Auch innen drin können die beiden Smartphones fast das Gleiche, im Internet surfen, Mails checken, Spiele spielen, und wer unbedingt muss, kann sogar noch ganz altmodisch telefonieren. Kaum war die Pressekonferenz über die Bühne, wurde Google mit Spott und Häme überzogen: Millionen in den Sand gesetzt für einen iPhone-Klon statt einen iPhone-Killer, spotten Technik-Blogs. Zu wenig Speicherplatz gäbe es und obendrein viel weniger Apps.

Die Fans dagegen stellen Videos ins Netz, in denen sie begeistert die Funktionen des Nexus vorführen. So hört das Gerät anscheinend aufs Wort, dank einer Spracherkennung lassen sich sogar ganze E-Mails diktieren. Außerdem kommt es ab Werk mit GPS-System und einigen anderen Programmen, die man bei Apple teuer dazukaufen muss.

Googles größter Coup im Kampf gegen die schnieke Konkurrenz von Apple könnte aber das Vertriebssystem werden. Denn wer ein iPhone will, dem bleibt in Deutschland bislang nichts anderes übrig, als sich in einen zweijährigen Knebelvertrag zu verkaufen. Das Nexus soll es dagegen sowohl mit als auch ohne Vertrag geben, direkt bestellbar über eine eigene Internetseite. Einzelheiten oder Preise für Deutschland sind noch nicht bekannt, bis jetzt können nur Kunden in Amerika und einigen asiatischen Ländern das Nexus kaufen, für wahlweise 180 bzw. 530 Dollar.

Ob Preisvorteile und Spracherkennung reichen, um das von seinen Fans fast schon religiös verehrte Kultobjekt iPhone zu besiegen, wird sich zeigen.

In der Serie „Knight Rider“ verliert „K.a.r.r.“ auf jeden Fall sein Duell gegen David Hasselhoffs Superauto „K.i.t.t.“ und stürzt von einer Klippe. Bald stellt sich jedoch heraus: „K.a.r.r.“ ist nicht tot, und es kommt zu einer Revanche.

Ähnliches droht bei den Smartphones: Google hat angekündigt, das Nexus One sei nur der Anfang. Und Apple will in den nächsten Wochen einen Minicomputer auf den Markt bringen, der bald einen ähnlichen Kultstatus wie das iPhone erreichen könnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen