piwik no script img

Klimaprofiteur WinzerWeinexperimente in Werder

Der Klimawandel ist nicht nur ein abstraktes Thema, über das Forscher Prognosen für die nächsten Jahrzehnte aufstellen. In Deutschland machen sich die Auswirkungen bereits im Alltag bemerkbar. „Märkischer Erde Weinerträge geh’n durch die Kehle wie ’ne Säge“ dichteten Studenten der Universität Frankfurt (Oder) im 16. Jahrhundert mit Blick auf die Bemühungen Brandenburger Winzer.

Der Weinanbau fällt ihren Kollegen heute leichter. Manfred Lindicke zweifelt nicht, dass die Weine, die er auf seinen 6,2 Hektar produziert, äußerst trinkbar sind: „Unser ‚Werderaner Wachtelberg‘ ist die nördlichste Reblage der Welt, die für den Anbau von Qualitätsweinen zugelassen ist.“ Bei den 36.000 Flaschen, die er jährlich abfüllt, handelt es sich vor allem um die anspruchslosen Sorten Müller-Thurgau und Regent. Seit neuestem pflegt Lindicke auch 75 Stöcke Riesling, obwohl die als „Königin der Reben“ bekannte Pflanze hohe Ansprüche in Sachen Sonneneinstrahlung stellt. Noch sind die Rieslingstöcke nur Teil eines Weinlehrpfades. Das könnte sich ändern, wenn Manfred Stock richtig liegt. Der Wissenschaftler vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung geht davon aus, dass die Temperaturen im Norden Deutschlands bis Mitte des 21. Jahrhunderts um zwei Grad steigen und es pro Tag 0,6 Stunden mehr Sonnenschein gibt. „Im Jahre 2030 könnte in Brandenburg auf einer großen Fläche der anspruchsvolle Riesling angebaut werden“, vermutet der Klimaexperte. Die Luft in dem brandenburgischen Anbaugebiet ist heute bereits anderthalb Grad wärmer als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein Problem sieht Stock allerdings: Wenn es wärmer wird, können Schädlinge wie Zikaden in die deutschen Weinberge einwandern, die sich sonst nur in südlichen Gefilden wohlfühlen.

Ob es hierzulande wirklich immer wärmer wird, ist allerdings umstritten. Wenn der Golfstrom in Folge der globalen Erwärmung abreißt, könnte es auch viel kälter werden, wie neue Forschungsergebnisse zeigen.

ANNETTE LEYSSNER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen