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Berlin apartUnterwegs mit der Gayrilla

Enrico Ippolito
Kolumne
von Enrico Ippolito

Was tun bei homophoben Mitmenschen? Sicher ist: Reden hilft nicht immer.

Alle werden gleich behandelt? Bis dahin geht's leider noch ein Weilchen. Bild: dapd

S chwuchtel!“ Zack. Mit der Faust mitten ins Gesicht. „Man sollte euch vergasen.“ Bum. Kopfnuss. „Eine Familie besteht aus Mutter, Vatter, Kind.“ Bam. Ein Tritt in die Fresse. Nicht lange reden, nicht lange zögern.

L. und ich sind mit Freunden aus Paris im Silverfuture in der Neuköllner Weserstraße. Die Musik nervt zwar, aber der Ort ist schön. Trotzdem verlassen wir die Bar und wollen in eine traditionelle Berliner Eckkneipe gehen. Wir stehen draußen, rauchen auf und sehen durchs Fenster in die Kneipe. Ein Typ, so Mitte 20, steht neben uns und schaut uns an. Er zögert nicht lange und züngelt die Fensterscheibe – dabei macht er Fickpositionen nach. „Vielleicht sollten wir da doch nicht reingehen“, sagt L. Ich werde wütend – nicht wegen L., sondern wegen dem Arschloch.

Dann kommt der Freund des Typen raus. Er sieht genauso scheiße aus wie sein Kumpel, der immer noch mit der Zunge an der Fensterscheibe klebt, und schreit: „Ihr Schwuchteln, was ist los? Kommt doch rein!“ Für einen Augenblick denk ich: „Lauf zu ihm und brich ihm mit dem Kopf einfach die Nase. Diskutieren hilft hier nicht!“

Was mache ich stattdessen? Ich schau ihn an und sage: „Du Horst, lass dir erst mal Schamhaare und einen Vollbart wachsen!“ Der Wichser schaut verdutzt, und ich ärgere mich über meine Erziehung. Reden hilft ja bekanntlich nicht immer. Eigentlich hätte er dermaßen ein paar auf die Fresse verdient.

Mir geht diese Opferhaltung von Randgruppen auf die Nerven. Wir könnten uns wehren, wollen uns aber lieber assimilieren. Bloß nicht auffallen. „Normal“ sein. Geht’s noch?

2007 gab es eine Gruppe queerer Anarchos in Amerika namens „Bash Back“. Ihr Statement: „Wir wollen die Meinung der Menschen nicht verändern, wir wollen Heterosexuelle nicht so verbiegen, um uns Freiheit zu gewähren – wir schlagen zurück.“ Gut, „Bash Back“ haben keine homophoben Menschen verprügelt, aber die Botschaft war eindeutig. Ich wünsche mir stattdessen eine Gruppe queerer Menschen, die mit neonpinken Mützen durch die Straßen zieht und einfach Homophobe umnietet. L. hat auch schon einen Namen gefunden: „Gayrilla“.

Die neue Wochenendausgabe

Am Samstag ist die siebte Ausgabe der neuen taz.berlin-Wochenendausgabe erschienen. Sie bietet auf zwölf Seiten unter anderem ein aktuelles Schwerpunktthema, eine stark erweiterte Kulturberichterstattung, einen Wochenrückblick und das einstige Montagsinterview.

Am Samstag in der Wochenendausgabe:

- Schwerpunkt zum Thema: Wie gefährlich ist Berlin?

- eine Reportage aus dem Pelzgeschäft im Wedding

- ein Interview mit der Theatersouffleuse Tina Pfurr

Im Briefkasten oder am Kiosk.

Ich rufe B. an und erzähle ihr von dieser (wie ich finde) großartigen Idee, aber die ist auf Reisen. Auch F., die zufällig vorbeikommt, hat gerade keinen Kopf dafür und sagt nur: „Das sehe ich nicht!“ Bis jetzt besteht also die skurrile Neonmütze tragende Gruppe aus einer Person: mir.

L., die Pariser und ich stehen immer noch etwas perplex in der Weserstraße rum. „Normal“ sehen wir offenbar nicht aus: Zwei bärtige Männer, einer mit pinker, der andere mit einer hellblauen Pomponmütze, eine der Pariserin sieht aus wie ein „Seapunk“, die andere ganz elegant – wie eine russische Zarin.

Wir beschließen, ins „Ficken 3000“ in der Urbanstraße zu gehen. Als wir klingeln und reinkommen, sitzen fünf ältere Herren am Tresen. Die drehen sich um, winken uns zur Bar, und sofort fühlen wir uns zu Hause – trotz oder gerade wegen der schlechten Pornofilme. Vielleicht, denke ich, will sich hier einer der Herren meiner Bewegung anschließen. Die Mützen hätte ich schon.

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Enrico Ippolito
Redakteur bei taz2/medien
Jahrgang 1982, ist seit 2011 bei der taz. Seit November 2012 wirkt er als Redakteur bei tazzwei/medien. Zuvor hat er ein Volontariat bei der taz absolviert.
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7 Kommentare

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  • P
    Petra

    Die Assimilation hat (bei dir) doch schon gut geklappt.

    Das homophobe Arschloch wird über sein Aussehen herabgewürdigt:"Er sieht genauso scheiße aus wie sein Kumpel,..."

    und sexistische beleidigt:"Du Horst, lass dir erst mal Schamhaare und einen Vollbart wachsen!"(... sonst bist du kein echter Mann und kannst mir gar nix sagen.)

     

    Meine Gratulation, du stehst in der Mitte der Gesellschaft.

  • H
    Hans

    Xeno-/Homophobie und gewaltsame Übergriffe auf LGBTQI-Menschen sind leider ein anhaltendes Problem (natürlich auch in Berlin), ich denke jedoch, dass Gewalt anderer Gewalt entgegen zu setzen keine Lösung des Problems ist.

     

    Trotzdem sollten all diejenigen unter uns, die Opfer von Übergriffen oder Anfeindungen sind, lernen, sich dagegen zu wehr zu setzen, verbal, gesellschaftlich, politisch, und sollte man körperlich angegriffen werden, ist es legitim einen Angriff abzuwehren.

     

    Ich selbst begegne Homophobie und Agression mit viel Selbstvertrauen und wehrhaft, weiß aber, das es bis dahin ein charakterbildender Prozess war.

     

    Ich empfehle dem Autor, etwas für sein Selbstvertrauen zu machen, sei es ein Selbstverteidigungskurs oder bei was auch immer für einer Ungerechtigkeit im öffentlichen Raum die Stimme zu erheben und durch das zeigen von Zivilcourage selbst über seine Ängste und die Wut zu erwachsen.

     

    @Klare Gewaltaufforderung:

    Als erstes handelt es sich hierbei, wie man am Text auch sehen kann, um einen Beitrag aus dem Teil Kolumne und gibt mehr Meinung wieder, als Aussage der Redaktion. Zudem ist ihre These, dass Gewalt in der taz ""Linke" Methodik seit 40 Jahren" ist, etwas gewagt. m( Und ihre zynische thematisierung von Gewalt und Übergriffen gegen Menschen ist mehr als geschmacklos!

     

    Zu ihrer Anspielung auf die USA fehlen genauere Quellen, doch ich vermute sie spielen auf die Schießerei vor dem Family Research Council Office an, bei der noch nicht einwandfrei geklärt ist, ob es sich bei dem Täter um einen LGBTQI-Activisten handelt. Fernab davon, dass Gewalt, von wem sie ausgeht falsch ist, sollte doch die Verhältnismäßigkeit betrachtet werden, der ein Mord durch einen potentiellen LGBTQI-Aktivisten gegenüber der hunderte Morde an LGBTQ-Menschen weltweit jährlich gegenübersteht!

    http://en.wikipedia.org/wiki/Violence_against_LGBT_people

  • M
    Matze

    Ohne Scherz. Ich würd bei Euch mitmachen.

  • P
    pirx

    allerherzlichsten dank!

    you made my abend... bis kurz vor dem lesen hatte ich ein wenig schlechte laune.

  • G
    gosu

    mir kommt es generell so vor, als ob man keine der "deutschen" kneipen in neukölln betreten kann. nicht mal als deutscher hetero fühle ich da wohl. vielleicht muss man seinen IQ an der tür abgeben und viel korn trinken. beides nicht so toll...

  • KG
    Klare Gewaltaufforderung

    "Eine Familie besteht aus Mutter, Vatter, Kind." Bam. Ein Tritt in die Fresse. Nicht lange reden, nicht lange zögern.

     

    Eine klare Anweisung in der taz. Willst du nicht meiner Meinung sein schlag ich dir die Fresse ein. "Linke" Methodik seit 40 Jahren. Fehlt nur noch ein Amt und ein Beauftragter, der das durchsetzt. Nur ein schöner Name muß her. Etwas wie "Botschafter des Friedens" für Leute, die prominente DDR-Flüchtlinge im Westen ermordeten. Zur Erhaltung des Friedens natürlich, für die berühmte "Gute Sache", Notwehr sozusagen. Wie wäre es mit "Diversitätsbeauftragter für freie Meinung"?

     

    P.S:

    In den USA wurden übrigens Menschen ermordet, die gegen die Schwulenehe waren. Andere hat man im Internet mit Fotos ihrer Häuser, Angiffen auf ihre Geschäfte und anderen toleranten Maßnahmen eingeschüchtert, nachdem man eine demokratische Abstimmung in Kalifornien verloren hatte. Nur liest man davon bei uns wie von vielen Dingen nichts.

  • JM
    J. Murat

    Wow, das wird besser als "Simmering gegen Karpfenberg" (Qualtinger):

    "Gayrilla Berlin" vs. Kreuzberger homophobe Jugendliche

    Jeden Samstag auf der Hasenheide!

    Aber jetzt mal ernsthaft, Enrico!

    Bei manchen dieser Idioten hilft kein Reden mehr sondern vielleicht würden sie ein paar aufs Maul davon abhalten, auf Nichtheteros loszugehen.

    Aber sich eine "Fischer'sche Putztruppe" zu wünschen, weil Du Dich selbst nicht traust ist wohl etwas armselig!